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VAMPARIAH – oder: Mutmaßungen über ungelegte Eier

VampariahVAMPARIAH – oder:
Mutmaßungen über ungelegte Eier

Ein kleiner billiger Film, eigentlich kaum der Rede wert. Irgendwann wäre er wohl in einem Artikel über den modernen Trashfilm verwurstet worden.

Allerdings – als ich meine Gedanken in den Computer tippte kam etwas Anderes dabei heraus. Nun ist solch ein Film prinzipiell nicht jene Gedanken wert, aber sie kamen mir und ich will damit nicht hinter dem Berg halten.

Also habe ich den ganzen Kram etwas umgeschrieben und in der Reihenfolge verändert. Das, was ich zu dem Film von mir gebe, sollte nicht wirklich ernst genommen werden. Aber vielleicht fand ich den Film doch besser als ich es wahr haben will.

Kelly Lou Dennis als MihaVAMPARIAH - Der Film als solcher
Manchmal fällt es schwer über einen Film zu berichten. Man weiß nämlich nicht so recht was man von dem Ding halten soll. Einerseits ist er billigste Gülle, scheinbar planlos zusammengestümpertes Horrorkino der gewollt anderen Art. Andererseits ist er der bemerkenswerte Versuch, mit den Sehgewohnheiten zu brechen und dem Zuschauer nicht nur Standards zu präsentieren.

Ich stellte bald fest, dass der Grund darin liegt, weil ich wohl nicht zur richtigen Zielgruppe gehöre. Der Digitallook wirkt auf mich billig und abstoßend. Außerdem zeigt mir der Film, dass das Kino durch Vertreter wie diesen seine Imagination endgültig verloren hat. Offenbar kann mittlerweile wirklich jeder Amateur auf seinem Heimcomputer tolle Spezialeffekte erzeugen. Natürlich sind sie als solche erkennbar, aber es ist schon beeindruckend, was man mit den richtigen Programmen auf dem PC erreichen kann. In dieser Hinsicht fand ich den Film zumindest interessant, obwohl er mehr möchte, als meine alten Augen mit technischem Schnickschnack zu beeindrucken.

Jedenfalls ist Mihal Mitglied einer Gruppe von Jägern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Vampire dieser Welt zu vernichten. Sie nennen ihre Gegner schlicht "die Untoten", denn sie sind sehr verschieden und besitzen nur noch selten die Eigenschaften klassischer Vampire. Die gefährlichsten und rücksichtslosesten Ungeheuer sind die Aswang, eine von den Philippinen stammende Art, die auf Entfernung ihre Opfer töten und aussaugen können, indem sie eine offenbar endlose Zunge ausfahren. Sie sind grundsätzlich weiblich und laufen am Tage als normale Frauen durch die Gegend. Des Nachts sind sie in der Lage ihre Körper auf Bauchnabelhöhe zu trennen. Dann wachsen ihnen Flügel und so gehen sie auf Opfersuche. Mihal verfolgt die Aswang mit besonderer Härte, denn diese löschten einst ihre ganze Familie aus. Warum sie damals verschont blieb erfährt sie auf drastische Weise von Bampinay, einer Aswang. Mihal ist praktisch ein Halbling, Tochter einer Menschen und einer Aswang. Sie muss sich dieser Erkenntnis stellen und sich entscheiden. Sie wählt die dämonische Seite und so kommt es zur Konfrontation mit den Jägern.

Aureen Almario als BampinayWie der Film entstand – oder: Vom Risiko in einen Film zu investieren
"kickstarter.com" ist eine feine Plattform für Leute, die sich zu Großem berufen fühlen. Über diese Seite kann jeder eine Crowdfunding-Aktion starten um sein eigenes Projekt mittels finanzieller Unterstützung zu verwirklichen. Dabei kann es sich um Alles handeln, es muss nicht unbedingt ein Film sein.

Im Januar 2011 meldete sich Autor/Regisseur Matthew Abaya auf der Seite. Sein Gedanke war einen Spielfilm zu schaffen. Nun gut, das möchten viele Leute. Als Referenz konnte er immerhin den Kurzfilm BAMPINAY aus dem Jahre 2003 vorweisen. Er wollte das Werk auf Spielfilmlänge ausweiten und bat nun auf diesem Wege um finanzielle Unterstützung. Veranschlagt waren 5000 Dollar. Es folgte eine Zeit des Wartens und Bangens. Bis August bekam er knapp 5500 Dollar zusammen. Ob dieses Ergebnis nun das gesamte Budget des Films darstellte ist schwer zu sagen, denn gesicherte Angaben gibt es nicht. Von vornherein stellte Abaya klar, dass er einen Film schaffen wollte, der alle Möglichkeiten derzeitiger Filmherstellungstechniken ausnutzen sollte.

