Professor Zamorra 1206 - Ritter der Nacht
Professor Zamorra - Der Orden der Tausend
(Amulette-Zyklus, von Adrian Doyle)
1206 Ritter der Nacht
und bäms! schickt uns Herr Weinland wieder in die Vergangenheit - ins Jahr des Herrn 1243.
Achtung, definitiv !
auf einer Festung logiert ein Orden, dessen Ziel die Bekämpfung des Bösen ist. mithilfe eines Zaubers spüren sie Höllensterne auf, und senden Trupps aus, um diese Brutzellen des Bösen unschädlich zu machen. Kelans Vater Guillaume ist so ein Ordensbruder, der immer wieder auszieht. der Knabe Kelan lebt mit seiner Mutter Liliane und deren Bruder Armand im Dorf, das unter der Ordensburg liegt. Guillaume stammt selbst aus diesem Dorf, und anders als seine Brüder - sie nennen sich der Orden der Tausend, da sie ebensoviele sind - wohnt er auch da, bei seiner Familie, und lehrt den Sohn von klein auf den Umgang mit Schwert und Bogen.
Guillaume kommt eines Tages bei einer Mission ums Leben, seine trauernde Ehefrau nimmt sich wenige Tage darauf das ihre. der Ordensritter Thibaut, der den Trupp führte, nimmt Kelan unter seine Obhut, für den Jungen beginnt ein neues Leben.
Thibaut bildet Kelan nicht nur im Kriegshandwerk aus, er unterrichtet ihn auch in Allgemeinwissen. so sieht der Junge das erste mal einen Globus, eine Sensation, wo sich damals noch alle dachten, die Erde sei eine Scheibe... damals, hm... und er weist den Jungen ein in die "Geheimnisse des Bösen, dessen Arsenale, Finten und Ziele". mit 18 wird der Junge zum Ritter geschlagen, er lernt die Tugenden oder Anforderungen an die Ritter kennen - Entschlossenheit , Wille, Aufopferung. und die Zauber, die Magie, die der Orden für sich selbst nutzt, wenn es gegen die Armageddonjünger geht. so wird Kelan eingeweiht, dass die schärfsten Waffen des Ordens die Höllensterne sind, die die Ritter von den Horden der Nacht erobern. doch je mehr sie in ihren Besitz bringen, desto schwerer wird es, die verbleibenden unter Kontrolle zu bekommen.
die "Schulstunde" wird jäh unterbrochen, ein Ritter zuckt aus, ausgerechnet derjenige, der als Nachfolger des Priors vorgesehen war, er verwüstet mit seinem Stern den Burghof und richtet unter den Anwesenden ein Massaker an, bis er vom Prior und Thibaut ausgeschaltet, sprich: getötet wird.
das Vorkommnis bringt Thibaut dazu, Kelan die wahren Umstände des Todes seines Vaters zu beichten - Guillaume hatte sich im Einsatz gegen eine Kreatur gegen die eigenen Leute gestellt und Thibaut angegriffen, und sich mit seinem Amulett schließlich selbst getötet.
verzweifelt und verwirrt flieht der frisch gebackene Ritter Kelan aus der Burg, aus dem Dorf, bis sein Pferd zusammenbricht und er es sogar töten muss. er hadert mit seinem neuen Wissen, sein Bild vom Vater, dessen Amulett er übernommen hat, vom Orden, von Thibaut ist halb zerstört. da wird er von geschuppten Kreaturen angegriffen. instinktiv weiß er das Amulett zu handhaben und die abstoßenden Scheusale damit zu vernichten.
er reimt sich zusammen, dass es auch bei den Höllenwesen Sternträger an der Spitze der Hierarchiepyramide und am breiten Sockel eine Art Fußvolk hatte, das zahlenmäßig wahrscheinlich niemals völlig überwunden werden konnte. auf die Frage, wer all diese Sterne geschaffen und in Umlauf gebracht hatte, findet er allein jedoch keine Antwort und entscheidet, zum Orden zurückzukehren. doch bevor er aufbrechen kann, wird er neuerlich von den Dämonen angegriffen, diesmal wird er überwältigt und verliert seine Silberscheibe. doch wird er von Thibaut und anderen Gefährten gerettet, die ihm nachgeritten sind.
zurück auf der Festung beauftragt der Prior Kelan und Thibaut, die Sterne genauer zu erforschen, zu viel liegt noch im Dunklen, die beginnen, sämtliche bisherigen Erkenntnisse und Vorkommnisse zu dokumentieren. rasch wird klar, dass jeder Ritter andere, einzigartige Erlebnisse mit seinem Stern, oder neue Fähigkeiten entdeckt hatte. der Prior schließlich ist es, der sich durch die Forschungen bestätigt fühlt - durch die Nutzung der Sterne sind die Ordensritter einen Pakt mit dem eingegangen, dass sie eigentlich bekämpfen wollen, wenn auch unwissentlich. diesen Verdacht teilt er zunächst nur mit Kelan, schließlich befiehlt er aber dem gesamten Orden, die Sterne wegzuschließen, und nur mehr zum Kampf zu tragen.
1253 a.d.! Thibaut zieht mit einem Trupp los, um einen Höllenstern einzusammeln, in einer bislang unerforschten Weltgegend - terra incognita, die Ritter nennen es weiße Finsternis. auf der Reise nimmt Kelan sein Amulett zur Hand, und fühlt sich plötzlich in einen anderen Ritter versetzt, dessen Gefühl er empfindet - Hass - und durch dessen Augen er miterleben muss, wie dieser Ordensmann den Prior tötet. er alarmiert Thibaut, eine Bote wird zur Burg geschickt, und bringt gute Kunde - der Prior ist wohlauf.
die Ordensritter kommen in der neuen Welt an, und auf einem Hochplateau kommt es zum Kampf...
der Roman lässt in mir Anklänge an Parzival ertönen - die Wandlung vom reinen Tor zum Auserwählten ist die Parallele zu Kelans Entwicklung vom achtjährigen Knaben zur Schlüsselfigur, und Thibaut ähnelt dem kampferprobten und klugen Gawain, der reinste unter den Rittern der Tafelrunde. die Gralsuche wäre demnach die seit hundert Jahren dauernde Suche nach Höllensternen... unsere Handlung spielt im Frankreich des 13. Jahrhunderts, da entstand auch Eschenbachs Versroman, basierend auf der Artuslegende - Zufall?
der Autor gibt viel, aber noch nicht alles über die Amulette preis. Thibaut erklärt das alles Kelan, und damit der Autor mir, einfühlsam, und wie der Junge staunt, so gehen mir reihenweise die Lichter auf. die Höllensterne sind natürlich nichts anderes als Amulette, wie auch unser Professor eines trägt.
die Mutter Kelans hat nur einen Kurzauftritt, sie ist die Dorfschönheit, mit wogendem Busen, aber zierlich, und überraschend resoluter Stimme. bei der Beschreibung mußte ich schmunzeln, das verging mir rasch, als sich die arme Frau in ihrer Verzweiflung selbst Gewalt antut.
Thibaut erzählt, dass die Ordensgründung wohl vor hundert Jahren erfolgte, also um elfhundertbofti. ich kenne Herrn Weinland mittlerweile gut genug, dass ich glaube, das hat später noch etwas zu bedeuten?
auch sind die Menschen im Dorf unter der Burg besonders abergläubisch, zumal der Landstrich vor nicht allzu langer Zeit von einem Diener der Hölle heimgesucht worden war. wieso wird diese Anektdote mit dem Huhn überhaupt erzählt? auch das ein Puzzlestück für später? wurde deshalb der Orden überhaupt erst gegründet? vieles bleibt noch unerklärt, vielleicht sehe ich auch Gespenster, haha.
diese ganze Backstory der Amulette ist natürlich interessant und bringt wichtige Details ans Licht, freilich kann der Autor das nicht nur in Dialogen zwischen Thibaut und Kelan abhandeln, daher packt er einige Actionszenen dazu wie den Amoklauf eines Ritters, den ersten Kampf Kelans gegen Dämonen, die Rettung Kelans durch Thibaut und schließlich die Mission in der neuen Welt.
erzählerischer Kunstgriff - das alles träumt, nein erlebt Carrie, denn sie fühlt, was Kelan fühlt, als wäre sie er. quasi die Rahmenhandlung unserer Geschichte.
kurz vor Ende taucht Carrie dann nochmal auf, sie wird von Rufus Agadir unversehens aus dem Traumgesicht herausgezogen - und sie erkennt - Rufus ist Kelan! und sie erkennt auch die mächtige Ordensburg, sie hat ja selbst darin gelebt - es ist Zamorras Schloß Montagne...
frei nach Aristoteles wäre das der vierte Akt, also die Verlangsamung zum Luftholen nach dem Höhepunkt (die im Traum erlebte Ermordung des Priors), bevor es im fünften Akt zur Katharsis kommt. Carrie als griechischer D(r)amenchor? ich will's mal nicht übertreiben.
der letzte Akt bringt aber natürlich keine Auflösung, sondern einen Cliffhanger - der Beginn des Kampfes in einer Wüste in der neuen Welt. der Autor muss hier nicht mehr explizit erwähnen, dass wir im heutigen Peru nahe Nazca sind, dem Schauplatz des ersten Romans... zumindest verstehe ich es so.
sprachlich wieder unaufgeregt. Herr Weinland versucht nicht, mittelalterlichen Duktus zu imitieren, sondern verwendet moderne Sprache. Gefühle werden authentisch erzählt, und nicht übermäßig ausgewalzt wie zB im aktuellen Phönix-Zyklus bei Perry Rhodan, wo man sich gerade sehr um um YA-Kompatibilität bemüht. einige schöne Begriffe werden gebracht, vor allem zur Beschreibung der Dämonen, zB "Gezücht bar jeder Menschlichkeit" oder "Bodensatz der Schöpfung".
viel Stoff, aber interessant verpackt und geschickt serviert. streckenweise fesselnd, vor allem die erste Auseinandersetzung Kelans mit dem Kroppzeug. ich schwanke bei der Punktevergabe zwischen gut und sehr gut, halte mich aber noch zurück. der bestimmte Funke hat mir hier noch gefehlt.
auf dem Gruselroman-Forum wird dieser Roman auch intensiv diskutiert, schaut mal da vorbei!
das Titelbild vom Shutterstock-Contributor FXQuadro, "Knight with sword in battlefield with dark clouds on background", kann man mögen, muss man aber nicht.