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Der Luftpirat und Matthias - Band 16 Kapitän Mors als Gefangener

Der Luftpirat und MatthiasBand 16 –
Kapitän Mors als Gefangener

Was Innovation und abstruse Ideen betraf, reichte vor dem 1. Weltkrieg keine Serie an  »Der Luftpirat« heran, nach Einschätzung vieler Experten die erste Science-Fiction-Reihe der Welt überhaupt. Erschienen sind um 1910 genau 165 Abenteuer, die in einem Format herauskamen, das zwischen dem heutigen A5 und A4 angesiedelt war. Ich unternehme nun eine Lesereise und berichte über die Abenteuer des Luftpiraten. Folgt mir auf diesem Weg ...


Kapitän Mors als GefangenerBand 16 – Kapitän Mors als Gefangener
Schauplatz:
Eine fiktive südamerikanische Republik

Was bisher geschah
Europa, um 1905. Kapitän Mors war einst ein genialer Ingenieur, der im Kaukasus lebte und von Russland politisch verfolgt wurde. Im Geheimen baut er mit treuen Gehilfen ein gigantisches Kriegs-Luftschiff aus Metall, rüstet es mit hypermodernen selbsterfundenen Superwaffen aus, zieht als Robin Hood der Lüfte durch die Welt und überfällt Schiffstransporte, Gold- und Diamantenminen, um das Geld den Armen zu schenken.

Inhalt:
Während das Piraten-Luftschiff gemächlich übers Meer knattert, nähert sich eine Taube, verfolgt von einem Raubvogel. Kapitän Mors ballert den Raubvogel ab, und zur Belohnung fällt ihm ein Vogel mit Brief in den Schoß. Eine gefangene deutsche Maid, Else Martens, fleht um Hilfe! Ein Tyrann hat sie eingesperrt, um sie demnächst zu vernaschen. Sie sitzt irgendwo in San Jago fest.

Das Problem – es gibt in Südamerika etwa 25 San Jagos. Wie das richtige finden? Als Mors diese Frage einem finsteren deutschen Ingenieur vorlegt, der für ihn arbeitet, wird der noch um eine Spur blasser – jene Else Martens ist ja die Frau, die er immer geliebt hat, nie kriegen konnte und um derentwillen er seine Anstellung beim Outlaw Mors begonnen hat! Zufälle gibt’s! Hellmuth Sander weiß natürlich, in welchem San Jago  die Schöne festsitzt. Das Luftschiff macht sich auf den Weg. –

Derweil in San Jago, der Hauptstadt einer fiktiven Republik. Straßenkämpfe zwischen zwei rivalisierenden Machthabern sind ausgebrochen. Der alte, Präsident Rios, verhaßt wegen seiner Ausbeutungspolitik, ist auf der Flucht. Von seinem Küstenhaus aus verlädt er seine Schätze auf Kriegsschiffe. Darunter auch Else. Ihr böser Vater hat sich derweil mit dem Putschisten der Gegenseite verbündet, der grade die Hauptstadt besetzt. Er will hohe Ämter – im Gegenzug verfüttert er seine schöne Tochter an den neuen Mann der Stunde. Doch die befindet sich ja noch in den Händen des Alt-Präsidenten! In diese Wirren gerät das Luftschiff, als es auftaucht, um Else zu retten. Obwohl die Lage gefährlicher ist denn je, hat Mors einen seiner berüchtigten Edelmut-Aussetzer, die ihn immer in höchste Gefahr bringen. Anstatt das Kriegsschiff mit den fliehenden Rios-Leuten anzugreifen, rudert er als Parlamentär ans Schiff heran, um zu verhandeln. Die finsteren Südamerikaner sind dazu jedoch überhaupt nicht bereit, wummen dem Luftpiraten einen Ankerhaken auf den Schädel und sperren ihn ein. Nachdem er wieder zu sich gekommen ist, wird er zügig vor ein Erschießungskommando gestellt. Seine Verhandlungsstrategien interessieren niemanden der finsteren Präsidenten-Soldateska. Die wollen nur eins. Diesen komischen Heini mit der Maske in eine Leiche verwandeln. Die Soldaten laden schon durch, da greift in letzter Sekunde das  Luftschiff ein. Und diesmal ist die Mannschaft so richtig sauer! Ihren teuren Käpten vors Kriegsgericht zu stellen, das geht gar nicht! Diesmal kennen die Jungs keine Gnade und metzeln mit ihren Super-Waffen, was das Zeug hält! Auch der Präsident – äh, Verzeihung, Ex-Präsident – muß dran glauben:

„Eine der ersten Kugeln, welche Hellmuth Sander abfeuerte, traf den Präsidenten, der sich auch auf die Kommandobrücke geflüchtet hatte. Dort, wo er gestanden, sah man nur noch eine zerfetzte Masse, Klumpen von Blut und Fleisch. Das fürchterliche Geschoss hatte den Tyrannen in Stücke zerrissen.“  

Natürlich wird Else befreit, und beide Liebende sinken sich in die Arme. Und der Käpten hat diesmal aber verdammt viel Schwein gehabt!

