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Lory's Dracula: Draculas Todestrommeln (The Drums of Dracula)

Lory's DraculaDraculas Todestrommeln (The Drums of Dracula)

Graf Dracula ist die Figur des Vampirs schlechthin und diente als Vorlage für zahllose Filme, Romane und Kurzgeschichten. Wie bei Sherlock Holmes und den Drei Musketieren ist der Wiedererkennungswert beim Publikum sofort gegeben. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass die Redaktion des »Vampir Horror Roman« auf der Suche nach Material für ihre neue Taschenbuchreihe »Vampir Horror Taschenbuch« eine amerikanische Serie über den untoten Blutsauger aus Transsylvanien einkaufte, die kurz zuvor 1973 auf den Markt gekommen war.

Draculas Todestrommeln (The Drums of Dracula)Jenny Harmon ist zu Besuch auf Jamaika, im Anwesen von Atwood Garth, einem Freund ihres Onkels. Jenny will unbedingt Voodoo erforschen und ist dank ihrer typisch amerikanischen Unbedarftheit verblüfft, dass die Jamaikaner davon nichts wissen wollen. Atwoods Hausbedienstete zeigen ihr die kalte Schulter, so wie die schöne Euleila. Nach einer nächtlichen Schwimmpartie wird Jenny von ein paar finsteren Gestalten, die irgendwie wie Zombies aussehen, entführt.

Professor Damien Harmon ist außer sich, als er die Lösegeldforderung erhält. Niemand entführt seine Nichte. Er will Blut sehen. Einen Tag später ist er auf Jamaika, zusammen mit seinem Handlanger Cameron Sanchez und Ktara, der Katzenfrau. Und Graf Dracula kommt im Frachtraum des Flugzeugs mit. Noch gilt sein Ehrenwort, nachdem er in Bd. 2 die Wette mit Harmon verloren hatte und dem Professor 6 Monate widerspruchslos zur Seite stehen muss. Aber die Zeit neigt sich dem Ende.

Auf dem Anwesen seines Freundes Atwood wird dem Professor schnell klar, dass sie es in der Tat mit Voodoo zu tun haben. Ktara findet ein paar zur Hälfte fertig gestellte Voodoopuppen, für die die farbige Haushälterin Laola und Euleila verantwortlich sind. Beide stehen im Dienst von Daddy Bones, einem mächtigen Houngan, der die Insel beherrscht. Er hat Jenny entführt. Aber Dracula kann nicht in den Stützpunkt eindringen, da er durch Kreuze und Voodoosymbole geschützt ist. Währenddessen quält Daddy Bones die im Keller nackt angekettete Jenny, indem er ihre Voodoopuppe traktiert und seine übernatürliche Macht demonstriert.

Cameron Sanchez soll den Weg ins Haus freimachen und wird natürlich von Euleila erwischt. Vor der Mündung ihrer Pistole will er sie belabern, dass er eigentlich auf ihrer Seite steht. Denn Euleila plappert Daddy Bones' Rassenkampfparolen nach und hasst alle Weiße. Das ungebildete Mädchen hat aber keine Ahnung, wo Puerto Rico eigentlich liegt, und dass Cameron ebenfalls kein Weißer ist. Da sie wie ihr Voodoomeister eine sadistische Ader hat, zwingt sie Cameron erst einmal, Jenny anzuspucken, dann will sie mit ihm vögeln. Cameron hat sich zwar vorgenommen, ihr bei erster Gelegenheit den Hals umzudrehen, spielt aber mit. Dummerweise kommt Daddy Bones dazu. Er ist nicht über Eulalias "Verrat" begeistert. Cameron wird (wie immer) überwältigt und mit Voodoo gequält.

Cameron und Jenny finden sich im Keller wieder, wo Daddy Bones eine zünftige Voodoo-Orgie feiert. Er will das Gerücht im Keim ersticken, dass ein Owenga, ein Blutsauger, auf der Insel ist. (Im in der Pabelausgabe herausgestrichenen Prolog wurde etabliert, dass Dracula in der Welt des Voodoo bekannt und gefürchtet ist.) Denn bei seinen ersten Ermittlungen hat der Vampir schon ein paar Kollateralschäden hinterlassen. Aber zuerst muss Daddy Bones Euleila bestrafen. Also lähmt er sie mit einer Puppe, legt sie auf den Altar, hinter dem ein riesiges Kreuz steht, und lässt sie von den Männern im Publikum vergewaltigen. Dann lässt er seine vier Zombies eintreten und setzt sich mit dem Professor über Funk in Verbindung, um doch noch das Geld zu bekommen. Mit ein paar Voodoonadeln unterstreicht er seine Forderungen. Notgedrungen willigt der Professor ein, aber bevor er das Bewusstsein verliert, kann er Dracula von der Leine lassen.

