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Vorwort "Wölfe des Nordens" - Die Flammen von Lindisfanre

Wölfe des NordenVorwort "Wölfe des Nordens"
Die Flammen von Lindisfanre

"Die Wikinger kommen!" Fast zweihundert Jahre klang in der mittelalterlichen Welt an allen Küsten  und an den Ufern der großen Flüsse und Ströme dieser Schreckensruf.

"Die Wikinger kommen!" Die Drachenschiffe der wilden Männer aus dem Norden mit ihren Äxten, Schwertern und Speeren brauchten keinen Hafen und fuhren bis in den Ufersand. Wild brüllend sprangen die Krieger des Nordens über die Bordwand ins aufspritzende Wasser und stürmten an Land. 


Was sich ihnen in den Weg stellte, wurde getötet. Wer vor der Axt oder dem Schwert nieder kniete wurde manchmal verschont, um sein Leben als Sklave in der rauen Welt der Nordmänner zu verbringen.

Es gab kaum eine Gegenwehr, wenn die Wikinger anstürmten. Denn sie fürchteten den Tod nicht, weil sie wussten, dass sie Odin, ihr Gott, hinauf ins herrliche Walhall lud, wenn sie tapfer im Kampf gefallen waren. Und deshalb verachtete der Nordmann den Tod - weil er ihn zu der Herrlichkeit seiner Götterwelt jenseits der Regenbogenbrücke brachte, wo ihn Odin selbst empfing und ihm in Walhall einen Platz bei seinen Vätern und früheren Kampf-genossen anwies.

Zuerst kamen die Wikinger als Plünderer. In ihrer kargen Welt in den Fjorden konnten sie als Bauer nur wenig Ernte einbringen. Durch den notwendigen Fischfang waren sie aber kühne Seefahrer geworden. Und von den Dänen herauf kam die Kunde nach dem heutigen Norwegen und Schweden, wie man bessere Schiffe bauen konnte, um mit ihnen die hohe See zu befahren. Und auch größere Schiff, die nicht nur für einen Fischer und seine Gehilfen ausreichten oder die Dinge, die ein Händler mit sich führte, der an der Küste die Fjorde hinauf fuhr und von Wunderdingen erzählte, die andere Völker besaßen.

Dinge, die bald die Gier der Wikinger reizten. Doch war es vorerst weniger Gold oder Geschmeide. Es war Korn und andere Lebensmittel, die es im Norden bei den kargen Ernten in den kurzen Sommern viel zu wenig gab und in den langen Wintern für Hunger sorgten. So fuhren die Wikinger nicht nur, um zu plündern und zu zerstören, sondern um die Dinge zu beschaffen, die man zum Leben brauchte und die man auch sonst gern im Haus haben wollte.

Es gibt keine Runensteine oder sonstige Aufzeichnungen, wann die Wikinger mit ihren Drachenschiffen das erste Mal die Nordsee überquerten um zu den Inseln zu gelangen, die wir England und Irland nennen.  In alten Schriften werden Wikingerfahrten erwähnt, die einige Jahre früher um den nördlichen Teil Schottlands herum nach Irland führten. Historisch nachgewiesen ist im Jahr 742 ein Angriff der Wikinger auf Burghead Fort im Land der Pikten, also im nördlichen Schottland. Ein weiterer Überfall der Wikinger traf im Jahr 787 die Grafschaft Dorset in Südengland.

Doch erst sechs Jahre später, am 8. Juni Anno Domini 793, flammte von der Plünderung der Kirche und Abtei der Insel Lindisfarne das Fanal der Wikingerzeit wie ein gewaltiger Scheiterhaufen in den Himmel des frühen Mittelalters. Rot wie die Flammen über der Abtei und das Blut der Mönche, das den Boden tränkte war die Schrift, mit der sich die Wikinger hier erstmalig in das Buch der Geschichte einschrieben.

... und die Heiden kamen zur Kirche von Lindisfarne, richteten allenthalben durch brutales Plündern schwere Schaden an, zertrampelten und entweihten mit ihren Schritten die heili-gen Stätten, stürzten die Altäre um und bemächtigten sich der Schätze der heiligen Kirche. Sie töteten manchen der Brüder, schleppten einige in Fesseln mit sich fort, trieben viele von dannen, ihrer Kleider entblößt und überschütteten sie mit schmähendem Spott, und manch einen ertränkten sie im Meer ...

So steht es wortwörtlich in der Angelsächsischen Chroniken zu lesen.

Und nur wenige Jahre später stand in den Gebetbüchern der Christenheit der berühmte Satz:

A furore Normannorum libera nos, Domine! - Vor der Raserei der Nordmänner be-wahre uns, oh Herr!

