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Hard Case Crime - Über einen der Väter des Genres: Raymond Chandler

Hard Case CrimeHard Case Crime
Über einen der Väter des Genres:
Raymond Chandler
 
Mir sagte der raubeinige Detektiv schon immer zu, wie er z. B. von Raymond Chandler erfolgreich beschrieben wurde. Philip Marlowe war für mich einer der ersten, wie auch der besten Begegnungen mit dem Genre des Privatdetektivs. Was für ein Glück ich damit doch hatte, über eine Grösse wie Chandler den Hardboiled-Krimi kennen zu lernen!

 

Raymond ChandlerDiese Begegnung begann mit einer Fernsehserie in den 80-iger Jahren – ähnlich wie mit Mickey Spillanes „Mike Hammer“ – , worauf ich dann auf die Bücher stiess, wurde im Abspann doch darauf hingewiesen, dass die Geschichten nach einer Figur aus dem Buchgenre adaptiert wurden.

Dieses Treffen mit den geschriebenen Werken kam fast nicht zustande. „Der grosse Schlaf/The big Sleep“ hat mir nämlich bis fast in die Buchmitte überhaupt nicht gefallen! Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre wirklich dem grossen Schlaf verfallen, von dem hier erzählt wurde. Zum Glück aber bekam Raymond Chandler auf einmal – ich denke es war in meiner Version (Diogenes) – ungefähr ab der Seite 128 – die Geschichte in den Griff. Warum ich das noch weiss? Die Information gehört zu der Art von Dingen, die irgendwo im Gehirn abgelegt werden, um dann, für wirklich lebensnotwendige Sachen, den benötigten Speicherplatz bereits gefüllt zu haben. Schicksal eben.

Beim Rest des Buches merkte ich plötzlich, welch geniales, wenn auch kurzes Buch, mir hier geboten wurde. Es entwickelte sich zu einem echten Schmankerl und ist immer noch ein Lieblingsbuch von mir.

Die restlichen sechs Romane waren bald einmal in meinem Besitz und ebenso schnell gelesen. Bis auf den letzten, der erst viel später den Weg in meine Sammlung fand.

  • „Farewell, My Lovely“, 1940, dt. „Betrogen und gesühnt“, „Lebwohl, mein Liebling“
  • „The High Window“, 1942, dt. „Das hohe Fenster“
  • „The Lady in the Lake“, 1943, dt. „Die Tote im See“
  • „The Little Sister“, 1949, dt. „Die kleine Schwester“
  • „The Long Good-Bye“, 1953, dt. „Der lange Abschied“
  • „Playback“, 1958, dt. „Spiel im Dunkel“ bzw. „Playback“
  • „Poodle Springs (Fragment)“, fertig gestellt von Robert B. Parker: „Poodle Springs“, 1989, dt, „Einsame Klasse“

Die Geschichten handeln von einem Detektiv, der jederzeit einer Frau in Not zu helfen bereit ist, auch wenn es bisweilen genau jene Frau betrift, die sich für den Ermittler als am gefährlichsten herausstellt. Wenn dann noch kornblumenblaue Augen dazu kommen, dann war es so oder so um den PI (= Privat Investigator) geschehen.

Die Sprache jener Zeit – 40er bis 60er – half mit, dass mich die Bücher gleich zu Beginn faszinierten. Entstanden diese Romane doch zu einer Zeit, in der Flüche und sonstige „Nettigkeiten“ in der Literatur als Tabu galten und weitgehend verpönt waren. Den Autoren von damals gelang es aber diese Einschränkung zu umgehen, indem sie kreativ wurden. Aussagen wie: „Sie warf mir an den Kopf, dass ich die Dinge allein tun sollte, die sie mir zuvor angeboten hatte zu zweit zu machen.“, finde ich einfach köstlich!

Gelesen habe ich auch schon, dass der Figur gesagt wurde, sie solle etwas tun, was anatomisch nicht wirklich zu bewerkstelligen sei. Das liest sich doch beides viel besser, als wenn da stehen würde: „Sie sagte mir, dass ich mich selber ficken soll.“

Die Autoren von „Hard Case Crime“ schreiben im Stile ihrer Väter, zu denen ich auch Dashiell Hamett, Mickey Spillane und Raymond Chandler zähle. Der neuen Liga von Schreibern gelingt es ausgezeichnet, die Zeit von früher wieder zum Leben zu erwecken. Viele der Bücher – in erster Linie die neuen – spielen in der Gegenwart und haben mit den „HCC“-Bücher nur gerade die saloppe Sprache und natürlich die Qualität gemein. Ein Umstand, den zu akzeptieren ich keine Schwierigkeiten habe. Wie auch? Wenn der Roman funktioniert und mir gefällt, dann hat er seine Aufgabe hingekriegt.

Es zeigt aber auch, wie vielfältig das Genre Krimi/Mystery sein kann und auch muss, damit dem Leser gute Abwechslung und vor allem eine spannende Geschichten geboten wird.

Freuen würde es mich, wenn vom Urvater des Genres mal ein Roman in der Reihe von „Hard Case Crime“ veröffentlich würde, auch wenn sich dieser Wunsch in Anbetracht des Materials, das Raymond Chandler hinterliess, kaum einfach umsetzen lässt. Da ist mittlerweile so viel Zeit ins Land gezogen, dass es an eine Unmöglichkeit grenzt, an neues Material zu kommen. Aus diesem Grund wäre ich auch schon mit einem Philip Marlowe Roman zufrieden. Und dann mit einem neuen Cover versehen! Eines jener Umschläge, die schon beim Betrachten Lust auf das Lesen machen.

Hoffen darf man(n) immer. Die stirbt bekanntlich zuletzt!

