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Lovecraft in Space - Das Biomechanomicon

0Lovecraft in Space
»Das Biomechanomicon«

Lovecrafts dunkle Schrecken sind unter den Horrorfans legendär. Bis heute gilt er mit seinem Cosmic Horror als Vorbild für viele Autoren.

Auch Detlef Klewer huldigt dem amerikanischen Meister. Aber er wagt ein Experiment. Sind die düsteren uralten Götter und Bedrohungen im Original meist auf der Erde verborgen, so begegnet man ihnen in der vorliegenden Anthologie draußen im Weltall.

Einleitung
"In den unendlichen Weiten des Universums lauert das Grauen ... Mächtige Wesen aus anderen Dimensionen bedrohen die Galaxien und ihre Bewohner ... Um dieser Gefahr zu begegnen, werden Mutige zu gewagten Unternehmen ausgeschickt, um den Gegner aufzuspüren und der Bedrohung zu begegnen.

Androiden, Cyborgs, kybernetische Einheiten, Hybride oder kampfbereite Menschen treffen während ihrer Missionen in den Tiefen des Weltalls auf Lovecrafts alte Götter oder andere Horrorgestalten seines Pantheons.

Ihre spannenden Geschichten füllen die Seiten der Chronik des interplanetarischen Schreckens - »Biomechanomicon«"

(Klappentext)

Besser als in diesem Klappentext lässt sich der Inhalt es Bandes kaum zusammenfassen.

Daher noch ein paar kurze Infos zum Herausgeber:

Der 1957 geborene Herausgeber Detlef Klewer ist seit einigen Jahren als Verfasser von Kurzgeschichten in Erscheinung getreten. Außerdem ist er Autor von Sachbüchern zum Bereich Horrofilm und Zeichner (z.B. "Auf den Spuren H.P. Lovecrafts 3"). Auch als Herausgeber hat er einige Erfahrung sammeln können. Unter anderem zeichnet er verantwortlich für die Anthos:

  • Der schwarze Gott (2015)
  • Böse Clowns (2016)
  • Horror-Coctail (2016)
  • Auf düsteren Wegen (2017)
  • Bestiarum (2017)
  • Horror Cinema Obscura (2017)
  • Horror Musica Daemonica (2018)
  • Alien Eroticon (2019)
  • Knochenzart (2019)

Die Geschichten
Tobias Habenicht "Die Sprache der Alten"
Zwei Gelehrte landen auf dem verbotenen Planeten GORMON IV. Der eine, Lordscriptor Echnon Varus, ist mehr Cyborg als Mensch. Nur noch sein Gehirn ist organisch. Der andere, Markus Feldmann, ist sein Schüler und Bewunderer. Sie sind auf der Suche nach der verlorenen Sprache der Alten, jener legendären Hochkultur, die viele Spuren hinterlassen hat.  Der Planet erweist sich als eine einzige Nekropole. Doch es gibt auch Hinweise auf Aktivitäten. Die beiden begeben sich an diesen Ort.
Für mich eine atmosphärisch dichtesten Geschichten! Auch sprachlich sehr ansprechend.

Nina Horvath "Der Mann mit dem Koffer"
Ein Raumschiff mit einer mehr oder weniger durchgeknallten Besatzung ist auf der Jagd nach Schiffen der Tiefen Wesen und Shogothen. Fallen Besatzungsmitglieder bei den Kämpfen fallen, wird einfach Ersatz aus der Stasis geholt. Kurz vor einem weiteren Gefecht wird ein Waffenexperte aufgeweckt. Ihn fasziniert die traumatisierte Rita, ein Wesen halb unschuldiges Kind, halb gefühlslose Maschine. Sie erzählt von einem Mann mit dem Koffer, der sie als Kind von ihren Eltern abgeholt hat. Im Kampf stehen die beiden Seite an Seite und haben bald eine unvorhergesehene Begegnung.
Eine sehr ausgefeilte Story. Lange Zeit bleibt unklar, was Traum, was Wirklichkeit ist.

Hans Hürgen Hetterling "Der alte Feind"
Kampf im Orionsektor. Die Erde ist dringend auf die Ressourcen hier angewiesen, wenn sie gegen einen mächtigen Feind bestehen will. Doch das Schlachtglück scheint sich gegen die Menschen zu wenden. Die USS DARKWING wird abgeschossen. Überlebende der Raumschlacht stranden auf einem Asteroiden. Die Männer werden auch hier in Gefechte mit ebenfalls notgelandeten Feinden verwickelt. Bald stößt man auch auf eine unterirdische Basis.
Für Fans von Action und Military.