An jenem 8. Juni 793 wurde eine Wiege der Christenheit im Norden der bekannten Welt durch die Barbaren des Nordens sinnlos zerstört. In den Ruinen des Klosters von Lindisfarne an der Nordostküste Englands spielt noch heute der gleiche Wind, der einst das Schiff der Wikinger hierher trieb. Nur wenige Menschen kommen zu dieser Insel, die man heute "Holy Island" nennt. Und der Gedanke an den Einbruch der Wilden aus dem Norden  in die friedlich-fromme Welt der Mönche lässt auch heute noch jedes Wort auf den Lippen ersterben.

Der Schrei: "Die Wikinger kommen!" klang wie die Posaune des Zornes, die von den Engeln geblasen Tod und Verderben über die sündige Welt rasen lassen. Mehr als zweihundert Jahre dauerte es, bis Odins wilde Söhne durch die milde Lehre des Christentums bekehrt ihre Raubzüge einstellten.

Wer heute die Ruinen des Klosters auf Holy Island  an der Grenze zwischen England und Schottland besucht, findet heute dort, wo sich einst die ehrwürdige Ruine der ersten Klosterkirche von Lindisfarne in den Himmel wölbte, einen uralten Gedenkstein aus der damaligen Zeit. Darauf ist in stilisierter Form ein Zug von sieben Wikingern zu sehen, die ihre Schwerter und Äxte über den Häuptern schwingen.

Der Wind der Geschichte hat die Namen der kühnen Nordmänner hinweg gefegt. Niemand kennt die wahren Namen der Wikinger auf dem Stein. Und die schriftlichen Zeugnisse jenes Tages sind sehr dürftig.

Aber vielleicht waren ihre Namen wirklich Lars Wolfssohn, Haakon Bärensprung, Thorsten Elchnase, Björn Baumfäller oder Ragnar, der Hammer. Denn das sind die Namen, die ich ihnen gegeben habe als ich mich entschlossen habe, die Wikinger einmal so zu schildern, wie sie vermutlich wirklich waren - in ihren Gedanken und ihren inneren Einstellungen.

"Die Flammen von Lindisfarne" sollten der erste Band einer vierteiligen Wikinger-Saga mit dem Oberbegriff "Wölfe des Nordens" werden. In drei weiteren Bänden sollten mit den Hin-tergrund einer einzigen Wikingerfahrt vom Norden herab durch das Mittelmeer alle Facet-ten dessen aufgezeigt werden, was sie später ausmachte.

Sie waren nicht nur Land- und Seeräuber, auch wenn ihnen das Kämpfen im Blut lag und sic noch in der Kreuzzügen das alte Normannenblut austobte. Die Wikinger waren in erster Linie Bauern und ihre Fahrten waren auch Versuche einer Landnahme. Denn sie wollten von den kargen, steinigen Böden Norwegens fort und sich dort ansiedeln, wo es guten Bo-den gab. Im Norden des Frankenreiches entstand die Normandie, Alfred der Große von England gab den Männern des Nordens, die er nicht besiegen konnte, das Land, das sie sich nehmen wollten. Und auch in Irland setzten sich die Nordmänner fest.

Bis Island, Grönland und der nördlichen Ostküste der heutigen USA führen die Drachen-schiffe auf der Suche nach besserem Ackerland.  Die schwedischen Wikinger auf der andren Seite Skandinaviens dagegen befuhren mit ihren Schiffen die Ströme ins heutige Russland bis hinunter ins Schwarze Meer. Auch Händler waren die Wikinger, da ihnen die Seefahrt im Blut lag. Sie segelten auch im Winter, wenn andere Völker ihre Schiffe ängstlich im Hafen hielten. Und überall nahmen sie als Söldner Dienst und waren als tapfere Kämpfer gefürchtet. Das alles wollte ich in vier Bände in einer Romanhandlung bringen.

"Die Fahrt der Midgardschlange", wie der zweite Band heißen sollte, führt durch die Welt des Mittelmeeres und sollte die Odins-Söhne in Kontakt mit dem Islam bringen. "Das Banner der Odinsraben" flatterte von den Zinnen von Byzanz, wo die wilden Krieger der Kaiserin als Söldner einen Aufstand niederschlagen aber auch über das schwarze Meer die Wolga befahren und hier das fruchtbare Ackerland finden, das sie suchen. Im letzten Band stehen sich im Frankenreich Karls der Großen "Kreuz und Thor-Hammer" gegenüber. So hatte ich das alles geplant.
 