Kommentar
Eigentlich bis zur mittleren Heftklammer sehr farblos und mit viel Routinegeklapper erzählt. Wer die Reihe bis hierhin gelesen hat, kennt das alles schon, die Dame in Not, die sexhungrigen Tyrannen, die aber – oh Wunder! - bisher noch keinen Stich landen konnten (dieses mal wird gar nicht sehr subtil angedeutet, daß Rios im kürzlichen Gefecht an der Stelle empfindlich verwundet wurde, wo es Männern besonders wehtut), die heroische Rettungsaktion des edlen Kapitäns. Sogar das Südamerika-Setting hatten wir schon mal so ähnlich in Heft 6. Erstaunlich an diesem sehr schwachen Heft ist auch die Tatsache, dass viele Handlungsfäden abreißen. Das ist neu;

bisher sind alle Hefte, so absurd die Handlung auch immer war, auserzählt worden. Wie kommt dieser deutsche Ingenieur überhaupt an Bord des Luftschiffes? Bisher hat man noch nie von ihm gehört. Wieso ist eine deutsche Familie in die Unruhen einer südamerikanischen Republik verwickelt? Und was wird aus dem so ausführlich eingeführten neuen jungen Putsch-Präsidenten und dem intriganten Vater von Else?

Das alles werden wir nie erfahren.

Das einzig Neue und interessante ist diesmal die akute Gefahr für den Käpten. Zunächst erstaunt die ungeheure Dämlichkeit, die er begeht, indem er zum Verhandeln ohne schwerbewaffnete Garde aufs Schiff kommt. Immerhin – solche eigentlich sympathischen Ausbrüche eines zuweilen sehr neurotischen, sich selbst maßlos überschätzenden Heros machen die Figur lebendiger. Wir haben ja auch schon absurde Situationen erlebt, wo Außenstehende den Luftpiraten für ziemlich gaga hielten.

Hier kommt noch hinzu, dass der Autor ihm eine sehr geschraubte Sprache andichtet, Mors kann quasi nur in emphatischen Sprechblasen dröhnen. So sagt er. z.b. dauernd „nimmer“  statt „nie“.

Diese psychotische Ebene erinnert an die verschrobenen Neurosen des gleichnamigen Helden 20 Jahre später im Hero-Pulp „The Spider“ - nur mit dem Unterschied, dass sich hier im Luftpiraten diese Seite von den Autoren ungesteuert quasi aus sich selbst entwickelt. Das ist eigentlich ganz interessant: da die Figur bis an den Rand der Selbstkarikatur Held sein muß, stark, selbstlos, furchtlos, gelassen und gradlinig, gerät sie in einer Welt der List und Tücke immer wieder zu einem modernen Don Quichotte.

Davon abgesehen ist aber, wie gesagt, dieses Heft eher untere Liga.

Ein bemerkenswertes Detail wird allerdings erwähnt, ganz en passant: Im ersten Kapitel beugen sich Kapitän Mors und Ingenieur Sanders über eine geheimnisvolle Risszeichnung.

„Es war die Konstruktion eines Luftfahrzeugs, das sich aber vielfach von dem Koloß unterschied, auf dem sich die Männer befanden.“          

Nach vielen Abenteuern gibt’s mal wieder einen Hinweis darauf, dass Mors seinen alten Traum nicht vergessen hat: den Bau des ersten Raumschiffs in der Geschichte des Heftromans.
Aber bis das getestet werden kann, wird dieser sonderbare Rächer noch 15 weitere zum Teil extrem absurde Abenteuer bestehen müssen.  

Übersicht

Nr. 17  (29.03)

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Kommentare  

#1 Toni 2016-03-15 12:40
Danke für den 16. Teil der Mors Abenteuer. :-)
Interessant, dass bei diesen alten Schätzen auch mal ein Schwacher dabei war.
#2 Matzekaether 2016-03-15 19:23
Ja, da sind immer wieder mal schwache dabei, sicher ist das nicht selten auch dem Zeitdruck geschuldet. Aber in der nächsten Zeit kommen auf jeden Fall wesentlich mehr interessante Hefte als vorher. Definitiv spannend wirds ab den 30er Nummern, wenn jedes 2. Heft ein Weltraumabenteuer ist.

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