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Neue Wege - Horst und Hermann über Komapatienten

Zauberwort - Der Leit(d)artikelNeue Wege
Horst und Hermann über Komapatienten

Viele eingestellte Heftromanserien werden als Buch oder Hörspiel fortgeführt. Ist das nicht eine Art Leichenfledderei unter fast vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit? Der ganze (verlegerische) Aufwand für ein paar (hundert) Figuren (genannt Sammler und Fans), die nicht genug von den Idolen ihrer Jugend bekommen können. Lebenserhaltene Maßnahmen für ein vom Kiosk verschwundenes Medium?

Ein Thema für unsere beiden Herausgeber: Horst und Hermann ...

 

Horst von AllwördenHorst
Meister Röhrich fragte einst: »Tut das Not, dass der hier so rumoxidiert?« und sagte auch: »Der sieht doch noch gut aus. Geht der nicht noch?«

Und sie gehen auch noch. Will sagen: Heftromanserien in Neuauflage als Buch, Paperback und/oder als Hörspiel oder -buch funktionieren für den kleinen Kreis von Fans und Sammlern, den man wohl im Falle des gedruckten Buchs unter der Hausnummer ›1000‹ ansiedeln muss. Im Hörspiel und vielleicht auch im Falle der Hörspiellegende »Larry Brent« vielleicht etwas darüber. Das ist doch Grund genug, diese weiter auf den Markt zu bringen. Millionär wird damit keiner (wenn denn überhaupt was abfällt), aber ein paar Sammler werden damit noch bedient.

Diese Neuauflagen und Fortführungen schaffen es nicht mehr auf der großen Bühne, aber – um im Bild zu bleiben - ›Off-Broadway‹ sind sie eben noch präsent. Als Reminiszenz an bessere Zeiten trivialer Unterhaltungsliteratur. Als – wenn man so will ›Heft-algie‹ … Die Auflagen sind fast auf dem Niveau von Fanzines angekommen, doch ein paar älteren Herren dienen sie noch als Erinnerung an die längst entschwundene Jugend.

Was die Fortführungen angeht, eine Generation junger Autoren kann sich bei den Fortsetzungen daran abarbeiten, Erfahrungen gewinnen und schauen, was man aus diesen alten Stoffen noch herausholen kann. Eine gute Schule …

Die neuen Larry Brent-Hörspiele, die auf uns zukommen, versprechen was zu werden. Europa hat hohe Ansprüche an verkaufte Auflagen, aber R&B braucht nicht so viele verkaufte Einheiten, um daraus einen Erfolg (für sich) zu machen. Wenn da zweitausend verkaufte Hörspiele zusammen kommen, haben wir eine lang laufende Hörspielserie. Larry Brent ist eine Legende des Hörspiels und hat allemal noch das Potenzial zu überleben. Da liegt echtes Potenzial.

Und warum auch nicht? Solange sich jemand findet, der es verlegt und sich ein paar Figuren finden, die es kaufen … Völlig legitim und erfreulich. ›Special interest‹ zu bedienen ist doch nichts Ehrenrühriges.

Hermann von AllwördenHermann
Was soll der ganze Mist, mein Alter-Ego? Das ist doch wie bei einem Komapatienten auf der Intensivstation: Da werden Dinge mehr oder weniger künstlich am Leben gehalten. Das Ganze lebt doch – wie bei einem Fanclub – vom Engagement einiger weniger. Das ist doch wie ein Spielzeug. Dabei sind die Auflagen so klein, dass es nicht gelingt, dies so zu kalkulieren, dass die Bücher im Handel anzubieten sind. Die Preise sind gefühlt einfach überhöht.

