Der Seewolf und die anderen Adventsvierteiler Erinnerungen an eine schönere Fernsehzeit
... und die anderen Adventsvierteiler
Erinnerungen an eine schönere Fernsehzeit
Und dann gab es da noch die Adventsvierteiler des ZDF. Auch Weihnachtsvisierteiler genannt, da sie nicht immer im Advent liefen. In denen verarbeitete der Sender von 1964 an die große Abenteuerliteratur. Jedes Jahr zum Adventssonntag ein Vierteiler.
Diese hier erwähnten Zeiten waren auch die Zeiten der Fernsehtraditionen, von denen es heute keine mehr gibt. Eine dieser Traditionen war die Weihnachtserie im ZDF, die meist in 6 Teilen über die Weihnachtsfeiertage das Kinderherz erfreuten. Dazu gehörten mit Tommi Ohrner und Horst Frank. Aber auch oder mit Patrick Bach.
Jede Folge 90 Minuten lang.
Diese ziemlich kostenaufwendige Tradition konnte nicht immer durchgehalten werden. Und doch gab es Perlen unter diesen Produktionen.
Wenn man an diese Adventsvierteiler denkt, dann fällt einem sofort ein. Dieser legendäre Stoff, der sooft verfilmt wurde, aber nur in Wolfgang Staudtes Version des ZDF von 1971 überzeugen konnte. Bis heute.
Angefangen hatte alles 1964 mit . Es folgte 1965 und (1966). ist dann auch der erste Adventsvierteiler in Farbe. Es waren diese Klassiker, die dem ZDF zu einem großen Traditionssender machten. Jedes Jahr zu Weihnachten konnte man sich auf einen Vierteiler freuen. Das war sicher. Dennoch gab es 1967 eine Pause. Wie auch später 1970, 1972 und 1977. Die Gründe dafür waren unterschiedlich. Einmal wurde man sich mit dem Koproduzenten nicht einig, ein anderes Mal schaffte man den Zeitplan nicht, und letztlich gingen den Machern sogar die Stoffe aus.
Es ging dann aber 1968 erfolgreicher denn je weiter. Man verfilmte . Hier setzte man erneut auf das Traditionskonzept, einen klassischen und bekannten Stoff der Weltliteratur als Abenteuervierteiler in Szene zu setzen. Dazu gehörte auch, dass ein Erzähler aus dem Off über die Geschehnisse und Personen sprach. Fast so wie in einem Hörspiel. Nur mit Bildern. Da dies bei allen anderen Vierteilern sehr gut ankam, lies man nicht davon ab. Auch nicht bei (1969). Besonders erfolgreich war diese Erzählweise aber 1971 beim . Hier wird die Geschichte aus Sicht von Humphrey van Weyden erzählt. Das gute Drehbuch sorgt für spritzige Formulierungen und neben Abenteuer und Spannung gibt es auch Gänsehaut.
Neben Abenteuer und Spannung gibt es auch Gänsehaut.
Reinhard Glemnitz (Der Kommissar) übernahm die Synchronstimme von Edward Meeks, der den schiffbrüchigen van Weyden darstellte. Somit war seine Stimme auch die Erzählstimme, die immer den richtigen Ton traf und mit Formulierungen wie die Unüberwindbarkeit der eigenen Kraft war noch nicht ausgeträumt, oder zu den stärksten Eindrücken in meinem Leben, zählen die nächsten 48 Stunden auf der Ghost für Spannung sorgte.
Grundgerüst der Story ist die Ghost, ein Robbenfänger mit ca. zwei Dutzend Mann Besatzung. Die ersten drei Teile spielen fast komplett auf der Ghost. Lediglich die Rückblenden, in denen sich van Weyden an die Jugendtage erinnert, lenken dann ein wenig vom Geschehen auf dem Schiff ab.
In diesen Rückblenden liegt der eigentliche Reiz dieser Verfilmung. Denn während der Originalroman für meinen Geschmack recht langweilig und uninteressant ist, hat Drehbuchautor Walter Ulbrich die Geschichte ausgeschmückt. Aber er nahm nicht irgendeine fiktive Handlung dazu, sondern kombinierte den Ur-Seewolf von Jack London mit anderen Kurzgeschichten des Autors. Für die Rückblenden nahm er so die Geschichten Joe unter den Piraten und Abenteurer des Schienenstrangs und erzählte davon, dass sich Humphrey van Weyden und Wolf Larsen von Jugend her kannten. Als Joe und Frisco Kid streunten sie damals durch Amerika und erlebten so manches Abenteuer. Diese Rückblenden stammen also nicht aus dem Original-Seewolf.
