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Neunzig Nächte und ein Tag - Eingeschlossene Feinde

Neunzig Nächte und ein Tag

Eingeschlossene Feinde

 

Eine echte Filmrarität hat Pidax mit dem „Historien-Klassiker“ „Neunzig Nächte und ein Tag“ nun erstmals auf DVD veröffentlicht. Das starbesetzte Schwarz-Weiß-Drama, das in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist, ist nun erstmals wieder halbwegs in seiner kompletten Länge verfügbar, wenngleich auch nur durch das Bonusmaterial der Scheibe.

Dem Vorspann ist es zwar nicht zu entnehmen, aber „Neunzig Nächte und ein Tag“, der bei einem späteren Kinoeinsatz dann unter dem Titel „Helden – Himmel und Hölle“ ausgewertet wurde, soll auf einer literarischen Vorlage von Leon Uris (1924-2003; „Exodus“, „Topas“) basieren. Der deutsche und der internationale Vorspann zum Film nennen lediglich Jack Davies („Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“) und Michael Pertwee („Toll trieben es die alten Römer“) als Drehbuchautoren, doch auch hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. Nach aktuellem Wissensstand war an der deutsch-italienischen Produktion zumindest auch Alberto Bevilacqua („Die drei Gesichter der Furcht“) als Autor beteiligt. Höchstwahrscheinlich wurde das Original-Drehbuch von niemand Geringerem als Dalton Trumbo (1905-1976; „Spartacus“, „Papillon“) verfasst, der während der Dreharbeiten allerdings noch auf der Schwarzen Liste Hollywoods stand und deswegen lediglich unter Pseudonym arbeiten konnte. Dass der Bann zum Zeitpunkt der amerikanischen Erstaufführung des Films bereits aufgehoben war, hat die These genährt, dass Trumbo mit der finalen Arbeit nicht zufrieden war und deswegen sein Name in den Credits trotzdem nicht erwähnt wird. Auch hinsichtlich der Regie gibt es unterschiedliche Angaben. Größtenteils wird „Neunzig Nächte und ein Tag“ Edgar G. Ulmer (1904-1972) zugeschrieben, der in Österreich-Ungarn (dem heutigen Tschechien) geboren wurde und seit den 1930er Jahren in der Filmindustrie tätig war. Sein bekanntester Film dürfte „Die schwarze Katze“ mit Bela Lugosi und Boris Karloff sein. Dies hier war Ulmers letzte Regiearbeit, wenn auch in einigen Unterlagen Paolo Bianchini für die Inszenierung verantwortlich gemacht wird, was aber vermutlich nur aus steuerlichen Gründen geschah.

Ende 1944 nähert sich der Zweite Weltkrieg seinem Ende. Britische und amerikanische Besatzungstruppen haben das faschistische Italien erreicht. Bei einer Erkundungsfahrt durch die Berge treffen der Kriegsberichterstatter General Braithwaite (Brian Aherne) und Captain Wilson (Larry Hagman) zusammen mit ihrem Fahrer Joe Cramer (John Saxon) auf deutsche Soldaten, mit denen sie sich ein Feuerduell liefern. Ein deutscher Soldat (Joachim Hansen) stirbt, Oberleutnant Hans Beck (Hans von Borsody) wird von den dreien gefangen genommen. Vor einem Luftangriff rettet sich die Truppe in eine Höhle, in der die Italiener Versorgungsmaterial gelagert haben. Mario (Nino Castelnuovo) hält mit seiner Freundin Anna (Rosanna Schiaffino) dort die Stellung, auch der britische Flieger (die deutsche Synchronfassung macht aus ihm einen Kanadier) Carter/Cartier (Peter Marshall) sucht in der Höhle Unterschlupf. Diese wird aufgrund der Bombardierungen allerdings verschüttet, weswegen die sieben höchst unterschiedlichen Menschen aus verfeindeten Nationen nun gemeinsam eingeschlossen sind. Es gilt, Animositäten beiseite zu legen und gemeinsam zu versuchen, aus der Höhle wieder herauszukommen. Die Tatsache, dass unter den sieben Gefangenen nur eine (hübsche) Frau ist, verschärft die Lage zusätzlich…

Auch in seinem letzten Film zeigt Edgar G. Ulmer noch einmal, dass er ein versierter Spannungsregisseur ist. Trotz des reduzierten Handlungsortes und eines überschaubaren Darstellerensembles gelingt ihm mit „Neunzig Nächte und ein Tag“ ein packendes Charakterdrama mit glaubwürdigen Konflikten. Die aktionsreicheren dramatischen Zuspitzungen sind nicht immer genauso glaubhaft, da man dem Film sein Studiosetting meist allzu deutlich ansieht. Auch Brian Aherne hätte bei seiner übertriebenen Darstellung mitunter etwas gezügelt gehört. Die restlichen Darsteller liefern aber durchweg solide Leistungen ab. Die beiden deutschen Titel des Films (in dem dieser DVD zugrundeliegenden deutschen Master werden alle beide eingeblendet!) sind etwas seltsam, zumal man durch das Bonusmaterial erfährt, dass die Gefangenen auch wesentlich länger in der Höhle eingeschlossen sind. Auf Italienisch hieß der Streifen „Sette contro la morte“ (Sieben gegen den Tod), auf Englisch „The Cavern“ (Die Höhle), was beides wesentlich besser passt. Das Bild (im Widescreen-Format 1,85:1) ist einigermaßen okay, aber insgesamt recht verwaschen und deswegen nicht sonderlich scharf. Der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0) ist nicht weiter zu beanstanden und stets gut zu verstehen. Auch die hier vorliegende Fassung weist wieder lediglich eine Spielzeit von 82 Minuten auf. In den Extras finden sich geschnittene Szenen (13 Minuten), die in der englischen Originalfassung ohne Untertitel und im Vollbildformat aufgespielt sind, deren Qualität nur schlechtem VHS-Niveau entspricht. Dass man diese Szenen nicht in den Film integrierte, sondern nur ins Bonusmaterial packte, kann man angesichts dieser Unterschiede nachvollziehen. Zudem gibt es eine kleine animierte Bildergalerie.

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