Mit jüngsten Innovationen im digitalen Filmschaffen und den Technologien der Spezialeffekte ist nun die Zeit gekommen einen Spielfilm daraus zu machen (...) Der Film soll binnen zwei Monaten in der Gegend der San Francisco Bay gedreht werden. Nachträgliche Aufnahmen und die Spezialeffekte sollen dann innerhalb eines Jahres erfolgen. (Zitiert aus der Konzeptvorstellung auf kickstarter.com)

Ein fliegender OberkörperBereits im August 2011 konnte konnte Abaya einige Namen für Cast and Crew vermelden und die Dreharbeiten sollten Ende Januar 2012 beginnen. Nun, ganz so einfach war es dann wohl doch nicht. Im Mai 2012 verkündete der Regisseur, dass die Hälfte des Weges zurückgelegt sei. Zunächst nicht berücksichtigt war die Tatsache, dass sie nur an den Wochenenden drehen konnten, da ja jeder noch einem Job nachging. Auch im August und September wurde immer noch gedreht. Obwohl dann Ende Oktober noch in Produktion, zeigte Abaya einen ersten Trailer auf einem Horrorfestival. Erst Ende November 2012 begann man mit den Re-Shoots und der nötigen Post-Production. Danach herrschte Funkstille. Im August 2013 präsentierte Abaya dann plötzlich einen offiziellen Trailer mit der Einschränkung, dass es immer noch einige Nachbearbeitungen gäbe, der Film aber im Wesentlichen fertig sei und toll aussähe. Dieses war der letzte Eintrag. Die eingerichtete Website vampariah.com wurde nicht mehr gepflegt. Heute ist sie übrigens verwaist und enthält lediglich noch einen Link zur IMDb.

Danach hörte man nichts mehr von den vollmundigen Ankündigungen. War das Projekt im Sande verlaufen? Matthew Abaya ward in einigen kleinen Filmen als Schauspieler gesehen, arbeitete als Kameramann und Produzent. Von seinem Film als Regisseur war nichts mehr zu vernehmen. Plötzlich, im Februar 2016, erfolgte ein Release von VAMPARIAH in den USA auf DVD. Auf einmal gab es auch Interviews, doch mit keinem einzigen Wort erwähnte der Regisseur die Verzögerung. Eine Veröffentlichung in Deutschland ließ dann noch mehr als zwei Jahre auf sich warten, kam erst im Juli 2018.

Visuelle SpielereienWas mir danach so durch den Kopf ging
Zunächst einmal glaube ich, dass der Film dem gerecht geworden ist, was in der Projektvorstellung auf kickstarter.com angekündigt wurde. Wie ich eingangs schon erwähnte, bin ich mit meinen fast 60 Jahren kein Bestandteil des anvisierten Zielpublikums. Gleichwohl bin ich immer ein Horrorfilmfreak gewesen und so interessiert mich natürlich die Entwicklung des Genres. VAMPARIAH dabei eine Schlüsselrolle einzuräumen wäre albern, zumal er weder von einem Major produziert noch vertrieben wurde/wird. Dennoch zeigt der Film mir einen Trend, den ich persönlich zwar nicht mag, der aber konsequent und folgerichtig an ein modernes Publikum gerichtet ist.

Das beginnt schon mit dem Digilook. Gerade für Filme unterhalb des B-Levels ist das eine finanzielle Alternative. Das entsprechende Equipment lässt sich in jedem Kaufhaus erwerben. Wenn man als Regisseur/Kameramann ein bisschen Finesse besitzt, dann kann man diese entsprechend kreativ nutzen. Wie schon erwähnt lassen sich computergenerierte Effekte inzwischen relativ leicht erzeugen. Sie sind als solche zwar für das geübte Auge zu durchschauen, aber sie lassen sich schmerzfrei integrieren. Bei den blutigen Maskeneffekten sind dem noch Grenzen gesetzt, so scheint es. Man war sich dessen wohl bewusst, sodass der Zuschauer überrascht feststellen muss, dass die Splattereffekte überwiegend handgemacht sind. Oft genug hat man selbst in höher budgetierten Filmen die Erkenntnis gewonnen, dass CGI-Bluteffekte völlig unrealistisch, ja meistens sogar lächerlich aussehen.