Diese Heftromanserien, die neu aufgelegt oder fortgeführt werden, sind zumeist deswegen vom Kiosk verschwunden, weil sie sich nicht gut genug verkauften. Und selbst jene, die sich gut verkauften - und trotzdem verschwanden wie »Larry Brent« und »Butler Parker« (in dem Chaos nach dem Unfalltod von Werner Müller-Reymann) - haben ihre Strahlkraft verloren. Kelter musste dies lernen, als sie »Butler Parker« nochmal auflegten. Da war der Lack ab. Die große Zeit des Heftromans ist ohnehin schon lange vorbei. Larry Brent läuft bei ›Blitz‹ auf 299 Exemplare limitiert. Da hatte ja der ›Club Letter‹ des »Dan Shocker’s Fantastik Club ›Marlos‹« eine höhere Auflage. Das ist doch eher ein Hauch von Nichts. ›Special Interest‹ kann man das kaum noch nennen. Das ist eher ein Mikromarkt.

Das ist ein so trauriges Bild.

Es zeigt überdeutlich, dass all diese Heftromanserien nur so lange großen Erfolg haben, wie sie Woche für Woche im Bahnhofsbuchhandel und Kiosk erscheinen. Verschwinden sie von dort, sind sie – wie es Goethe in seinem »Faust« der Margarete in den Mund legt »aus den Augen, aus dem Sinn«. Vorbei ist es mit der Herrlichkeit. Das scheint systemimmanent zu sein. Eine Art Sollbruchstelle.

Der Druck eines Paperback oder Hardcover ist mittlerweile so billig geworden, dass dies auch für Kleinstauflagen zu finanzieren ist. Nicht Druck und Papier sind die Hauptkostenträger der Buchherstellung. Diesen Irrtum muss man mal benennen. Rechte, Honorare, Lektorat kosten mehr als das. Und wenn die Kalkulation nicht mehr zu einem Preis aufgeht, die einen Vertrieb über den klassischen Buchhandel oder den Onlinehandel erlaubt, so zeigt das doch eher die mittlerweile erreichte völlige Unwirtschaftlichkeit dieser Serien. Sie sind nicht mehr marktfähig.

Auch »Larry Brent« wird im Hörspiel nur ein Schatten einstiger erfolgreicher Tage sein. Ein schwacher Abglanz der ›goldenen Achtziger‹. Nicht umsonst hat Europa die Rechte an dem Erfolgslabel aufgegeben. Mich würde es nicht wundern, wenn auch hier nur mehr 1000 Einheiten pro Folge verkauft werden.

Das ist doch alles Pillepalle oder Pissipiss. Egal, ob Buch oder Hörspiel, der Nischenmarkt eines Nischenmarkts wird bedient. Das ist nichts mehr, was man sehen möchte. Da werden Ressourcen an alte Hüte verschwendet, die kaum mehr jemanden hinter dem Ofen hervorlocken.

Das ist sinnlose Verschwendung für ein paar Pappnasen, die sich einfach nicht von ihrer Jugend trennen können … Oder wie es einst der Mitarbeiter eines Publikumsverlages treffend bezeichnete: »Der Trend geht zum gebundenen Fanzine« Und mehr ist das auch nicht mehr (vom Niveau der Auflage her nicht mehr). Diese ganz speziellen Kleinverlage sind so was wie ein Fanzineersatz, die professionell aussehen und erscheinen. Eine Art Blinddarm des Verlagswesens, weil da nichts Wesentliches passiert, sondern immer nur altes Zeugs aufbereitet wird.

Horst von AllwördenHorst
Zum Glück haben wir die freie Marktwirtschaft, und du bist nicht der Vorgesetzte dieser Verleger und Hörspielmacher. Diese Menschen versorgen einen kleinen Kreis mit Dingen, die diese haben wollen. (Einwurf Hermann: Für die alten Sachen gibt es eBay und Antiquariate, und für neue Abenteuer die eigene Fantasie.)