Im Keller gibt es erst einmal eine Orgie der Anbeter, während Euleila Bekanntschaft mit einer Riesenschlange macht und vom Voodoogott Damballah besessen wird. In dem Tumult wird Cameron von Ktara als Katze von seinen Fesseln befreit, dann spielt er den Berserker, kämpft sich den Weg zum Altar frei und erschlägt mit dem riesigen Holzkreuz diverse Voodooanbeter, bevor er das Kreuz zerstört. Bevor ihn die Zombies zu Hackfleisch machen, hat Dracula seinen Auftritt.

Zuerst vernichtet der Graf mal eben die Zombies, dann nervt ihn das Gerede von Daddy Bones. Um dem Voodoomann zu zeigen, wer den längsten hat und wie man richtige Unsterblichkeit herbeizaubert und nicht nur ein paar lahme Zombies macht, befreit Dracula Euleila von Damballahs Einfluss. Und macht sie zu Camerons Entsetzen zur Vampirin. Auch Ktara ist nicht begeistert. Obwohl Euleila nun Cameron als ihr erstes Opfer auswählt, kann Dracula das nun doch nicht zulassen, steht er bei dem Professor immer noch im Wort. Also schenkt er ihr stattdessen Daddy Bones. Während Cameron die praktischerweise bewusstlose Jenny rausschafft, zündet Dracula die Bude an. In den Flammen kommen die meisten Voodooanhänger ums Leben.

In der Zwischenzeit erlebt Harmon eine böse Überraschung. Wie sich herausstellt, steckt sein guter alter Freund Atwood hinter allem. Er ist pleite, also hat er sich mit Daddy Bones zusammen getan. Mit vorgehaltener Waffe zwingt er den Professor, einen Scheck auszustellen. Aber Dracula bereinigt auch das Problem.

Nach Sonnenaufgang führt Ktara Cameron zum Ruheplatz der neuen Vampirin, wo der Puertorikaner Euleila einen Pfahl ins Herz treibt und vernichtet.

Draculas Todestrommeln (The Drums of Dracula)Bewertung:
Nach den eher mauen Vorbänden startet Robert Lory mit Band 5 tatsächlich mal durch und legt einen rundum gelungenen Roman vor. Zum ersten Mal hat es das Harmon-Team mit übernatürlichen Gegnern zu tun. Und auch wenn der Vampirgraf am Ende wie üblich viel zu leicht der Sieger bleibt, ist das Ende doch spannend in Szene gesetzt.

Das Ganze liest sich wie ein ordentlicher B-Film, zu gleichen Teilen offenbar inspiriert von "Live and let die" (dem Pseudo-VoodooBond) und einem sleazigen Italohorror. Auch wenn die von Trommelschlag untermalte Orgie im Keller lediglich vage beschrieben wird und die Tatsache, dass Jenny, die nervige Nichte, mal wieder neben Cameron, dem wohl unfähigsten Vigilanten in der Geschichte des Action-Adventure Genres, nackt in Ketten hängt - was irgendwie schon zum Running Gag mutiert -, geht es doch ganz schön zur Sache. Da darf der befreite Cameron dann auch diversen namenlosen Voodooanhängern den Schädel einschlagen oder spitze Holzlatten durchs Gesicht ins Gehirn rammen, bis sie hinten rauskommt.

Oder zumindest tut sie das im Original. Womit wir wieder beim ewigen und mittlerweile schrecklich langweiligen Thema der bearbeiteten Übersetzung sind. Neben ein paar Längenkürzungen ist auch der Rotstift bei der Gewalt wieder im Dienst, nachdem er im Vorband unerklärlicherweise mal Pause hatte. Nicht nur ist fast jede Actionszene entschärft, die Orgie ist nun noch diffuser, obwohl es schon im Original keine Einzelheiten gab, und auch Dinge wie Camerons Rachefantasien, Euleila die Hände um den Hals zu legen und das Genick zu brechen, fand die Redaktion – oder der Übersetzer - nicht zumutbar. Aber es wurden keine Kapitel mehr umgeschrieben, der Ablauf entspricht der Vorlage. Wieder ein Indiz, dass es bei den ersten Bänden verschiedene Fassungen gab.