Ich könnte mir vorstellen, dass VAMPARIAH einer größeren Anzahl jüngerer Zuschauer gefallen wird. Ob der digitalen Bilder bietet er ein recht realistisches Aussehen. Er zeigt einfache, trotz der wirklichkeitsfremden Szenerie nachvollziehbare Charaktere, diverse schräge Flug- und Kampfszenen, die zwar schnell aber nicht hektisch inszeniert sind. Vor allem die Schnittfolgen zeigen nicht dieses wilde Gewusel, das bei diversen Actionfilmen Augenkrebs erzeugt. Ausleuchtung, Set-Design und die Darsteller entsprechen moderner Videoästhetik, die Handlung, anfänglich etwas konfus, weicht im Verlauf einer leichten Nachvollziehbarkeit. Der Film ist wie Fast-Food, schnell und simpel zu goutieren.

Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass VAMPARIAH ein Film der neuen Generation ist, aber er zeigt mir wohin der Weg führt. Auch Billigfilme können sich, wenn sie einen annehmbaren Erfolg verbuchen wollen, dem Trend nicht verschließen, den das große Kino vorgibt. Horror-, SF-Filme oder auch Thriller müssen rasant inszeniert werden, meistens viel Action bieten und leicht verständlich sein. Mal ehrlich, wenn der Film nicht fetzt oder gar einen schwierigen Handlungsverlauf besitzt, dann beschäftigen sich die Leute heutzutage lieber mit ihren Smartphones – egal ob vor dem heimischen Fernseher oder im Kinosaal.

Ich fand den Film nicht so prall. Aber, wie gesagt, ich gehöre nicht dem Zielpublikum an, das dieser Film erreichen möchte. Ich frage mich nur, wofür der Film fünf Jahre brauchte. Er sieht nach zwei Wochen Drehzeit und vielleicht drei Monaten Nachbearbeitung für die Effekte aus.
VAMPARIAH
VAMPARIAH
(VAMPARIAH)
mit Kelly Lou Dennis (Mihal), Aureen Almario (Bampinay), Scott Mathison, Arlene Joie Boado, Roberto Divina, Jeffrey Lei.
Produktion, Regie und Drehbuch: Matthew Abaya für I Don't Care Productions
Kamera: Aja Pilapil
Musik: Cynical Mass, Armor Rapista

USA 2016


Farbe – 1,78:1 – 90 Minuten (NTSC) – 87 Minuten (PAL)

Bilder: Cover und Screenshots der deutschen DVD (Soulfood Daredo/White Pearl)

Kommentare  

#1 Laurin 2018-08-18 20:47
Der Film sagt mir jetzt auch nicht wirklich etwas. Aber gerade bei den Genrefilmen aus Asien bin ich da vorsichtig geworden. Zumindest wenn da kein Godzilla oder so drin vorkommt. :P
Aber ab und zu findet man dann ja doch noch so eine kleine Trash-Perle unter diesen Filmen.
#2 Norbert 2018-08-18 21:03
Hallo Friedhelm. Ja, warte lieber ab bis du den Film günstig sehen kannst. Ich kenne dich als Fan des eher älteren und klassischen Films. Du kannst meinem Text dahingehend Glauben schenken, dass er zu keiner Zeit den alten Vorgaben entspricht, weder in qualitativ guter wie in schlechter Hinsicht. Ich habe geahnt was mich erwartet, zumal ich dem modernen Trashfilm sehr zugeneigt bin, und habe, obwohl ich ihn eben nicht so toll fand, die 8€ beim Blödmarkt nicht bereut.
Ja, das mit dem Ausgraben. Ich grabe, wie schon mal erwähnt, gerne. Im Wesentlichen kommen die Entdeckungen aber in meiner Trashfilmreihe, von der ich bisher 60 Teile geschrieben habe. Solche Einzelfälle, in denen es zu den Filmen mehr zu sagen gibt, werden eher die Ausnahme bleiben.

Hallo Laurin. Der Film ist eine US-Produktion. Matthew Abaya ist ein amerikanischer Regisseur mit philippinischen Wurzeln. Und dass der Film nicht so bekannt ist liegt wohl zum Einen daran, dass er erst seit letztem Monat bei uns auf dem Markt ist und zum Anderen daran, dass sich nicht jedes Geschäft Filme von solchen Billiglabels ins Regal stellt. Außerdem produzieren die Kleinvertreiber derart viel, dass manche Filme nie irgendwo mal zu erhaschen sind.
#3 Laurin 2018-08-18 21:14
Oh ... hatte ich jetzt ganz unten völlig übersehen, Norbert, dass es sich um eine US-Produktion handelt. Die Filmbilder machen da auch mehr Lust auf Ente süß/sauer. Aber gut, ich sollte weniger ans Essen denken, wenn ich einen Artikel lese. :D

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