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Dirk van den Booms Tentakelschatten

TentakelschattenDirk van den Booms Tentakelschatten
Der Trilogieauftakt

Mit dem Auftaktband seiner Tentakeltrilogie stellt der Autor auch ein gänzlich neues SF-Universum vor:

Mehrere Jahrhunderte expandierte die Menschheit, beinahe 40 Kolonialwelten wurden mittels Sternenbrücken erschlossen. Etwa fünf Jahre nach einem blutigen Kolonialkrieg dann der Erstkontakt. Fremde Schiffe dringen parallel in gleich zwei (zumindest geschilderte) Systeme ein, erkunden und zerstören.

 

Dirk van den BoomDie ersten Kapitel, in denen Dirk van den Boom einige der Hauptprotagonisten vorstellt, erzeugen beim Ikarus-erfahrenen Leser ein kleines Déjà-vu. Sowohl die Charaktere (alles entweder vom Schicksal gebeutelte Figuren oder mit sich selbst beschäftigte Existenzen) wie auch ihre Einführung erinnern an die Hauptfiguren der seit mehr als zehn Jahren erscheinenden Paperbackserie.

Diesmal hat es ein wenig länger gedauert, um mich zu packen. Anfangs dachte ich noch, dass mir diese aufgefallenen Ähnlichkeiten bei den Protagonisten missfallen würden, doch dem war nicht so: Die Charaktere sind dem Autor wieder ausgesprochen gut gelungen. Alles Figuren, die man als Leser gerne begleitet - keine wirkliche Neuerfindung, aber eben sehr gelungene Variationen, die durchaus faszinieren können.

Doch was war es dann, was mir das Eintauchen in die neue Welt ein wenig erschwerte?

Anders als wie bei der Ikarusserie, die den Leser zwar auch in keine heile SF-Welt versetzt, aber in der Grundstimmung doch auch sehr positiv gehalten ist, geht der Autor hier viel destruktiver vor. Die neu vorgestellte Welt wird bereits, noch vor dem ersten Auftauchen der Außerirdischen, als sehr unangenehm eingeführt: Fünf Jahre nach einem aufreibenden Krieg, die Besatzung der ‘Admiral Malu’ scheint ausnahmslos aus gescheiterten Existenzen zu bestehen, das Schiff alt und wartungsbedürftig, die ganze Situation der menschlichen Raumfahrt am Scheideweg ... Kurz: Setzte die Ikarusserie bei den Handlungsträgern zu einem Zeitpunkt ein, als diese ihre größte Krise hinter sich hatten (die es in der Folge durchaus in der Serie mehrmals aufzuarbeiten galt), so erscheint die Zukunft der Tentakelprotagonisten bereits zu diesem Zeitpunkt relativ perspektivlos.

TentakelschattenSo paradox es klingen mag: Erst durch den Einfall der Aliens ergibt sich für die eingeführten Charaktere bei ‘Tentakelschatten’ die Chance, vom persönlichen Weg, der in eine Sackgasse führen wird, abzuweichen. Dass die sich nun geänderte Ausgangsposition für die Menschheit insgesamt nicht sehr glücklich ist, steht hingegen auf einem anderen Stück Papier (das natürlich auch in dem Buch vorhanden ist!).

Während Jonathan Hark den Erstkontakt im Arbedian-System als Kommandant an Bord der 'Admiral Malu' erlebt und relativ schnell dafür kämpfen muss, dass noch einige Kolonisten aus dem System entkommen können, erlebt Rahel Tooma im Lydos-System die Invasion auf dem Planeten mit.
Zwei verschiedene Perspektiven, gelungen gewählt - sie tragen den Großteil des Romans. Dirk van den Boom versteht sein Handwerk, weiß sowohl mit dem taktischen Vorgehen im All wie auch mit dem Untergrundgeschehen auf dem Planeten zu packen.

Eine weitere Ebene behandelt den Wissenschaftler Dr. Jan DeBurenberg, der mich persönlich am meisten fasziniert. Obwohl ein genialer Wissenschaftler innerhalb einer SF-Serie wahrlich nichts Neues darstellt, ist es Dirk van den Boom auch mit dieser Figur gelungen, mich zu überzeugen. Mutig, da er sich sicherlich bewusst war, dass gerade die Wissenschaftlergattung sowohl von Kritikern wie Lesern gerne seziert wird. Als Stichwort mag ich nur die jugendlichen Figuren bei ‘Star Trek - The Next Generation’ oder ‘SeaQuest’ erwähnen. Kaum einer mag sie, aber jeder kennt sie.

Und nicht erst zu guter Letzt beschreibt der Autor die Auskundschaftung der Kolonialsysteme auch (kurz) aus der Sicht des Invasors. Ein gefährliches Unterfangen. Zum einen verschenkt er dadurch, dass er auch diese Perspektive einnimmt, unheimlich viel Überraschungspotenzial, zum anderen muss die Handlung dann auch wirklich auf allen Ebenen funktionieren: Aus der Sicht der Menschen, aus der Sicht der Invasoren, und natürlich die komplette Handlung im Zusammenspiel.

Und schon bin ich beim größten Pluspunkt des Buches: So gefährlich es auch ist, die Perspektive der Invasoren einzunehmen, so ist sie doch ausnehmend gut gelungen. Obwohl die grundsätzlichen Invasionshintergründe im ersten Band noch nicht aufgedeckt werden: Die Aliens gehen sehr konsequent vor, ohne dass der Autor stilistische Verrenkungen unternehmen muss, um sich einige Handlungswege offenzuhalten. Bleibt abzuwarten, wie sich die in den späteren Bänden hoffentlich ergebenden Erklärungen in das Gesamtbild einordnen werden.

Der Serienkosmos an sich ist sehr gut ausgearbeitet. Dirk van den Boom versteht es mit leichter Hand, den Leser in seine neu geschaffene Welt eintauchen zu lassen. Die vorgestellte menschliche Technik wirkt sehr plausibel, die zwei für die Handlung wichtigen Kolonialwelten überzeugen und das politische Gefüge ist stimmig (wenn es auch kein dem Leser gefälliges Weltenszenario sein wird!).

Bislang habe ich mir Mühe gegeben, nicht zu viel von der eigentlichen Handlung zu verraten, doch nun muss ich eben doch einen Punkt näher beleuchten:

Das, was die Tentakelwesen mit den gefangenen Menschen machen (aus der Sicht Rahel Toomas beobachtet), ist schon ziemlich heftig. Hier lässt der Autor die Invasoren sehr brutal vorgehen - und muss sich der Frage stellen, ob es denn auch tatsächlich notwendig ist. Noch gibt es keine Erklärung, warum gerade die Menschen hierfür benötigt werden, und ob Intelligenzwesen, die die Raumfahrt beherrschen, nicht andere Wege beschreiten könnten. Wie gesagt: nur eine Frage. Es wird sich hoffentlich in den folgenden Bänden zeigen, ob es nur Effekthascherei um der Brutalität willen ist, oder ob diese Handlungen eben doch existenziell notwendig sind.

Fazit:
Ein gut durchdachter, sehr schnell packender Military-SF-Beitrag.

Und eine neue SF-Welt. Mal schauen, wie lange es sie noch gibt, denn bei dieser Trilogie besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie endgültig abgeschlossen sein wird. Zumindest aus der Sicht der Menschen ...
Tenatkelschatten
Daten zum Buch
Tentakelschatten
(1. Teil der Trilogie)
von Dirk van den Boom
ISBN 978-3-946742-82-4
Atlantis-Verlag

 

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