Ein Urgestein - Rainer Erler zum 85.
Ein Urgestein
Rainer Erler zum 85.
Rainer Erler ist als Autor, Produzent, Regisseur für mich ein Urgestein des deutschen spekulativen Abenteuers im Print und im Film. Einer, der nicht nur spannende Stoffe präsentierte, sondern spannende Stoffe mit hochinteressanten und kritischen Inhalten, die zu kontroversen Diskussionen anregten (die es heute, leider auch im ZS bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr gibt.)
14 Romane, zwei Dutzend Erzählungen und Geschichten und, nicht zu vergessen, 40 Spielfilme stellen Erlers allgemein bekanntes Lebenswerk dar. Von den fünf Bühnenwerken wissen wohl weniger, leider.
Zu seinen bekanntesten Projekten zählen gewiss noch heute die Science Fiction-Filme um das BLAUE PALAIS ("damals" ein MUSS für uns SF-Freaks!), das Polit-Drama PLUTONIUM, das bis heute wenig von seiner Aktualität verloren hat, und - einer meiner Favoriten - der in Amerika gedrehte Psycho-Thriller FLEISCH, der schon 1979 das Thema Organhandel aufgriff. Solche Themen treten heute hinter künftigen Film-Klassikern wie "50 Shades of Grey" (weibliche Hauptrolle: Don Johnsons Tochter!!!) und dem x-ten Superhelden-Movie "Ant-Man and the Giant Killer Bee" ein wenig in den Hintergrund.
Dass man jedoch auch mit solch harten Themen und Stoffen aus dem hinter den Kulissen real existierenden "Mad Scientists"-Genre erfolgreich sein kann, belegte FLEISCH eindrucksvoll: Der Verleih Atlas International verkaufte die Auffführungsrechte in 127 Länder. 12 Millionen Kinokarten wurden umgesetzt. Und das bestimmt nicht nur, weil die damals blutjunge Jutta Speidel oben ohne zu sehen ist. Obwohl ... Selbst im damals noch üblichen "Buch zum Film" (bei Goldmann) war die entsprechende Flucht-Szene natürlich als Fotodokument enthalten.
Weitere tolle Stoffe Erlers: OPERATION GANYMED und die gesellschaftskritische Komödie SEELENWANDERUNG.
2000 entstand Rainer Erlers letzter Film - DIE KALTENBACH-PAPIERE ... nicht unbedingt einer meiner Favoriten. Mario Adorf in der Hauptrolle ließ dann doch allzu sehr an Santer und dessen feigen Mord an Winnetou denken. Nicht mehr realisiert wurde die Verfilmung von Erlers Roman FEUERZEICHEN. Die französischen und australischen Co-Produzenten stellten, wie zu lesen war, "nicht zu finanzierende" Forderungen - nämlich einen gewissen Robert Redford als Hauptdarsteller. Tja. So geht`s zu, im Film-Business (Bei Emmerichs MOND 44 erzwangen mitfinanzierende Vertreter der Spielwarenindustrie "mehr Roboter und Spezial-Hubschrauber a la ´Airwolf`").
Von gemeinsamen Bekannten und Freunden ist zu hören, dass es Maestro Rainer Erler nicht leicht fiel, aufzuhören, weil "seine" Arbeit ihm stes - auch - Lebenselixier war. Was ich sehr gut verstehen kann; genau wie Erlers Antwort, wenn er angesprochen wurde auf seine Vielseitigkeit:
"... meine Arbeit war mir immer auch Ventil, auf Missstände und ungesunde Entwicklungen hinzuweisen."
Von denen gibt es auch abseits des Mannes, den geniale Regisseure wie Spike Lee "Agent Orange" nennen, heutzutage sehr, sehr viele. Ergo existiert eigentlich ein großes zu beackerndes Feld für Menschen (und Autoren!) wie Rainer Erler. Angesichts von toll gemachten, intelligenten und (!) erfolgreichen Mini-Serien wie BAD BANKS (zweite Staffel kommt!), BABYLON BERLIN und DARK würde ich mir, von einer Fee heimgesucht, wünschen, dass mal irgend ein wagemutiges Kreativ-Team die Stoffe von Rainer (wieder-)entdeckt und ein geiles Upgrade mit dem heute technisch Möglichen seinen Weg zu den Streaming-Diensten findet.
Trost, bis es so weit ist: 22 Rainer Erler-Filme sind aktuell (noch) im Video-Handel erhältlich. Reinschauen lohnt sich allemal.
Salut Rainer, und von Herzen weiterhin alles Gute!
Kommentare
Erler wird seitens seiner Themen zwar anerkannt, seine Leistung als Regisseur aber immer noch nicht hoch genug eingeschätzt. DAS BLAUE PALAIS gehört definitiv zu den besten Fernsehproduktionen, vor allem die Folge DAS GENIE. Aber auch der Autor Erler ist in höchstem Masse zu empfehlen, hier in erster Linie wieder die Buchversion der DELEGATION, welche der Filmversion noch eine Metaebene hinzufügt.
Vielen Dank an Rainer Erler, und vielen Dank an den Zauberspiegel, welcher an diesen Ausnahmefilmemacher erinnert.