Eine Geschichte derart mit einer anderen Geschichte desselben Autors zu kombinieren ist schon genial. Man findet diese Rückblenden in Teil 1 und 2.
Teil 3 erzählt dann im wesentlichen, Teile des Originalromans. Es wird beschrieben wie die Mannschaft der Ghost langsam aber sicher auf eine Meuterei zusteuert, und wie sich die Lage zwischen dem Seewolf Larsen und Humphrey van Weyden zuspitzt, als eine Frau an Bord genommen wird.
Als Humphrey mit der Frau von Bord flieht, geht die Geschichte wieder in eine andere Richtung, als im Original-Roman. Die Frau, Maud Brewster, stirbt im Film. Humphrey rettet sich auf eine einsame Insel, wo er Wolf Larsen wieder trifft. Dieser wurde von seiner Mannschaft ausgesetzt. Larsen lässt Humphrey zurück und verschwindet samt Proviant und Gewehr. Humphrey ist auf sich allein gestellt und kämpft fortan um sein Überleben.
Diese Beschreibungen stammen aus Jack Londons Erzählung Die Liebe zum Leben.
Natürlich überlebt van Weyden alle Strapazen und im vierten Teil geht er auf die Suche nach Wolf Larsen. Da der Original-Seewolf-Stoff fast aufgebraucht ist, widmet sich Ulbrich zunehmend anderen Erzählungen von Jack London. So ist der nun etwas ältere Humphrey ein erfahrener Kapitän und der stammt aus Der Sohn der Sonne. Außerdem finden sich im vierten Teil viele Elemente aus Jack Londons Sammlung Südseegeschichten.
Erst am Ende des vierten Teils kehrt Ulbricht zum Original-Seewolf zurück. Das Duell zwischen Humphrey und Wolf Larsen entstammt wieder dem Seewolf-Roman.
Ein weiterer gelungener Aspekt ist die Besetzung
geboren am 7.10.1940 in Hamburg. Bevor er zur Schauspielerei kam, studierte er einige Semester Medizin. Er spielte am Theater und im Fernsehen erstmals 1968 in einer kleinen Rolle im Dreiteiler Babeck nach Francis Durbridge.
Nach dem Seewolf 1971 war er zunehmend auf Rollen festgelegt, die in Abenteuerfilmen und Western angelegt waren. In Italien wurde er in den 70er Jahren ein Star. Bei den Karl-May-Festspielen war er als Old Firehand und Old Schatterhand zu bewundern. In den 80er Jahren spielte er einige Komödien an der Seite von Bud Spencer.
Dann wurden die Rollen kleiner. Er hatte Gastauftritte in Derrick, Der Alte und bei der Schwarzwaldklinik.
In den letzten Jahren litt er an Morbus Parkinson, was ihn zunehmend resignieren lies. Er wurde depressiv und 1998 nahm er sich im Alter von 57 Jahren das Leben.
Ein weiterer gelungener Aspekt ist die Besetzung des Films. Zuerst wäre da Raimund Harmstorff als Neuentdeckung im deutschen Fernsehen. Er war der ideale Seewolf. Keiner hat den rauen und harten Kapitän glaubhafter dargestellt als er. Nur seine Stimme musste synchronisiert werden, und zwar von K.E. Ludewig. Ludewig ist ein bekannter Synchronregisseur, der auch dem Scotty in Raumschiff Enterprise die Stimme lieh.
Der Grund für Synchronisation war einfach. Wolfgang Staudte, der Regisseur fand die Originalstimme von Harmstorff zu liebenswürdig.
Die Synchronisation gefiel Harmstorff damals nicht. Er lies sich in zukünftigen Verträgen immer festschreiben nicht synchronisiert zu werden. Aus diesem Grund darf man ihn in Michael Strogoff, fünf Jahre später auch im Original hören.
Die weitere Besetzung des Films wurde durch Rumänen übernommen. In den Rückblenden wird Joe von Franz Seidenschwan und Frisco Kid von Dieter Schidor dargestellt.