Da macht sich ein Haufen Kreativer daran, die Klassiker der trivialen Unterhaltung am Leben zu erhalten. Sie geben alles, damit sich ein zweifelsohne vorhandener Kreis von Konsumenten mit Büchern und Hörspielen versorgen kann. Das ist doch was Gutes. Dieser Kreis mag klein sein, aber es sind zuverlässige Käufer. Das ist weder überflüssig noch ein Wurmfortsatz. Das ist eben ›special interest‹. Um diesen Markt bedienen zu können, muss man in Kauf nehmen, nicht im Mainstream mitzuschwimmen und Auflagen unter tausend Exemplaren hinnehmen. Das ist eine interne Entscheidung des Verlegers. Dabei muss der Kunde es akzeptieren, dass er diese Bücher nicht zum Schnäppchenpreis bekommt. Er muss für sein Interesse den Preis bezahlen.

Aber der Leser macht es ja (manchmal murrend). Ihm ist bewusst, dass er für ›seine‹ Helden mittlerweile mehr ausgeben muss als damals am Kiosk. Das geht nicht für eine Mark. Autoren und Lektorat müssen bezahlt werden. Eine saubere Kalkulation fördert die geforderten Preise zu Tage. Da müssen beide Seiten durch. Der Verleger kann nicht die Bedingungen erfüllen, die Amazon oder auch der Buchhandel an ihn stellt. In seiner Kalkulation ist keine Luft für etwa 50% Rabatt für Zwischen- und Einzelhandel. Und der Leser muss eben akzeptieren, dass er für zwei Heftromane mehr als 10 € ausgibt.

Diese Anforderungen erfüllen Kunde und Verleger und leben eben damit.

Hermann von AllwördenHermann
Aber sie verschwenden so viel an Ressourcen. Sie geben sich Dingen hin, die besser als erledigt gelten sollten. Man steckt von Verlegerseite so viel Arbeit hinein, dass man schon eher von einem Hobby denn von einem Gewerbe sprechen kann.

Da wird Zeit, Geld und Engagement verschwendet. Warum zum Teufel nutzen die Herrschaften nicht ihre Zeit und suchen junge, engagierte Talente und machen mit denen etwas Neues und ziehen etwas anderes auf? Zeitgemäße Stoffe umsetzen, statt alten Quark wieder aufzurühren. Diese alten Heftserien sind tot, ein Stück Literaturgeschichte eben. Aber es warten junge Talente darauf, gefördert zu werden.

Die sollen sich nicht an altem Wein in neuen (teuren) Schläuchen abarbeiten, sondern etwas Frisches und Neues machen. Hier könnte das ganze Engagement zielgerichtet eingesetzt werden. Verlage wie Fabylon, Atlantis, Voodoo, Festa und andere weisen da den rechten Weg.

Es ist an der Zeit, umzudenken und sich neuen Dingen zuzuwenden.

Oder etwa nicht?

Kommentare  

#61 Alter Hahn 2012-04-17 16:28
Die Kleinverlage erinnern mich irgendwie an Doktor Frankenstein, die einem Toten das Leben wieder geben wollen. Nur tun sie es nicht wie eben jener Victor von Frankenstein, dass sie aus mehreren Teilen einen perfekten Körper schaffen wollen, sondern versuchen teilweise schon halb verweste Leichname zu erwecken.
Im Comic hat man das vor vielen Jahren mal mit der Sigurd-Serie versucht, die mich in meinen Kindertagen fasziniert und geprägt hat. Ganz klar, dass ich die neuen Hefte jubelnd gekauft habe - und der Inhalt sich nahtlos an die alten Folgen anschloss. Dass sich inzwischen der Comic-Stil gewandelt hat und die Zeichnungen wesentlich verbessert wurden - das hat man bei dieser "Toten-Erweckung" übersehen.
Für die Kids der damaligen Zeit waren die Stories und auch die Zeichnungen einfach lächerlich - nur die "alten Hähne" wie ich jubelten über die Nostalgie der Wiedergeburt von Hansrudi Wäschers Kutl-Comic der 50er. Aber in den 70ern waren Zeichenstil und Inhalt längst übrholt.
Schon beim dritten Comic stand im Begleittext zu lesen, dass die Leser (also die Kids der neuen Generation) ihre Eltern bitten sollten, mehr als ein Heft zu kaufen - weil sonst die Serie eingestellt werden müsste. Wenn ich mich recht erinnere, was dies auch das letze Heft.
Vielleicht würde "Sigurd" heute noch als Comic laufen, wenn seinerzeit Bilder und Inhalt Serien wie z.B. "Andrax" angeglichen worden wären, die damals in der Zeitschrift "Primo" erschienen.
Und das gleiche gilt für die Rekativierung von Helden des Heft-Romans. Ich bin mir sicher, dass Dan Shocker Larry Brent und auch Macabros heute etwas anders anfangen und auch anders schreiben würde - allerdings genau so spannend wie damals.
#62 Advok 2012-04-19 02:25
Ein paar Anmerkungen, wobei ich die ganzen Kommentare jetzt nur überflogen habe:

