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Wenn der Leser plötzlich zum »Rechercheobjekt« wird ...

Christian Montillon vor dem Cover von PR 2443Auf der Perry Rhodan-Homepage findet ihr folgende Ausführungen von Christian Montillon... Und wir drucken sie nach. Vielleicht kommen noch Ergänzungen von Johannes Kremser. Warum? - Lest selbst...

Wenn der Leser zum »Rechercheobjekt« wird ...
... ein Einblick in die Entstehung von PERRY RHODAN Band 2443:

Ich erinnere mich noch, als ich vor Wochen im einem Forum las, wie ein Heftromanleser schrieb, es koste eben Mühe und Zeit, die Neuerscheinungen einzuscannen vor dem Lesen. Naiv wie ich war, fragte ich: »Wieso einscannen?«


Zugegeben, hätte ich ein wenig nachgedacht, hätte ich auch selbst auf die Idee kommen können, dass jener Leser blind ist. Diese kleine Begebenheit ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Blinder Leser … Blind …

Da wuchs die Neugier des Schriftstellers in mir, und ich sagte mir: Okay, das muss ich irgendwie und irgendwann in einen Roman einbauen. Wird sich schon eine Gelegenheit ergeben.

Und die kam schneller als gedacht, als ich das Exposé zum PERRY RHODAN 2443 las, der nun aktuell am Kiosk ausliegt. Im Exposé gab es zwar nirgends das Thema »blind«, aber vor mir tat sich plötzlich eine Welt auf: Ja, so kann ich das einbauen! Das passt! (Damit ist auch ein Geheimnis gelüftet: Jawoll, im Expo stand nichts davon, dass Savoire blind wird.)

Aber als ich übers Blindsein schreiben wollte, merkte ich, dass ich davon keine Ahnung habe. Ein Blinder … sieht nichts. Das kann ja wohl nicht alles sein. Was denkt er, wenn er zum Beispiel sagt: »Ich lese?« Was bedeuten Farben für ihn? Nimmt er alles »schwarz« wahr oder nimmt er »gar nicht« wahr? Wie handhabt er tausend Alltagsdetails? Je mehr ich nachdachte, umso mehr Fragen taten sich auf.

Also schrieb ich jenen Leser an … Johannes Kremser, um genau zu sein. Johannes hat nie einen PERRY gelesen, sondern Dutzende und Hunderte andere Heftromane, aber er stand mir gerne Rede und Antwort.

Ich schämte mich ein wenig, wieder und wieder nachzuhaken und in seiner Seele herumzuwühlen … aber ich tat es trotzdem, und er antwortete treu. Viele Details finden sich wieder im PR 2443, vom »Genau-an-die-Stelle-hinlegen-wo-ich-es-aufgehoben-habe« bis zum »Nicht-Schwarz«, das ich zur »persönlichen Negasphäre« uminterpretiert habe. Die Frage Was-würdest-du-tun-um-wieder-sehen-zu-können nicht zu vergessen. Und … und … und … Johannes selbst hat einen Miniauftritt im Epilog, wenn es um den Speicherkristall geht.

Die folgenden Fragen stellte ich ihm nun gezielt für diesen Homepage-Artikel.

Christian Montillon: Wie war es, plötzlich als »Rechercheobjekt« für einen Roman zu dienen? Fiel es dir schwer, Einblicke in deine Welt und deine notgedrungen besondere »Sichtweise« zu geben?
Johannes Kremser: Nein, es viel mir ganz und gar nicht schwer. Ich fand's ganz im Gegenteil sehr schön, wieder Mal über Dinge nachzudenken, die für mich ganz normal sind, für Sehende aber, wie ich mir nach einigem Grübeln auch eingestehen musste, wahrscheinlich nicht. Es hat mich sehr gefreut, dass du, Christoph, auch ein bisschen nachfragst (also einen Blinden), wie das so wirklich ist. Es gibt ja überall Klischees …

Christian Montillon: Was bedeutet für dich als Blinder das Thema »Lesen« und wie gehst du überhaupt vor, wenn du etwas liest?
Johannes Kremser: Für mich bedeutet das Thema Lesen sehr viel. Ohne zu lesen, bekomme ich nur die Hälfte mit. Nehmen wir mal ein Fußballspiel her. Im Fernsehen sieht man, wie genau ein Tor zustande kommt, aber ein Blinder sieht das natürlich nicht (und wenn ein schlechter Kommentator am Werk ist, dann ist es doppelt so schwierig). Deshalb muss ich auf die Hilfe und Geduld eines Sehenden zurückgreifen, der mir den Schuss erklärt oder eben auf die genaue Beschreibung im Web.
Das wäre nur mal ein kleines Beispiel. Ansonsten übt Lesen auf mich genau dieselbe Faszination wie auf andere sehende Leser. Manche glauben, dass ich wegen meiner Blindheit eine besondere Phantasie habe. Sicher nicht! *lach*
Und wie ich vorgehe? Nun, ich kaufe mir die Bücher wie alle normalen Leser auch – ab jetzt wird’s aber ein wenig anders: Während sich (ich möchte es mal »normale Leser« nennen - »Sehende Leser« ist schon so oft genannt worden) gemütlich auf die Couch oder ins Bett hauen, um das Buch genüsslich zu verschlingen, muss ich mich vor den Computer hocken, den Scanner aktivieren, und dann scannen. Seite für Seite und immer schön darauf achten, dass möglichst wenig Licht im Spiel ist. Da kann es schon mal sein, dass am helllichten Tage bei mir alle Fenster mit Vorhängen verhangen und über den Scanner ein Handtuch gelegt ist.
Da habe ich schon einige – ich will es mal Meinungsverschiedenheiten nennen – mit meinen Eltern gehabt. »Du brauchst das Licht doch.« »Quatsch, wofür denn, dann kann ich das Buch noch zwanzig Mal einscannen.« Tja, so geht’s manchmal. Aber dann helfen sie schon auch oft fleißig mit. Wenn es jetzt nämlich so ist, dass einige Seiten manchmal verschmuddelt sind, müssen meine Leute daheim oder meine Freunde eingreifen. Dann müssen sie mir schön langsam die fehlenden Stellen ansagen und ich schreibe sie mit. Bei mir heißt es immer »Entweder komplett, oder gar nicht!«

Christian Montillon: Warum gerade Heftromane - und wie ist dein Bezug zu Perry Rhodan?
Johannes Kremser: Tja, ich lese gerne, schaue gerne Fern und höre gerne Hörspiele. Eines Tages war ich dann mit meinem Papa beim Mediamarkt, und wir fanden eine gewisse Hörspielserie namens »John Sinclair«. Noch nie gehört – mal probieren. Tja, und die Hörspiele haben mir so gut gefallen, dass ich dann im Google recherchiert habe, und ich bin auf www.gruselromane.de gestoßen. Hier waren alle Heftromane so liebevoll und schön aufgelistet, dass ich mir dachte, die musst du auch lesen. Also ab zur Trafik (auf Hochdeutsch ist das wohl der Kiosk), und ich habe mir die ersten Sinclair-Romane gegönnt. Dann ist's langsam weiter zu Zamorra gegangen und derzeit hat der Sturm bei Jerry Cotton und der Sternenfaust und natürlich PRA geendet.
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ein völliger PERRY-RHODAN-Dilettant bin. Aber vielleicht ändert sich das ja mal. Wenn der Perry in der Originalserie so etwas wie PRA ist, dann werde ich wohl bald beginnen …

Christian Montillon: Erzähl doch noch was über dich selbst.
Johannes Kremser: Tja, über mich gibt’s nicht so viel zu erzählen. Ich heiße Johannes Kremser, wohne in Kärnten (also Österreich), gehe zur Schule (übrigens in eine ganz normale, keine dieser abnormalen Blindenschulen, wo nur Blinde zusammen sind) und bin außer meiner Blindheit ganz normal - hoffe ich zumindest … *lach*

Soweit Johannes – mehr über ihn erfährt jeder indirekt, der den aktuellen Roman liest. Welche Details aber von ihm übernommen sind und welche nicht, das wird wohl ein Geheimnis bleiben. Johannes war übrigens erfreut zu hören, dass es bei PR und PRA ebooks und sogar Lesungen gibt – das erspart ihm eine Menge Arbeit. Übrigens lässt er sich nach dem Einscannen die Romane vom Computer vorlesen. Er nennt es aber nicht »hören«, sondern »lesen«.
An dieser Stelle danke ich dir, Johannes, noch mal herzlich – und wir hören bestimmt wieder voneinander. Viel Spaß mit dem Hörbuch zu PR 2443, das bereits zu dir unterwegs sein dürfte.

Kommentare  

#1 Benjamin Cook 2008-06-20 13:50
Hallo,

Ich finde es bemerkenswert wie Johannes mit seinem Handicap umgeht. Aber wie funktioniert das mit den Inhalten von Homepages ? Wie gestaltet man diese blindenfreundlich ? Worauf sollte man achten ?-Frage an Johannes...
#2 Holzi 2008-06-20 14:05
Ich bin zwar nicht Johannes, kann aber schonmal was dazu sagen, da ich mich aus beruflichen Gründen mit dem Thema befasst habe.
Das Thema "behindertengerecht" ist ja nicht auf Blinde beschränkt, es gilt bei der Erstellung einer barrierearmen Webseite auch andere Behinderungen zu beachten. Ausführliche Informationen zu dem Thema bieten beispielsweise das W3C unter www.w3.org/WAI/
oder die Seite
www.barrierefreies-webdesign.de
Hilfreich ist auch die Lektüre der BITV (de.wikipedia.org/wiki/Barrierefreie_Informationstechnik-Verordnung) samt Erläuterungen oder eine Web-Suche nach dem Begriff "barrierefrei".
Ein paar Stichworte sind beispielsweise: Valides XHTML erzeugen, verzichten auf Tabellenlayouts und insbesondere Frames, strikte Trennung von Inhalt und Layout, grafische Inhaltselemente (vulgo: Bilder) mit erläuternden (nicht benennenden) ALT-Texten versehen.

Ich bin auch persönlich mit dem hier verwendeten CMS Joomla nicht so ganz glücklich, da sich das aufgrund seines Alters an diverse dieser Vorgaben nicht hält. Leider ist der Umstieg auf eine neuere Variante oder ein alternatives System beim Umfang des Zauberspiegels mit immensem Arbeitsaufwand vebunden.

Ich wäre Johannes aber dankbar für ein paar Worte, wie "gut" diese Seite bei ihm lesbar ist.

Tolles Interview, übrigens! :-)
#3 blu 2008-06-21 02:11
Ja wirklich ein tolles Interview, und ein interessantes Thema, mit dem ich ebenfalls schon zu tun hatte...

Ich selbst habe jahrelang an einem Online-RPG als "Programmierer" mitgearbeitet, auf die Idee daß auch blinde Spieler sich in dieser völlig auf Texten basierenden Welt aufhalten könnten wäre ich nie gekommen, so wie eigentlich auch der Rest meines damaligen Teams. Eher zufällig erfuhren wir dann von mindestens einem Blinden, der schon länger einen Charakter bei uns angelegt hatte. Nach und nach wurden es natürlich auch immer mehr, und so fragten wir uns irgendwann nach einigen Gesprächen mit diesen Usern, wie wir das Spiel an sich so umgestalten könnten, damit auch Blinde, die bisweilen teilweise nur (durch die Programmierung) zerhackstückte Texte zu "hören" bekamen, den Spielspaß voll auskosten können. Was war da einfacher, als es uns einfach von den Betroffenen zeigen zu lassen, und allmählich sind wir auf dem besten Weg das MUD (Avalon) wirklich blindenfreundlich zu gestalten. Einer unserer "ältesten" blinden User ist mittlerweile selbst Programmierer, das hilft selbstverständlich ungemein bei der Umgestaltung. Natürlich ist noch nicht alles perfekt, es wird aber weiterhin fleissig an der Sprachausgabe gearbeitet.

Ich finde es toll wie durch solche Projekte das Verständnis zwischen den, nur durch die Wahrnehmung unterschiedlichen, Welten wächst.. und das es überhaupt so klasse Möglichkeiten gibt Blinden das Internet usw zugänglich zu machen. Mir persönlich war das lange nicht klar, so lernt man eben dazu. :)
#4 Der Spuk 2008-06-22 16:21
Tja, Holzi hat das ja sehr schön aufgelistet, auch wenn ich nur etwa die Hälfte verstehe... ;-)

Ich habe Homepages sehr gerne, die übersichtliche Linkseiten haben. Also nicht das man einen Link anklickt, dann eine Seite Text da steht und dann erst wieder die Links oder so. Ich kenn mich leider nicht beim Programmieren von Homepages aus, deshalb kann ich das nicht besser beschreiben.

Der zweite Punkt ist für mich auch sehr wichtig: Wenn man auf seiner Homepage ein Gästebuch hat, dann sollte man eventuell seine Spamcodes vermeiden. Ich weiß, die sind heut zu tage sehr wichtig - blöde Spammer - aber mich ärgerts immer, wenn ich in einem GB meinen Senf beistäuern will und dann durch einen Code gebremst werde. Da hab ich dann nicht mal mehr Lust drauf, einen Sehenden nach dem Code zu fragen. Glücklicherweise gibts ja schon diese hörbaren Spamcodes, auch wenn die auch nicht grade die beste Variante sind.

Holzi: Der ZS ist eigentlich sehr gut lesbar für mich.
Am Anfang gabs ja noch Probleme mit den Updates, aber da kenn ich mich jetzt auch aus.
#5 Holzi 2008-06-23 19:58
Ich vermute, Du meinst mit "Spamcodes" die Captchas, also die Eingabe von Buchstaben, die in Grafiken angezeigt werden, um Spambots auszuschließen. Das ist leider ein extrem problematisches Thema. Manche der Spam-Einträge sind rechtswidrig, lästig sind sie alle, aber gerade aus dem ersten Grund hat man oftmals gar nicht die Möglichkeit in Foren, bei Kommentarfunktionen oder Gästebüchern auf Captchas zu verzichten. Und noch viel schlimmer: Manche Captcha-Programmierer machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, ob die verwendeten Captchas barrierefrei sind. Und dann steht man als Betreiber dumm da, weil man keine Alternative hat. Wir haben das Problem grade massiv im Forum und die Programmierer desselben sehen das nicht als etwas, das Priorität hat oder kurzfristig behoben werden muss. Deppen. Und da sind dann unsere Möglichkeiten als Betreiber arg beschränkt. Leider.
#6 Der Spuk 2008-06-23 23:42
Aaaah, woher soll ich denn wissen, wie der Sch*** heißt! Alles nur Blödsinn, diejenigen die das Programmieren zählen auch nicht grade zu den Hellsten und die jenigen, die dafür sorgen, dass solche Sachen programmiert werden müssen....na ja...

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