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... Boris Koch über die »Dornröschendilogie«, Verlage und junge Erwachsene

Boris Koch... Boris Koch ...
... über die »Dornröschendilogie«, Verlage und junge Erwachsene

Einst hatte ein Kaiserreich die bekannte Welt umfasst und beherrscht. Jedoch wurden der kaiserliche Hof und die Hauptstadt von 13 bösen Hexen in einen Tiefschlaf versetzt. Es heißt, wer die wunderschöne Kaisertochter durch einen Kuss wecke, bekomme sie und das Kaiserreich. Alle kennen dieses Märchen.

Wir haben dem Autor ein paar Fragen gestellt

Dornröschen – DilogieZauberspiegel: Zur Dornröschendilogie (Dornenthron, Narrenkrone) Offenkundig sind Sie am Funktionieren von Herrschaft interessiert, was bei dem bösen König deutlich wird. Woher kommt dieses Interesse?
Boris Koch: Woher das Interesse genau kommt, weiß ich nicht, aber Fragen nach Hierarchien und Herrschaft, nach dem Funktionieren von Gruppen und der Verteilung von Macht einerseits und Verantwortung andererseits haben mich schon immer interessiert. Wie wird Macht verteilt und wie legitimiert, wie wird sie weitergegeben?
Und so war die Frage nach Macht und Herrschaft auch der Ausgangspunkt der Dilogie, denn ganz zu Beginn stand für mich die simple Frage: „Was passiert in Dornröschen eigentlich mit dem Königreich, während das ganze Schloss für hundert Jahre schläft?“
Im Märchen selbst wird das nicht thematisiert, denn dort geht es um anderes. Ich habe die Frage genommen und alles sehr frei mit dem Auseinanderfallen des (west-)römischen Reichs verbunden und gleichzeitig mit Goldgräbergeschichten kombiniert, wie ich sie etwa von Jack London, diversen anderen Romanen, Sachbüchern oder aus der Serie Deadwood kannte. Die Situation von (fehlendem) Recht und Herrschaft unter Goldgräbern passte zur Situation, wie ich sie in der verlassenen Kaiserstadt Ycena angelegt hatte.
U.a. wegen dieser Fragen werden in der Dilogie auch Prinz Aurel, der legitime Sohn des Königs und sein designierter Nachfolger, und sein Halbbruder Ukalion, der illegitime Bastard des Königs, gegeneinander gestellt. Aber natürlich habe ich Ukalion auch gewählt, weil in Märchen häufig die Prinzen die Guten sind, und ich in einer eher düsteren und sehr freien Neuinterpretation einen illegitimen Königssohn wollte, einen Bastard für die „illegitime“ Fassung des Stoffes ...

Zauberspiegel: Am Ende der Dilogie ergeben sich Fragen. Zum Beispiel: Wie wird es dem Narren ergehen? Werden die Geschwister ihre Ziele erreichen? Reüssiert der neue Kaiser?
Spielen Sie mit dem Gedanken aus der Dilogie eine Trilogie zu machen?
Boris Koch: Kurzfristig habe ich tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, doch den habe ich rasch wieder verworfen, denn das Wichtigste ist für mich mit den beiden Bänden erzählt. Was jetzt vor den Figuren liegt, wären neue Abenteuer, neue Geschichten, neue Erlebnisse. Auch wenn ich der einen oder anderen Figur noch sehr gern weiter folgen würde, so würde ich in dem Fall immer etwas Neues beginnen, und ich fürchte, das würde dann deutlich zu groß werden für nur einen weiteren Teil ...
Von demher denke ich aktuell nicht daran, aber wer weiß, was mir in den nächsten Jahren noch in den Kopf kommt. Der Drachenflüsterer war ursprünglich als Einzelband gedacht, inzwischen sind es vier Romane, und ganz am Ende bin ich damit noch immer nicht ...