Buchmesse und Hefte: Da ich weeesentlich jünger bin als unsere Herausgeber zunächst mal eine Frage: Wurde die Buchmesse je für Heftromanwerbung genutzt? So schade es ist: Heftromane hatten nie eine ISBN-Nummer, dürften also für den Buchhandel schon immer uninteressant gewesen sein, da andere Schiene.
Sicher: Perry Rhodan als Hardcover dürfte früh präsent gewesen sein, doch selbst bei PR bezweifle ich, dass es die Hefte direkt auf die Buchmesse geschafft haben.
Kurz: Wer ist alt und weiß bescheid?

Eingestellte Serien: Ich denke, Bastei hat aus den negativen Reaktionen zu den "Abenteurern" gelernt. Damals konnte der hier vielbeschworene "Mike" nichts bewirken. Und auch die "Ufo-Akten" verschwanden, noch bevor die Fragen als solche vom Leser überhaupt erkannt wurden ... Nicht zu vergessen !!!Amerika!!!.

Der guten alten Zeit hinterherzutrauern bringt nichts: Die Gesellschaft hat sich verändert, die Freizeitmöglichkeiten haben zugenommen. Mehr will ich dazu gar nicht schreiben, da diese Thesen hier schon so oft erläutert wurden.
Meiner Meinung nach müssen aber nicht die Verlage den Käufer verändern, sondern sich schlicht umstellen und das Produkt neu definieren. Die Kleinverlage gibt es ja letztlich auch nur, weil eine Neuaufteilung des Marktes erforderlich ist. Nischen werden besetzt ...

Eigentlich müsste sich nun aber eine weitere Frage stellen: Nehmen die Kleinverlage den Heftromanverlagen vielleicht sogar die Käufer weg? Diese Frage mag auf den ersten Blick überraschen, doch wenn man bedenkt, wieviel ein Hardcover kostet, das man sich prinzipiell gerne als Heft kaufen würde - da müsste man mal klären, ob die gleiche Summe nicht in 7 - 8 Heftromane angelegt werden würde. Ein Teufelskreislauf?

Bei manchen Serien denke ich, dass es sie nur noch gibt, weil die Verlage damit ihre Werbung plazieren und auf andere Produkte aufmerksam machen können. Wäre interessant, hier in Kalkulationsunterlagen Einsicht zu bekommen.

Zum vielgescholtenen Kelter-Verlag: Kann es sein, dass der Nachdruckverlag mittlerweile zumindest im Westernbereich die Konkurrenz weit überholt hat? Was hat Bastei noch zu bieten?

Ich bekomme derzeit die R.F. Garner-Hefte im Abo, und die sind wirklich sauber gedruckt, nicht wie frühere Nachdruckserien, bei denen die Buchstaben oft nur noch zu erahnen waren.

Mit der Abenteuerschiene ist Kelter gescheitert, aber vielleicht findet der Verlag mal den Mut, im Westernbereich war Neues zu wagen? Schön wäre es.

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