Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Ringos Plattenkiste: Glenn Danzig - Black Aria

Glenn Danzig - Black Aria

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht        man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten  Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

 

Heute gibt es erneut etwas Besonderes. Ich stelle euch nämlich eine Scheibe eines Musikers vor, die für ihn und sein sonstiges Schaffen völlig untypisch ist, glänzte er doch hauptsächlich durch Punk und Metal. Aber ähnlich wie Jethro Tull`s (Ringo berichtete) Ian Anderson begab er sich für ein Soloprojekt auf gänzlich neue Pfade und tauschte herkömmliche Instrumente gegen elektronische Klangerzeuger. Die Rede ist von Glenn Danzig und seiner Black Aria.

Glenn heißt in Wirklichkeit gar nicht Danzig, sondern Anzalone und wuchs in New Jersey auf. Durch seine Mutter, die in einem Plattenladen arbeitete, kam er schon früh in Kontakt mit Rockmusik. Nach seinem Abschluß an der High School war er zunächst unschlüssig, wohin ihn sein weg führen sollte. Da er eine ausgeprägte künstlerische Ader hatte, versuchte er es zunächst mit Bildender Kunst, danach mit Photographie. Eigentlich wollte er Comiczeichner werden, entschied sich dann aber für die Musik. Hier wird bereits klar, dass Abnzalone ein vielseitig interessiertes und begabtes Bürschchen war. Mit 11 Jahren bekam er Unterricht in Klavier und Klarinette und später brachte er sich selbst das Gitarrespiel bei. Gelegentlich war er als Roadie für unbekannte Bands tätig und hing gerne mit Garagenbands ab. Dass er durchaus auch ein talentierter Zeichner ist, zeigt sich am berühmten Danzig-Skull, den Glenn schon zu Samhain-Zeiten verwendet hatte. Entlehnt ist er einer vergessenen Comicserie aus dem Marvel-Verlag aus den Achtzigern.

Der Schädel zierte das Cover der achten Ausgabe von Saga of Crystar. Glenn passte ihn an seine Vorstellungen an und zeichnete ihn geschickt nach.

Glenn spielte in verschiedenen Bands, die heute keiner mehr kennt und gründete 1977 schließlich eine Band, die Kultstatus erreichen sollte: The Misfits! Nach knapp 6 Jahren aber war Schluß damit, denn der charismatische Glenn strebte nach neuen musikalischen Ufern. Der rohe Sound der Misfits war ihm zu ungeschliffen, auch wollte er keinen Punk mehr machen. Ihn zog es eher in die Metal-Richtung, womit seine Mitstreiter aber nicht einverstanden waren. Glenn stieg aus und gründete Samhain, die ebenfalls Kultstaus erreichten, was nicht zuletzt an Danzigs starker Bühnenpräsenz und seiner ausdrucksstarken Stimme, die an Elvis erinnerte lag. Der nur 160cm große Musiker zeichnete sich auch durch seine Bodybuilderfigur aus, mit der er vermutlich seine geringe Körpergröße wettmachen wollte. 1987 schließlich war Schluß mit Samhain und Glenn gründete eine neue Band mit dem Namen Danzig. Der Titel war Programm, denn der Düsterzwerg, wie ihn Kritiker gerne nannten, gab den Ton an.

Danzig war einige Zeit übrigens ein Kandidat für die Rolle des Wolverine, lehnte dann aber ab um lieber weiterhin Musik zu machen. Da ihn das aber nicht genug auslastete, gründete er einen Comic-Verlag mit dem vielversprechenden Titel Verotik. Ein Kofferwort aus Violence und Erotik.

Der Verlag veröffentlicht düstere Strips für Erwachsene. 2019 drehte er sogar einen Episodenfilm namens Verotika, der einige Stories aus seinem Verlag filmisch umsetzt.