Die Brutalität des Seewolfs, die sooft beschrieben und beschrieen wird, wurde vom ZDF seinerzeit auf ein familienverträgliches Maß herabgesetzt. Zwar wurde auch hier der Kapitän als Monster dargestellt und als brutal eingestuft. Doch niemals hat er mit eigener Hand gemordet. Er hat etliche Besatzungsmitglieder verprügelt, zwei Mann hat er der rauen See ausgesetzt (in diesem Fall könnte man ihm höchstens unterlassene Hilfeleistung vorwerfen), und auch als Oofty-Oofty von einem Hai gefressen wird, hat sich dieser das selbst zuzuschreiben.
Und auch Weyden tötet nicht, billigt das nur einmal in Notwehr, und Larsen stirbt am Ende durch seinen Hirntumor, und nicht im Duell.
Die berühmte Kartoffel-Szene verfolgte Harmstorff bis zuletzt. Er wurde sehr oft darauf angesprochen. Er selbst hatte diese Szene eingebunden. Selbst in der Neuverfilmung von PRO 7, 2008 hat man diese Idee aufgegriffen. Eine weitere Neuverfilmung vom ZDF mit Christian Berkel steht noch aus.
Von den Dreharbeiten gibt es viele Anekdoten zu berichten. So mussten die Szenen mit dem Koch im Hafen gedreht werden, da der Schauspieler Emmerich Schäffer seekrank war. Und einmal wurde die Ghost von russischen Piraten gekapert.
Im Kino lief der Seewolf einmal stark gekürzt, als 95 Minuten-Film. Der Vierteiler wurde vom ZDF auch mal als 16teiliges 25 Minuten-Serial ausgestrahlt und lief im DDR-Fernsehen als 8teiliges 45 Minuten-Serial.
Zunächst gab es 1972 jedoch keinen Vierteiler zum Advent. Man fand einfach keinen Stoff, der dem Seewolf hätte nachfolgen können. Man tat sich schwer. 1973 kam dann anstatt eines Vierteilers ein Dreiteiler. konnte als Kostüm und Degenfilm nicht recht überzeugen. 1974 gab es erstmals ein Jules Verne-Stoff. 1975 folgte wieder ein Jack London-Stoff . Hier war Raimund Harmstorff für die Hauptrolle im Gespräch, doch er war leider verhindert.
1976 entstand in Koproduktion mit Frankreich dann nach Vernes Kurier des Zaren. Wieder wurde die Geschichte brillant umgesetzt. Wieder ein super Vierteiler, der nicht nur zur Weihnachtszeit Spaß macht. Raimund Harmstorff übernahm die Hauptrolle auf Wunsch von Jean-Pierre Decourt, dem Regisseur. Außer Harmstorff, der diesmal nicht synchronisiert wurde, waren keine deutschen Darsteller am Set. Der recht einfache Roman von Jules Verne erfuhr hier eine opulente Umsetzung.
Da die Stoffe zur Neige gingen gab es 1977 keinen Vierteiler im Advent. 1978 machte man mit weiter. Als neuer Produzent wurde Fritz Buttenstedt eingesetzt. Mit ihm, so hoffte man, könne man frischen Wind in die angestaubte Reihe bringen. Der Stoff war von Robert Louis Stevenson. Ekkehard Belle, der Hauptdarsteller verliebte sich während des Drehs in die aparte Aude Landry, die die weibliche Hauptrolle spielte. Die beiden wurden ein Paar.
1979 kam dann - wieder von Verne. Und wieder wollte Jean-Pierre Decourt, Harmstorff für die Hauptrolle, der erneut verhindert war.
Mit verfilmte man 1980 erstmals einen unbekannten Stoff. Und ab 1981 ging man ganz neue Wege. Mit und Christian Kohlund in der Hauptrolle, wurde erstmals ein tatsächliches historisches Ereignis verfilmt, und keine Literaturvorlage. Das geschah auch 1983 mit , wo Horst Frank mitspielte.
Dazwischen, 1982 zeigte man , was eher ein moderner Krimi mit Abenteuerelementen war.
Nach dem Mann von Suez war die alte Tradition zu Ende. Geblieben sind heute Der Seewolf, Michael Strogoff und etliche DVD-Veröffentlichungen der einstigen Quoten-Hits.
Doch irgendwie bleibt bei mir nur beim Seewolf und bei Michael Strogoff, das Gefühl zurück einen sehr guten Abenteuerfilm gesehen zu haben.
Alle Weihnachtsvierteiler/Adventsvierteiler in der Übersicht:
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