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Interview mit Peter Thannisch

Peter ThannischPeter Thannisch...

... wurde am 17.12.1965 in Mönchengladbach geboren.

Ausbildung als Verlagskaufmann, studierte an der Universität Köln Germanistik, Pädagogik und Philosophie. Er arbeitete seit September 1994 als Lektor und von Juli 2002 bis September 2004 als stellvertretender Cheflektor im Bastei-Romanheftbereich der Verlagsgruppe Lübbe.

Als Lektor betreute er Serien wie Professor Zamorra, Trucker King, Mitternachts-Roman, Grusel-Schocker und Jerry Cotton.

Seit November 2004 ist Peter Thannisch freiberuflicher Lektor mit Sonderaufgaben, wie wir lesen werden, in München.

Zauberspiegel: Herr Thannisch, sie waren bei Bastei Lektor für Spannungsromane. Welche Eindrücke haben sie über den Heftroman als Muster der Sprachbücher und Deutschunterricht für triviale Literatur im schlechtesten Sinne dabei gewonnen? Oder auch so gefragt: Hat das Romanheft Qualitäten, die den deutschen Schülern verschwiegen werden? Wie schätzen sie das Heft selbst ein?
Peter Thannisch: Lektoren wie Rainer Delfs, Joachim Honnef und ich haben immer versucht, den Lesern ein möglichst gutes Deutsch zu vermitteln. Außerdem haben sich viele bekannte Buchautoren ja ihre ersten Sporen bei den Heften verdient. Soweit ich das sehe, unterscheiden sich die Heftromane sprachlich nicht groß von durchschnittlichen Taschenbuch-Titeln, und Lesen fördert immer Intelligenz und Wissen.
Ich weiß nicht, wie sich der Heftroman in den letzten fünf Jahren entwickelt hat, denn ich bin in dieser Szene nicht mehr drin. Wir damals haben uns jedenfalls alle Mühe gegeben, jung und alt niveauvoll zu unterhalten und auch ein jugendliches Publikum immer wieder zu begeistern.

Zauberspiegel: Sie arbeiten als freiberuflicher Lektor unter anderem für die Verlagsgruppe Lübbe und Blanvalet. Unter anderem betreuen sie „Don Harris“ und das „Heldentrio“ von Helmut Rellergerd aka Jason Dark. Wie bearbeitet ein Lektor einen derart erfolgreichen Autor? Oder auch so gefragt: Sind manche Autoren pflegeleichter im Umgang als andere?
Peter Thannisch: Je professioneller ein Autor ist, desto leichter ist die Zusammenarbeit, weil jeder weiß, was der andere will. Man zieht ja am selben Strang. Wenn man mit einem Autor schon über Jahre hinweg zusammenarbeitet, kennt man auch seine Stärken und vielleicht auch die Schwächen und weiß, was man gegenseitig voneinander erwartet.

Zauberspiegel: Auf der Buchmesse 2006 unterhielt ich mich mit Jason Dark. Er sagte, er setze in Ihre Arbeit großes Vertrauen und habe Ihnen beim Heldentrio, dem vormaligen Schloßtrio, auch große Freiheiten in der Bearbeitung eingeräumt. Wie ist das zu verstehen? Wie geht man als Lektor mit einer solchen Verantwortung um?
Peter Thannisch: Die Romane hatten ja schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und mussten entsprechend bearbeitet werden. Da habe ich sehr eng mit Jason zusammengearbeitet. Wir wollten zum Beispiel die Sprache moderner machen. Heutzutage sagen die Kids nicht mehr: »Das ist ja 'ne Wolke« oder »Echt primo« ― etwas ist heutzutage »voll fett« oder »echt krass«. Außerdem haben wir die Charaktere der Jetztzeit angeglichen. Zum Beispiel heißt Michaelas kleine Rauhaardackelhündin nicht mehr »Biene«, weil uns das zu brav erschien, sondern »Pitbull«. Auch haben wir den Kids Handys verpasst, sie haben Computer, Digitalkameras, Discmen etc. Alles das, was es damals noch nicht gab. Das verlangte natürlich, dass wir in die Storys erheblich eingreifen mussten. Erst recht, wenn es um Ostblockagenten und dem Kalten Krieg ging; da haben wir teilweise die Romane komplett umschreiben müssen. Jason und ich haben uns die Ideen gegenseitig zugeworfen und sehr eng an den Romanen zusammengearbeitet. Einerseits wollten wir sie so modern wie möglich machen, andererseits den Originalstil der Serie beibehalten. Ja, und auch was die Action angeht, kann man in der Nach-Power-Rangers-Zeit auch beim Jugendbuch mehr auf den Putz hauen.