Danzigs Musik war aggressiv und laut, obwohl er auch immer wieder ruhigere Töne anschlug. Die Texte waren okkult und handelten oft von Schwarzer Magie. Und so wurde Danzig schnell das Satanisten-Etikett angeheftet, wovon er sich aber deutlich distanzierte. Glenn war aber nicht nur musikalisch kontrovers, sondern auch in seinen Ansichten. So war er beispielsweise ein Befürworter der Todesstraffe und sprach sich offen und deutlich gegen Politische Korrektheit aus: PC ist eine Art Faschismus.

1992 erschien mit Danzig III – How the Gods kill das dritte Album der Band, das bis zum damaligen Zeitpunkt das erfolgreichste war. Im selben Jahr erschien aber auch Glenns erste Soloarbeit, und um diese Platte geht es heute: Black Aria.

Aufgenommen wurde im Hollywood Sound Recorders wo unter anderem der Turtles-Hit Happy Together aufgenommen wurde. Aber auch Kim Carnes, Bobby Gentry und Kenny Rogers waren dort schon bei der Arbeit. Weitere Aufnahmen entstanden in Bob Aleccas Reel Platinum in Lodi, New Jersey, wo Danzig zuvor schon mit Samhain zu Gast war.

Die Besetzung sah aus wie folgt:

Glenn Danzig: all instruments

Janna Brown: female vocals

Reneé Rubach: female vocals

An den Reglern saßen Nick Didia, Martin Schmelze und Bob Alecca.

Didia war ein erfahrener Musiker und Tontechniker, der zuvor schon mit Alice Cooper und Kiss gearbeitet hatte.

Schmelze ist ein eher unbeschriebenes Blatt das Danzig aus der Zeit von Samhain kannte.

Auch Alecca kannte Glenn noch von Samhain.

Die beiden Damen Brown und Rubach kamen anscheinend nur auf Black Aria zu Sangesehren.

Black Aria erschien im September 1992 auf CD und auch als LP im schicken Gatefold mit einem sehr ansprechenden Cover von W.M. Kaluta auf Danzigs eigenem Label, Plan 9. Witzigerweise erschien das Album auch auf Kassette.

Innen befand sich eine S/W Photographie des Musikers, geschossen von Anton Corbijn sowie die spärlichen Credits. Interessanterweise befand sich dort auch ein Warnhinweis Danzigs: This is not a Rock Record!

Corbijn ist ein neiderländischer Photograph und Regisseur, der über viele Jahre Art Director von US und Depeche Mode war und deren Erscheinungsbild über viele Jahre hinweg prägte. Corbins Photographiene haben einen ganz eigenen Stil und einen hohen Wiedererkennungswert. Seine Bilder sind schlicht und meist in einem grobkörnigen S/W gehalten. Ende der Neunziger galt Corbijn als DER Photograph im Musikbusuness schlechthin, und von ihm abgelichtet zu werden, galt als große Auszeichnung. Corbijn drehte auch viele Musikvideos, unter anderem für Palais Schaumburg, The Art of Noise, Depeche Mode und Nivana.

Er wurde auch als Filmregisseur bekannt. Corbijn drehte unter anderem Control, einen biographischen Spielfilm über Ian Curtis, den Sänger der Kultband Joy Division.

 

Michael William Kaluta ist ein US-amerikanischer Comiczeichner, der stark von den Pulp-Magazinen der Dreissiger beeinflusst war und dessen Stil ein wenig an Jugendstil und Art Deco erinnert, genauso aber an Bernie Wrightson. Kaluta zeichnete für DC, Marvel und Dark Horse. Aus seiner Feder stammen die Cover zu Bobby Pickets Monster Mash, sowie für die beiden Nativity in Black Platten, Tribute-Alben mit gecoverten Black Babbath-Songs. Er gestaltete auch die Innenillustration zu Danzigs viertem Album.

 

 

 

Die Tracklist sah aus wie folgt:

Seite 1:

  1. Overture of the Rebel Angels
  2. Conspiracy Dirge
  3. Battle for Heaven
  4. Retreat and Descent
  5. Dirge of Defeat
  6. And the Angels Weep

Seite 2:

  1. Shifter
  2. The Morrigu
  3. Cwn Anwnn

Sehen wir uns die Songs ein wenig genauer an.

