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Unterhaltsam trostlos - Die negative Utopie »Flashback« von Dan Simmons

FlashbnackUnterhaltsam trostlos
Die negative Utopie »Flashback« von Dan Simmons

Selten hat ein Buch bei mir einen so zwiespältigen Eindruck hinterlassen wie der Roman »Flashback«.

Dabei ist mir der Autor Dan Simmons seit Ende der 80er Jahre vertraut, als er mit »Hyperion«, »Das Ende von Hyperion« sowie »Endymion – Pforten der Zeit« und »Endymion – Die Auferstehung« ebenso kluge wie ideenreiche SF-Romane vorlegte.

 

FlashbnackIm Horror-Genre und mit phantastisch angehauchten historischen Thrillern wie „Terror“ und „Drood“ machte sich Simmons nicht zuletzt auch wegen seiner bewundernswerten Belesenheit ebenfalls einen guten Namen. Auch der Roman „Flashback“, der jetzt in einer Übersetzung von Karl Jünger in deutscher Erstausgabe, bei Heyne erschienen ist, zeugt von Simmons’ Fähigkeit, auf großer Leinwand zu malen und spannende Unterhaltungsliteratur abzuliefern.

Simmons hat dafür dieses Mal die Form einer Dystopie, eine „negative Utopie“, gewählt, die in der uns sehr nahen Zukunft des Jahres 2036 spielt. Es ist die Zeit nach dem Tag, „an dem alles den Bach runterging“, so die immer wiederkehrende Kurzformel von Simmons für den Untergang der uns bekannten Welt. Die USA stehen vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, auf den Straßen der großen Städte herrschen paramilitärisch organisierte Gangs. Millionen Mexikaner haben die Bundesstaaten Kalifornien und Arizona überflutet, die staatliche Gewalt dort steht vor der Auflösung.

Auch international sieht es für die Vereinigten Staaten nicht gut aus. Die weltpolitische Szenerie wird von einer Neuauflage der Fernostasiatischen Wohlstandssphäre unter der Hegemonie Japans auf der einen Seite der Erde und dem Weltkalifat auf der anderen Seite des Globus bestimmt. Dieses Kalifat erstreckt sich vom Fernen Osten, den Norden Afrikas über das „alte Europa“ bis auf den nordamerikanischen Kontinent. Dort ist der Islam Schulfach, wird der 11. September als Nationalfeiertag begangen und steht auf „Ground Zero“ in New York eine Moschee.

Solchen Wahnsinn ertragen die meisten Menschen nur mit dem Genuss einer Droge. „Flashback“, so lautet der Name des synthetischen Rauschmittels, versetzt den Benutzer zeitweise in die schönsten Zeiten der Vergangenheit. Das kann die Erinnerung an die romantische erste Liebe ebenso sein wie die mit brutalen Kumpels gemeinsam begangene Vergewaltigung. „Flashback“ macht die Menschen jedenfalls träge, initiativlos und manipulierbar.

Einer der „Flashback“-Süchtigen ist auch der ehemalige Polizist Nick Bottom. Er hat durch einen vermeintlichen Unfall seine Frau verloren und verliert sich mit Hilfe der Droge nun mit ihr in der Vergangenheit. Als er den Auftrag erhält, den Mord am Sohn eines japanischen Großindustriellen aufzuklären, beginnt Bottom – sein Name sagt schon viel darüber aus, auf welcher Stufe der sozialen Leiter er sich befindet – eher widerwillig mit den Ermittlungen. Als er jedoch mehr und mehr das Dickicht verschiedener Realitäten lichtet, kommt er einer gigantischen Verschwörung auf die Spur, die für den desolaten Zustand der USA verantwortlich zu sein scheint.

Seit „Hyperion“ auch ein vielgelesener SF-Autor: Dan Simmons.Nicht immer ist in „Flashback“ alles auf den ersten Blick so, wie es der Autor uns zunächst weismachen will, Simmons spielt mitunter sehr geschickt mit verschiedenen Wahrnehmungs- und Wahrheitsebenen. Allerdings hat er keinen Roman über „Flashback“ als Verschiebebahnhof für verschiedene Wirklichkeiten geschrieben, wie es vielleicht Philip K. Dick getan hätte, das Buch ist vielmehr ein knallharter Polizeithriller mit Anklängen an Tom Clancys Militärfetischismus vor dem Hintergrund eines Jahres 2036, das hoffentlich nie Realität wird. Die Selbstverständlichkeit, mit der Simmons die Ursachen der Katastrophe der Politik des derzeitigen Präsidenten Barack Obama zuordnet, erinnert traurigerweise an die dummen und dumpfen Parolen der aktuellen „Tea Party-Bewegung“ und der rechten Republikaner in den USA. Wäre Obama nicht 2009 nicht mit einer Rede in der Universität auf die islamische Welt zugegangen und hätte er nicht eine Gesundheitsreform für alle Amerikaner aufgelegt – die Vereinigten Staaten wären noch die Supermacht, der sie einst waren. Es ist leider nicht eindeutig, ob solche Simpel-Politik-Parolen nur den Protagonisten in „Flashback“ entweichen oder ob sie tatsächlich die Meinung des Autors wiedergeben.

Deshalb mein zu Anfang erwähnter zwiespältiger Eindruck. „Flashback“ ist spannend und unterhaltsam, in mancherlei Hinsicht sogar lehrreich, wenn es beispielsweise um japanische Traditionen geht. Aber es ist auch auf verhängnisvolle Weise trostlos – und sollten „negative Utopien“ nicht gerade das sein?

Daten zum Buch:
Flashback
Roman von Dan Simmons
Deutsche Erstausgabe
ISBN 978-3-453-26597-4
638 Seiten, Euro 15,99
Random House Deutschland (Wilhelm Heyne Verlag München) 2011


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