Zauberspiegel: Wie muss ich mir als Laie die Arbeit des Lektors vorstellen? Was tut er? Was macht er? Was nicht? Gibt es Unterschiede in der Arbeit mit einer Übersetzung und eines von von vornherein in deutsch geschriebenen Textes?
Peter Thannisch: Ein Außenlektor bearbeitet im Grunde nur den Text, den der Verlag ihm schickt. Er macht daraus möglichst gutes und flüssiges Deutsch, achtet aber auch auf Logik- und Handlungsfehler – alles, was den Roman zerstören könnte und was dem Autor oder Übersetzer durch die Lappen gegangen ist. Übersetzungen sind manchmal sogar schwieriger als Originalromane, weil man auf deutsche Autoren einwirken kann, wenn die Handlung zu abenteuerlich wird, sodass sie ggf. Passagen oder Kapitel neu schreiben, wenn der Verlag es wünscht. Bei den Übersetzungen steht ja die Story, und Fantasy- und SF-Romane werden im Amerikanischen zudem kaum noch redigiert. Dann muss man als Lektor der deutschen Ausgabe Logikbrüche und Widersprüche ausmerzen, ohne zu sehr vom Originaltext abzuweichen. Bei einer Übersetzung bekamen es der Übersetzer und ich mit insgesamt 123 gezählten Logikfehlern und Widersprüchen zu tun. Um die alle auszumerzen, ohne den Roman wirklich zu verändern, haben wir ganz schön schwitzen müssen. Entsprechend ist die Übersetzung bei weitem besser als das Original.
Ich bin aber ja kein gewöhnlicher Außenlektor und tue daher noch einiges mehr: Bei vielen Projekten erarbeite ich mit dem Autor erstmal das Exposé, gebe Ideen, Änderungswünsche, bei einigen Projekten schriebe ich sogar die Story und das Exposé und wähle dafür einen geeigneten Autor aus. Normalerweise macht das ein Außenlektor nicht, aufgrund meiner Erfahrung bei Bastei ist das aber möglich. Gerade bearbeite ich den deutschen Text für ein PC-Spiel und arbeite gleichzeitig an einem Buch als Ghostwriter, was ausgesprochen gut bezahlt wird. Das gehört normalerweise nicht zum Job.

 

Zauberspiegel: Was muss ein Lektor können? Was mitbringen? Was kann er lernen?
Peter Thannisch: Gutes sprachliches Vermögen und eine Liebe zur Literatur! Vor allem das: Ich lese privat gerade mal wieder drei Bücher gleichzeitig und bin von jedem absolut begeistert. Ja, man muss sich für Bücher begeistern können, das ist es, was am wichtigsten ist! Natürlich auch das Gespür für gute Storys, wann ich in den Text eingreife und wann ich dem Autor seine künstlerische Freiheit gebe. Das ist manchmal ein Tanz auf dem Drahtseil. Aber das alles kommt von allein, wenn man Literatur liebt!
Wenn Sie wissen wollen, was ich gerade lese: Den neuen Tony Ballard aus dem Zaubermond-Verlag, weil ich ein absoluter Ballard-Fan bin und mir die Serie einfach ganz, ganz große Freude bereitet; von Albert Sanchez Pinol den erstklassigen Roman "Im Rausch der Stille", erschienen im Fischer-Verlag – ein großartiger literarischer Horror-Roman, den ich einfach nur weiterempfehlen kann und der mehr bietet als nur Gänsehaut; und den neuen Roman von Robert Löhr, "Das Erlkönig-Manöver", ein absolut witziger und spritziger Abenteuerroman, der auf jeder Seite einen Brüller bereithält.
Ich denke, Löhr und Pinol muss man schon deshalb gelesen haben, um zu wissen, was wirklich in ist und worüber gerade gesprochen wird. Morland liest man, weil man schon immer Fan war und Ballard einfach nur sehr, sehr viel Spaß macht.

Zauberspiegel: Gibt es überhaupt das druckreife Manuskript? Kann ein Autor das schaffen?
Peter Thannisch: Robert Löhr würde antworten: Goethe, Schiller, Kleist, Humboldt … Ja, gibt es – Fritz Tenkrat alias A.F. Morland, Peter Haberl und Horst Friedrichs etwa. Die schreiben absolut druckreif; ihre Romane werden nur noch redigiert, um aus guten Romanen sehr gute Romane und aus sehr guten Romanen absolut gute Romane zu machen.

Zauberspiegel: Danke für die Zeit

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