Die Songs der ersten Plattenseite befassen sich thematisch mit Miltons Paradise Lost, wie man an den Titeln schon gut erkennen kann und können als eine Art Soundtrack zu diesem epischen Gedicht aus dem 17. Jahrhundert betrachtet werden. Milton verarbeitet in seinem Werk den Sturz Luzifers, die Versuchung der beiden ersten Menschen und schließlich deren Vertreibung aus dem Paradies. Ein Text, ganz nach Danzigs Geschmack. Der vielseitige Musiker glänzt, befasst man sich näher mit ihm, durch seine Belesenheit. Danzig besitzt eine sehr große Büchersammlung, die sich hauptsächlich mit okkulter und mystischer Thematik befasst. Miltons Werk hat nicht nur Danzig inspiriert, sondern eine Vielzahl Anderer. Cradle of Filth ließen sich zu einem Song inspirieren, aber auch Nick Cave, der auf seinem Album Murder Ballads einige Textzeilen aus Paradise Lost zitiert. Der Titel seines bekanntesten Songs ist ebenfalls bei Milton Entliehen: Red Right Hand. Auch eine Metal-Band wählte gar den Titel des Textes als Bandnamen: Paradise Lost.

Overture of the Rebel Angels läutet das Album mit einer düsteren, pseudoklassischen Ouvertüre ein. Es dominieren die Synthesizer, die auf orchestrale Sounds programmiert sind. Der Song würde sich sehr gut als Main-Theme in einem Slasher-Film eignen. Der Song ist zwar einfach gestrickt, aber sehr geschickt aufgebaut. Die düstere Atmosphäre steigert sich nach und nach…

Conspiracy Dirge, Das Verschwörungsklagelied greift das Thema wieder auf und führt es weiter. Das Tempo ist diesmal aber wesentlich langsamer. Die Instrumentierung ist sparsamer und im Wesentlichen auf ein kleines Streicherensemble reduziert.

Battle for Heaven beginnt mit düsterem, verwaschenen Schlachtenlärm. Man meint zwischen den klagenden Streichern Marschstiefel und Militärtrommeln zu hören. Nach mehr als einer Minute setzt ein Engelschor ein. Die Streicher nehmen zu, die Schlacht schreitet voran. Der Sound gleitet ob seiner Monotonie ins Hypnotische ab. Man spürt förmlich, wie es mehr und mehr Instrumente werden und man wartet auf den Höhepunkt, der aber leider nicht kommt. Denn dieser, mit vier Minuten, längste Track des Albums endet abrupt im Fade-Out.

Retreat and Descent Die Schlacht scheint geschlagen und entschieden, denn dieser Song heißt Rückzug und Fall. Die Armeen Luzifers ziehen sich zurück. Dementsprechend ist auch die Grundstimmung dieser Komposition dramataisch-kühl und bedrückend.Im Hintergrund seztz Danzig, um den dramatischen Effekt noch zu verstärken, Trompetenklänge ein. Insgesamt würde dieser Song ideal zu einem Italo-Western der allerdunkelsten Sorte passen.

Dirge of Defeat, das Klagelied der Besiegten, führt die Story um die Schlacht der Engel fort. Deren Schicksal ist besiegelt und sie treten den Weg ins Exil an. Dies Klagelied ist musikalisch tatsächlich eins. Es dominiert der Klagechor vor unklarem Soundgewitter im Hintergrund und martialischen Schicksalsschlägen, die wie Röhrentrommeln klingen.

And the Angels Weep ist wieder ein Dreiakkorder, ähnlich wie die Ouvertüre. Danzig spielt diesmal auf dem Klavier. Mit einem Glas Whisky in der Hand, in dem blasphemische Eiswürfel klimpern.

Seite ist dann aus, drehen wir die Platte also mal um

Die Kompositionen der zweiten Plattenseite stammten aus früheren Jahren und gehen bis 1987 zurück. Glenn war damals noch bei Samhain.