Zauberspiegel: In der Dilogie und wohl auch in den Drachenflüstererromanen spielen Jugendliche und junge Erwachsene eine große Rolle. Warum eigentlich?
Boris Koch: Nun, den Drachenflüsterer habe ich von Anfang an als Jugendbuch oder „All-Age“ angelegt, wenn man so will, und da lag die Wahl junger Protagonisten nahe. Und es sollten Jugendliche sein, die ohne einen weisen Ratgeber oder Lehrmeister auskommen müssen, die ihren Weg ohne erwachsene Hilfe finden.
In der Dilogie ist das Personal deutlich gemischter, weder König Tiban noch der Narr Arlac sind besonders jung, und auch Tyra blickt mit ihren etwa 30 Jahren auf einige Lebenserfahrung zurück, gerade wenn man bedenkt, dass in dieser Fantasywelt nicht unsere heutigen Vorstellungen von „jung“ gelten.
Dass einige andere Handlungsträger recht jung sind, liegt an der von Dornröschen inspirierten Geschichte: Wer sich, so wie Ukalion oder Anthia, aufmacht, eine schlafende Kaisertochter hinter undurchdringlichen Dornen zu küssen, um sie zu heiraten, sollte unverheiratet sein und bereit, ein Risiko einzugehen. Es ist ein Aufbruch in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, und da ist die Bereitschaft unter jungen Menschen, die weniger verwurzelt sind und (noch) nicht so viel Verantwortung in ihrer Familie oder Gemeinschaft tragen, tendenziell höher. Natürlich gibt es verwurzelte Junge und abenteuerlustige Ältere, aber es hat sich für mich so einfach besser gefügt.
Und Perle und Ion mussten noch jünger sein aufgrund des Märchens, das mich für diesen Handlungsstrang inspirierte.

Zauberspiegel: Forsch - naiv gefragt: Warum veröffentlichen Sie Ihr Werk nicht in Ihrem Verlag?
Boris Koch: Kurz und direkt geantwortet: Weil ich als Autor bei sehr viel besseren und professionelleren Verlagen untergekommen bin, mit denen ich die Zusammenarbeit schätze; im eigenen Verlag wäre ich quasi Einzelkämpfer. So, wie es jetzt ist, erreiche ich sehr viel mehr Leser, und das möchte ich als Autor ja. Mein Verlag ist inzwischen so klein, dass ich nur noch selten dort ein Buch verlege, während das Schreiben mein Hauptberuf ist.

Zauberspiegel: Wie beurteilen Sie die Lage der Fantasy in Deutschland?
Boris Koch: Ganz ehrlich, um die Lage wirklich beurteilen zu können, fehlt mir der Überblick, insbesondere seitdem ich nicht mehr im Berliner Otherland jobbe und für die Mephisto Redaktionsarbeit mache. Natürlich informiere ich mich hier und da, aber auch die ausgefallenen Messen der letzten anderthalb Jahre fehlen, das fängt der Austausch mit Kollegen über Instagram oder Mail nicht auf, auch nicht die Lektüre von Newslettern oder Magazinen.
Insgesamt fällt jedoch auf, dass Fantasy in der Bestsellerliste in letzter Zeit kaum stattfindet, abgesehen vom Kinder- und Jugendbuch, verschiedenen Einzeltiteln oder Romanen, die plötzlich durch eine Verfilmung ins Bewusstsein von vielen gelangen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass aktuell eine ganze Reihe von unterschiedlichen Romanen erscheint, von vertrauten wie neuen Autoren, Übersetzungen wie deutschsprachige Autoren, und das nehme ich als gutes Zeichen und schaue einfach optimistisch in die Zukunft ...

Zauberspiegel: Welche Romanprojekte verfolgen Sie derzeit?
Boris Koch: Zuletzt beendet habe ich eine etwa vierzigseitige Fantasy-Erzählung, die auf Songtexten der Band Krayenzeit basiert. Sie wird im Herbst als Hörbuch auf einer Bonus-CD des nächsten Krayenzeit-Albums Staub und Tränen, Teil 2 erscheinen, eingelesen von Sänger Markus Engelfried.
Ebenfalls im Herbst erscheint der erste Band der vierteiligen Graphic Novel Das Schiff der verlorenen Kinder, die von Frauke Berger gezeichnet wird. Dort verschlägt es zwei Brüder nach einem Streit mit ihrer Mutter urplötzlich mitsamt ihrem Zimmer auf ein riesiges Schiff, das über ein Nachtmeer voller Monster fährt. Und auch das Schiff selbst ist kein normales, alle Kabinen scheinen verlassen, doch dann hören die beiden ein bedrohliches Heulen. Trotz der (erneut ...) jungen Hauptfiguren handelt es sich um keine Kindergeschichte, und alle vier Bände zusammen haben auch quasi den Umfang eines Romans. Aktuell arbeiten Frauke und ich am zweiten Band.
Zudem schreibe, überlege und konzipiere ich an zwei unterschiedlichen Fantasyromanen, einmal eher ab 12 (und für interessierte Erwachsene), und einmal eher für Erwachsene (und natürlich für interessierte Jugendliche …). Da beide noch nicht offiziell angekündigt sind, möchte ich noch gar nicht so viel dazu verraten.

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