Vernünftigerweise hält sich Lory nicht damit auf, die übernatürlichen Kräfte von Daddy Bones lang und breit zu erklären oder die Leser mit Abhandlungen über Voodoo zu langweilen. Er setzt nachvollziehbarer Weise einfach darauf, dass das Publikum über Voodoopuppen und dergleichen Bescheid weiß. Leider konnte er nicht wirklich viel mit den Zombies anfangen, die hier eindeutig vom Typ Universal Monster Movie 1940 sind. Sie fungieren nur als untote Schläger mit blinden Augen und sind öde. Zu seiner Verteidigung muss man allerdings feststellen, dass der Roman lange vor Romeros Zombie-Revival entstand. Zu der Zeit waren Zombies noch Unikate und mussten Diät halten. Trotzdem hätte er etwas mehr daraus machen können. Stattdessen gibt es einen Anflug von Rassenkrieg, genau wie in vergleichbaren Action Adventure-Romanen der Zeit, wenn dort die Black Panther oder ihre Analogien ihr Unwesen trieben. Daddy Bones erklärt allen Weißen den Kleinkrieg und ist am Ende doch nur aufs Geld scharf.

Auch wenn Graf Dracula wie immer in der Serie relativ sparsam zum Einsatz kommt, glänzt er doch in seinen Szenen. Sein Auftritt im Voodookeller ist dramatisch, seine Laune, das Mädchen zum Vampir zu machen, ist effektiv erzählt, und seine sadistischen Spielchen sind wie immer vergnüglich zu lesen. Tatsächlich gelingt es dem Autor, die potentiell öde Schlussszene, in der der Graf den Verräter Atwood aussaugt, eine humorig-makabre Note zu verleihen. Nicht nur sieht Professor Harmon seelenruhig zu, wie Dracula seinen ehemaligen Freund ganz langsam umbringt – statt ihm eine Kugel zu verpassen -, seine Kommentare sind dabei genauso eiskalt und sadistisch wie sonst die des Vampirs. Aber da Lory trotz übler Nachrede diverser Kritiker ein handwerklich sorgfältiger Autor ist, bleibt das Ganze nicht im luftleeren Raum stehen; zum Abschluss gibt es wieder einmal ein verbales Duell zwischen dem Grafen und Harmon, in dem der Professor es bereut, ein Monster wie den Vampir auf die Welt losgelassen zu haben. Ohne dabei logischerweise seine Heuchelei einzugestehen, die ihm Dracula stets unter die Nase reibt. Wer ist schlimmer, der Mann im Rollstuhl mit seinen Rachefeldzügen oder der Vampir?

Das dürfte einer der besten Romane der Serie sein. Die Geschichte hat Tempo, funktioniert ohne zu holpern mit überraschend wenigen Schauplätzen, hat genügend Biss und Gruselschauwerte, und die Figuren weisen solide Charakterisierungen auf. Vier Fledermäuse von vier.

Noch etwas zum Schmunzeln. In der amerikanischen Ausgabe von Pinnacle gibt es einen Bestellschein für die Vorbände; man konnte sie und andere Serien für 15 Cent Porto und Bearbeitungsgebühr nachbestellen. (Tatsächlich hat Pinnacle sogar problemlos nach Übersee geliefert.) Allerdings basiert der Text der Anzeige wohl ebenfalls auf einer früheren Inhaltsfassung. Hier haben Professor Charles Harvey und sein Assistent Eric Fromann den Vampir aus Transylvanien geholt. Ehrlich gesagt klingt Damien Harmon und Cameron Sanchez da doch deutlich knackiger.

Das Titelbild stammt erneut von Altmeister Thole. Es ist insofern interessant, da es im Prinzip eine Kopie des amerikanischen Titelbildes ist. Was bei Thole eher selten zu beobachten ist. Es sind dieselben Motive, der Vampir im Hintergrund, die von Nadeln durchbohrte Voodoopuppe, der farbige Zombie, der die weiße Frau trägt. Nur anders interpretiert und arrangiert. Witzigerweise ist Tholes Frau diesmal bekleidet, während sie auf dem Original nackt ist. Verkehrte Welt.

Draculas Todestrommeln
Vampir Horror Taschenbuch 25
von Robert Lory
145 Seiten
Pabel, 1975

Das Original:
The Drums of Dracula
The Dracula Horror Series #5
Robert Lory
Copyright 1974 by Lyle Kenyon Engel
189 Seiten
Pinnacle Books, New York

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