Shifter kommt von Shape Shifter, also Formwandler und ist inzwischen der Name eines eigenen Subgenres der Phantastischen Literatur. Shifter können Werwölfe sein, aber grundsätzlich auch alle Arten von mythologischen Wesen. Aus diesem Grunde heulen auch Wölfe im Background zu diesem eher montonen Track, der stark an John Carpenters Soundtracks erinnert.

The Morrigu ist der keltischen Göttin Morrigan gewidmet. Die Mor-Rioghan, wie sie auch manchmal genannt wird, ist eine Angehörige der Tuatha de Dannan, stammt also von der Göttin Danu ab. Sie trittt sowohl als verführerische junge Frau auf, aber genauso als abschreckende Alte. Sie ist eng verbunden mit Kampf, Krieg und Sexualität. Klar, dass sich Düsterzwerg Danzig von einer solchen Frauengestalt angezogen fühlt. The Morrigu ist ein wirklich schöner Song, der sich deutlich von dem Pseudo-Klassik-Konzept abhebt. Er ist zwar mit dem bereits gewohnten und üblichen Instrumentarium versehen, ist aber komplett anders aufgebaut als das bisher gehörte. The Morrigu ist in seiner Inhärenz ein lupenreiner Rocksong, der, von der band Danzig eingespeilt, einen richtig geilen Klassiker ergäbe. Hier aber dominieren Chöre aus der Dose, Synthesizerschwaden und die bereits bekannten Röhrenglocken.

Cwn Anwnn sind ebenfalls mythologische Gestalten. Sie sind die Hunde des walisischen Königs der Unterwelt, Annwns. Sie haben geisterhafte Körper und seltsamerweise rote Ohren. Der Song klingt wieder stark nach Carpenter, ist in sich sehr rhythmisch. Aufgrund seines eher ungehobelten Sounds und des eher billigen Sounds, dürfte dieser Song wohl der älteste des Albums sein.

Die Platte verkaufte sich überraschend gut und erklomm sogar Platz 1 der US-amerikanischen Klassik-Charts! Mit einem derartigen Erfolg hätte Danzig sicher nicht gerechnet. Die Käufer bestanden aber hauptsächlich aus Danzig-Fans, zu denen ich auch gehörte. Aufmerksam auf das werk wurde ich damals durch den Malibu-Versand, der Black Aria als Rarität anpries, was aber nur auf die Vinyl-Version zutraf. Ein wenig enttäuscht war ich damals aber doch, was zum einen an der lächerlichen Gesamtlaufzeit von 23 Minuten lag, zum anderen aber an der klischeehaften und berechenbaren Pesudo-Klassik, die insgesamt ein wenig billig und aufgesetzt wirkte. Angehört habe ich das Werk früher nicht sehr oft, finde in letzter Zeit,als ich an der Arbeit an diesem Artikel begann, aber doch Geschmack daran. Danzig verwendet Auszüge aus dem Album gelegentlich als Intros bei Live-Auftritten.

Was wurde aus den Beteiligten?

Glenn Danzig veröffentlichte weiterhin Platten mit Danzig, widmete sich nebenbei aber auch seinen anderen Hobbies. Er baute seinen Comicverlag weiter aus, drehte einen Film, spielte auch schon mal in dem einen oder anderen Film selbst mit (Gods Army „) und veröffentlichrte mit Black Aria 2 sogar einen nachfolger zu unserem heutigen Album. Black Aria 2 ist ähnlich aufgebaut wie Part 1, klingt aber deutlich gereifter und professioneller. Was nicht nur den Sound, sondern auch die kompositorische und spielende Qualität behrtifft. 2016 schloß er sich völlig überraschend wieder den Misfits an. Obwohl er bis kurz vorher an seinem ehemaligen Bassisten Jerry Only kein gutes Haar gelassen und sogar einen Prozess gegen ihn angestrebt hatte.

Über Janna Brown und Reneé Rubach ist mir, wie bereits erwähnt, nichts weiter bekannt.

 

 

 © by Ringo Hienstorfer  (03/2025)

Das wars mal wieder für heute. Beim nächsten Mal geht es um eine Eule, die nicht alle Latten am Zaun hat...

Zur Einführung - Zur Übersicht

 

 

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles