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Rettet den Buchhandel - ignoriert die Kunden

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneRettet den Buchhandel - ignoriert die Kunden

Ich habe immer so meine Probleme mit generalisierenden Behauptungen und tue mich schwer damit einzusehen, dass der Buchhandel an sich in Gefahr ist.  Vielleicht hat aber auch nur das Börsenblatt, das Lobbymagazin des Buchhandels, gehörig übertrieben bei der Einleitung des Artikels, in dem Faltins Erkenntnisse vorgestellt werden. Wir wissen ja: Heutzutage braucht man schon starke Thesen um sich Gehör zu verschaffen und ohne Skandale geht es eh nicht. Selbst im renommierten Börsenblatt bisweilen.


Und selbst dann nur, wenn es sich um einen Artikeleinstieg handelt.

Falten richtete jedenfalls laut Börsenblatt einen Weckruf an die Branche - und Weckrufe sind in dieser Zeit in der der Buchhandel vor Ort sich als kleiner David gegenüber dem Riesen Amazon inszeniert ja gern gesehen und erregen Aufmerksamkeit. Garantieren auch dafür, dass darüber berichtet wird. Seltsamerweise sind meine Kolumnen in denen es um die Zukunft der Branche geht dem Börsenblatt nie einen Kommentar wert. Pöh. Dann halt nicht. Dann ladet euch halt den Faltin ein, der immerhin etliche Dinge richtig gesagt hat sofern man dem Börsenblatt trauen darf. Dass dieses eine sehr stark gefärbte Brille hat darf man nicht vergessen.

Jedenfalls: Der Artikel des Börsenblattes korrigiert dann auch gleich den Einstieg, dessen Satz ja nur dafür da damit man den Artikel liest. Wenn man bemerkt, dass Faltin es gar nicht um die Rettung des Buchhandels an sich geht wird einem der Mensch schon gleich sympathischer. Faltin fragt nämlich: Wie kann der Buchhandel zeitgemäß auf die neuen Gegebenheiten reagieren? Wie muss man den Buchhandel neu denken? Was macht dieser momentan eigentlich falsch? Und da sind er und ich in einigen Dingen sehr d'accord wie der Franzose sagt. Also im Einklang. Einverstanden miteinander.

Falting fordert unter anderem, dass über die Funktion des Buchhandels vor Ort nachgedacht werden muss und nicht so sehr darüber, was dieser in der Vergangenheit war. Ja, sicher, er war ein Ort wo man Bücher kaufen konnte. Geht man heute in eine Filiale von Thalia wird man bisweilen Mühe haben das Bücherangebot angesichts der vielen Spiele, Plüschtiere und generellen Non-Book-Artikel - das heißt wirklich so, hab ich mir nicht ausgedacht - überhaupt zu finden. Die Filialbuchhandlungen machen ihr Geld immer weniger wirklich mit dem Verkauf von Büchern sondern eher mit dem von Lesezeichen, Zeitungen, Zeitschriften, Lego-Star-Wars, Lego-Hobbit, Lego-Der-Herr-der-Ringe, Lego-Simpsons... Ich übertreibe? Natürlich tue ich das, aber es ist doch wahr: Jedes Mal wenn ich gezwungen bin eine Thalia- oder Weltbild-Filiale aufzusuchen möchte ich am liebsten schreiend wieder rausrennen.

Faltin ist der Ansicht, dass der Buchhandel sich weiterentwickeln muss. Und dass er dazu weniger auf die Kundenwünsche hören sollte sondern mehr wie Apple sein muss - die können einen neuen Rechner mit einer neuen Schnittstelle entwickeln, egal, die treuen Fans jubeln erstmal weil - weil - na ja, weil Apple es mit geschicktem Marketing geschafft hat sich als fast-religiöse Marke zu inszenieren. Wer Apple kauft, der ist besser. Hat Erfolg bei den Frauen. Schlägt seine Konkurrenten. Darf sich als Zugehöriger einer exklusiven Elite fühlen. Ich übertreibe? Dann diskutiert mal mit einem eingefleischtem Apple-Anhänger darüber, ob die Apple-Watch nicht mehr als ein billiges, funkelndes Spielzeug für Yuppies ist. (Ich habe euch gewarnt!)

Ehrlich gestanden: Ja, da ist durchaus was dran. Henry Fords berühmtes Zitat - "Wenn ich Menschen gefragt hätte, was sie wollen hätten sie gesagt schnellere Pferde", sinngemäß - bringt das ja auf den Punkt. Wir sind bisweilen zu bequem und wollen lieber die Verbesserung des Bestehenden als wirklich Neues. Das macht ja auch viel zu viel Arbeit, da muss man seine Denkmodelle umwerfen, neue Strategien entwickeln und vor allem muss man einen wachen und lebhaften Geist haben, der das Neue auch begreift. Bisweilen habe ich den Eindruck, die Buchbranche flegelt sich sich immer noch auf der Chaiselongue herum, das Lorgnon im Auge und die Tanzkarte im Gehrock. Selten findet man auch Vertreter der Branche außerhalb der Treffen des Buchhandels. Auf das Neue wird abschätzend herabgeblickt: "Ebooks - das sind keine Bücher, das sind Telemedien. Die fasse ich nicht mit spitzen Fingern an."

Ob der Buchhandel an sich als Ganzes Kunden ignorieren kann? Gute Frage, die kann ich nicht beantworten, da es DEN Buchhandel nun nicht wirklich gibt. Es gibt Buchhandlungen, die sind sehr weit vorne, es gibt Buchhandlungen die im wahrsten Sinne des Wortes verstaubt sind. Faltin gibt aber allerdings schon die richtigen Anregungen - sofern ich das dem Artikel entnehmen kann. Womit er Recht hat: Die Buchhandlung muss Gastgeber werden. Es gibt bekanntlich die Bookups, bei denen internetaffine - meine Güte, ich schreibe internetaffin, schlagt mich bitte wenn ich das noch mal tue - Kunden zusammen kommen um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Dass Buchhandlungen schon seit Jahren Lesungen anbieten ist klar, aber die Buchhandlung an sich muss ein Ort sein, an dem ich gerne meine Zeit verbringe - auch dann wenn ich nichts kaufen möchte sondern mich nur hinsetzen möchte um vielleicht inspiriert zu werden.

Die letzten Jahre brachten das Café in die Buchhandlung, brachten die Leseecken und Dinge wie Klaviere - jedenfalls hier in Duisburg in der Mayerschen, falls man mutig genug ist in der Öffentlichkeit zu üben - als Add-Ons in die Branche. Es reicht aber nicht nur diese Dinge zu haben - die Haltung des Buchhandels als Gastgeber muss auch gelebt werden. Und da schließe ich mich schlussendlich Faltin an.

"Wenn Sie im Unternehmen arbeiten wollen, können Sie das natürlich tun, aber Sie dürfen dabei nicht untergehen und die Arbeit am Unternehmen aus dem Auge verlieren. Werfen Sie einen anderen Blick auf die Welt, seien sie besonders und befreien Sie sich von den konventionellen Regeln"

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