Als der heutige Herausgeber des Zauberspiegels mich am Beginn der 90er ansprach, zum "1.000jährigen Jubiläum der Plünderung von Lindisfarne" einen Wikinger-Roman zu schreiben, für den es ganz gewiss einen Verlag gäbe, der bei so einem Datum Interesse zeigen würde, rutschte mit der Vierteiler der "Saga von Lars Wolfssohn" fast aus der Hand. Als Junge hatte ich den Film "Die Wikinger" gesehen - und fühlte mich stets mit diesen rauen Nordlandbären verbunden. Ich war richtig heiß drauf, hier mal die Wikinger in einem Roman so zu beschreiben, wie sie nach meiner Überzeugung tatsächlich waren.

Doch da der erste Band der "Wölfe" damals bei den Verlagen kein Interesse gefunden hat, wurden auch die andren drei Bände nicht geschrieben. Als ich mit "Readers Planet" ins Geschäft kam, wurden dort auch die "Wölfe des Nordens" ins Programm aufgenommen. Wie viele Exemplare es bei dem Kleinverlag gegeben hat, der die "Wölfe" als Paperback heraus brachte, weiß ich nicht, weil ich trotz korrekten Vertrag und mehrerer Briefe an den Verlagsleiter weder die Höhe der Auflage erfahren noch Geld gesehen habe. Ich habe nur von W.K.Giesa gehört, dass die Auflage vergriffen sein soll.

Als ich mich entschloss, meine Verbindung zu "Readers Planet" zu beenden, wurden auch die "Wölfe des Nordens"  frei. Auf diese Weise kann der geschriebenen Band den heutigen Lesern  noch einmal kostenlos vorgestellt werden.

Gewiss, die Story ist auf ihre Art frei erfunden. Aber ich habe mich eingehend mit den his-torischen Hintergründen der Wikingerzeit und dem Leben und Denken der alten Nordmän-ner befasst. Nur sind natürlich die Hintergründe für den Überfall auf Lindisfarne sehr spärlich.

Aber vor dem Text, den ich aus der Angelsächsischen Chronik schon oben gebracht habe, steht noch eine Passage, die in die Romanhandlung mit eingeflossen ist.  Es ist dort zu lesen, dass dem Überfall der Nordmänner auf die Abtei von Lindisfarne allerlei seltsame und unheimliche Zeichen voran gingen. Gewitter und Stürme von nie gekanntem Ausmaß tob-ten über das Northumberland. Man wollte geflügelte Drachen mit rotglühenden Nüstern über dem Kloster gesehen haben. Und vom Dach der Peterskirche von York soll in der Fastenzeit blutiger Regen getropft sein.

All diese Dinge finden in diesem Roman eine natürliche Erklärungen. Und auch die Sachsenkriege Karls des Großen und die Schlacht am Pass von Roncevalles, bei der Roland im Kampf stirbt, habe ich versucht so zu schildern, wie sie ohne die Glorifizierung von Legenden und Geschichte tatsächlich gewesen sind. Und auch alles, was die angelsächsische Chronik vom Überfall der Wikinger erzählt wurde in dem Roman so geschildert, wie es sich vermutlich tatsächlich abgespielt hat.

Ich habe mich so weit es im Rahmen einer Romanerzählung möglich ist bemüht, die aus meinen Büchern angelesenen Erkenntnisse des Wissenschaft in den Stoff mit einzubauen und andere Dinge nachzuempfinden. Eine Geschichte aus der Geschichte, die vielleicht nicht wahr ist, sich aber auch genau so abgespielt haben könnte. Mögen mit die Fachgelehrten der Wissenschaft irgendwelche kleinen Fehler verzeihen. Aber es ging mir darum, eine Geschichte zu erzählen - nicht Geschichte zu dozieren.

Und nun, Freunde, drückt euch den Helm ins Haar, rückt den Waffengurt zurecht und kommt an Bord des Drachenschiffes. Ihr kennt eure Ruderbank, wo ihr euren Schild außenbords hängt. Und achtet darauf, dass der Schild und auch eure Axt gut verzurrt sind.

Der wilde Schrei des Jarl hinauf zu Odin ist das Gebet für gute Fahrt und reiche Beute. Legt ein Ruder, setzt Segel - westwärts zeigt der Schädel des Drachen. So weit wie Thors Hammer fliegt, gehört die Welt den Söhnen der Asen.

Reißt das Segel in den Wind!  Teilt mit den Rudern die grüne Flut des Meeres!

Auf, Wölfe des Nordens! Auf zur Wikingerfahrt...!

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