Viel Vergnügen bei der nachfolgenden Rezi.

MafiatodMafiatod
von Donald E. Westlake
Hard Case Crime Nr. 006, Aug. 2008
192 Seiten; Übersetzung: Ursula von Wiese
ISBN: 978-3-86789-050-2
€ 9,90 | Sfr. 18,90

Rotbuch

„Jetzt gilt nur noch Auge um Auge ...“
Nach seiner Entlassung aus der Air Force fällt das Leben von Ray Kelly mit einer Autofahrt auseinander. Mit seinem Vater fährt er über den Highway, als auf einmal ein Chrysler auf der Nebenspur auftaucht. Der Beifahrer dreht die Scheibe herunter, eröffnet das Feuer. Einen Monat später kommt Ray im Krankenhaus wieder zu sich – ihm fehlt ein Auge, sein Vater ist tot.

Das war der Zeitpunkt, von dem aus alles schief ging. Nicht genug damit, wird auch noch die Frau seines Bruders Bill totgefahren. Die beiden Brüder stehen vor einem Scherbenhaufen. Vieles deutet darauf hin, dass ihr Vater vor zwanzig Jahren als Rechtsanwalt für die Mafia gearbeitet hat. Und scheinbar wusste er etwas, das die Gangster mit aller Härte zuschlagen lässt. Ohne viel zu verlieren zu haben, wühlen sich die Kellys in die Eingeweide der New Yorker Unterwelt. Alternde Verbrecherbosse tauchen plötzlich aus der Versenkung auf, ihre Killer im Schlepptau. Allen voran der hinterhältige Eddie Kapp, der bald der einzige ist, der Ray helfen kann, den Mörder seines Vaters zu finden. Aber der Preis für die Hilfe ist hoch.


  • Erste Veröffentlichung seit über 40 Jahren. Erste Taschenbuch-Ausgabe überhaupt in den Staaten
  • Lawrence Block betitelte den vorliegenden Band als seinen persönlichen Favoriten. Darin habe Westlake zum ersten Mal seine Stimme gefunden
  • Charlie Stella, Autor von „Charie Opera“, nannte den Roman ein Juwel, geschrieben von einem wirklichen Meister

Für mich war es die Art von Buch, die so rasant geschrieben ist, dass ich beim lesen ein paar Gänge runterschalten musste, damit ich überhaupt mit dem Geschehen mithalten konnte. Wahrlich ein faszinierendes Beispiel von Westlake’s Schreibstil.

Wirklich überraschend für mich war, dass ich oft vom Geschehen her vermeinte zu wissen, was gleich um die nächste Ecke biegen musste, aber der Autor konnte mich fast jedes mal von neuem überraschen. So macht lesen Spass.

Und zu wissen, dass in der „Hard Case Crime“-Reihe noch andere Bücher darauf warten, von mir gelesen zu werden, macht die Vorfreude auf diese Werke gleich viel schmackhafter. Erst recht, wenn auch noch ein paar Parker-Romane auf dem Bücherregal darauf warten, dass ich mich ihnen erbarme.

Die Bücher von Donald E. Westlake erfreuen sich auch bei Charles Ardai, dem Herausgeber, großer Beliebtheit, sind doch innerhalb von „Hard Case Crime“ bereits drei Werke erschienen.
Bei dem besprochenen Roman handelt es sich um das erste Buch. Als besonderer Glücksfall wird im April 2010 Westlake’s allerletztes Werk bei „HCC“ erscheinen. Lawrence Block fand das Manuskript in seinen Unterlagen und es wird den Titel „Memory“ tragen. Es wäre beinahe in den 60iger veröffentlicht worden und kommt nächstes Jahr nun zum ersten Mal unter die Leute.

Donald E. WestlakeDonald E. Westlake
Bereits in den frühen 50er-Jahren fing er mit dem Schreiben an, veröffentlichte erste Science-Fiction - und Krimi-Stories und mehrere erotische Romane unter verschiedenen Pseudonymen. Über mehrere Jahre schrieb er 46 Kurzgeschichten für den schnellen, genre-orientierten Markt, von denen 27 veröffentlicht wurden. Mit Unterstützung der New Yorker Literaturagentur Scott Meredith veröffentlichte Westlake 1960 seinen ersten Kriminalroman The Mercenaries (dt.: Das Gangstersyndikat).

Danach hat er über 100 Bücher – größtenteils Kriminal-, aber auch einige Science-Fiction-Romane – veröffentlicht. Westlake veröffentlichte einige seiner Romane unter Künstlernamen wie John B. Allen, Curt Clark, Tucker Coe, Timothy J. Culver, Morgan J. Cunningham, Samuel Holt, Sheldon Lord (mit Lawrence Block), Allan Marshall, Richard Stark und Edwin West.

Westlakes berühmteste Figur ist der knallharte Berufskriminelle Parker (die Parker-Romane erschienen unter dem Pseudonym Richard Stark), später folgte John Dortmunder, ein vom Pech verfolgter Gangster mit Zügen des Genialischen, mit dem Westlake eine Art Gaunerkarikatur schuf.

361Donald E. Westlake starb am 31. Dezember 2008 während eines Mexiko-Urlaubs an einem Herzinfarkt.

Bereits erschienene Bücher:
Donald E. Westlake war ein sehr Vielschreib-Autor, der eine Unenge an Büchern geschrieben hat. Hier der Link zur Wikipedia-Seite . Da kann sich der interessierte Leser darüber informieren.

Das Buch im Original
361
Hard Case Crime No 009 May 2005
208 Seiten
ISBN: 0-8439-5357-8
$ 6,99
Hard Case Crim
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