Regine G. Ritter "Auf Kynarth"
Auf einem öden, dreckigen und heißen Asteroiden hängt ein Mann herum und vertreibt sich die Zeit mit Trinken. Eines Tages bekommt er unverhofft Gesellschaft. Der junge Reporter Stennings hat Colonel Atwood ausfindig gemacht. Im Auftrag seiner Reaktion soll er herausfinden, was auf Kynarth passiert ist. Der Colonel sträubt sich zunächst, gibt dann aber doch nach und berichtet über das Schicksal der fünfköpfigen Expedition, die auf dem eisigen Kynarth nach der Ursache für plötzliche geologische Veränderungen gesucht hat.
Das Monster im Eis erwacht. Seit Camphells "Who goes there" (1938) irgendwie ein bekanntes Setting. Aber hier doch spannend neu interpretiert.

Christoph Frischer "Der augenlose Kapitän"
Eine Tiefraumsonde der Vereinten Flotten hat auf dem Plutomond Nyx eine merkwürdige Beobachtung gemacht. Die Sensoren zeichneten eine Leerstelle in der Farbpalette auf. Kurzerhand wird ein Schiff dorthin beordert. Zur Unterstützung der Besatzung wird ein obskurer Schriftsteller aus dem späten 19. Jahrhundert geklont, der zu Lebzeiten ein ähnliches Phänomen in Neuengland beschrieben hatte.  Dieser Mann heißt Howard Providence. Geführt wird das Schiff von einem Kapitän, der vor einem Jahr bei einem Unfall beide Augen verloren hat und jetzt auf Sensorwahrnehmungen angewiesen ist. Providence beginnt bald wilde Gruselgeschichten zu erzählen und warnt den Kapitän davor, Nyx anzusteuern.
Tolle Idee Lovecraft (Howard Providence) zu klonen und persönlich auf die Reise zu schicken. Auch der augenlose Kapitän überzeugt als Figur.

Victoria Sack "Anachron"
Die Möbius, eine vor hundert Jahren verschwundene Raumstation, taucht plötzlich wieder auf. Die Forscherin Louise Hallvarson lässt sich von der Innsmouth Inc. anheuern und beteiligt sich an einer Bergungssxpedition, die die Station untersuchen soll. Dort wurde seinerzeit an der Raumzeitforschung gearbeitet. Die Besatzung des Erkundungsraumers besteht aus der Forscherin, der Kommandantin, einem Arzt, einem Techniker und einem Roboter. An Bord der Station verwischen sich bald Zeit und Raum.
Verwirrend, aber im besten Sinne!

David Grade "Die Tiefe hinter den Sternen"
Eine apokalyptische Welt mit dunklen Straßenschluchten und gigantischen gotischen Bauten, auf der die Kirche uneingeschränkt das Sagen hat. Und Inquisitoren Ankläger, Richter und Henker zugleich sind, das ist Athoria IV. Die rauschgiftsüchtige Kapitana Arjona von Teuffenbach sucht hier Freiwillige für einen Bergbaujob weit entfernt im All. Der junge Pick möchte unbedingt auf der Miskatonic mitfliegen. Wegen seiner übersinnlichen Fähigkeiten wird er von der Kirche verfolgt. Als sie von Angehörigen von Freiwilligen einer früheren Anwerbeaktion erkannt wird, landet sie in den Fängen der Inquisition. Diese will sie als Köder benutzen, um herauszufinden was mit mehr als zweihunderttausend Bergleuten passiert ist, die in den letzten Jahren von der Asteora Rosso Transgalactika Bergbaugesellschaft rekrutiert worden sind und auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind. Und was hat es mit Arjonas immer wiederkehrenden Alptraum von der Frau mit dem roten Mantel auf sich?
Eine Geschichte mit mehreren Geschichten in der Geschichte. Da ist der begabte Junge, die in den Drogen Vergessen suchende Kapitana und schließlich der von seiner Mission restlos durchdrungene Inquisitor.

Ronja Gerdes "Der Seelenstein"
In einem Endzeitszenario will Zazy ihren verstorbenen Partner Nuri zurückholen. Sie braucht dafür einen Seelenstein, den sie in einem verlassen Tunnel in einem verungückten Zug findet. Unterstützt wird sie von Tonya, einer Art Cyborg. Doch es wird davor gewarnt, die Seelensteine zu benutzen.
Der Lovecraft-Bezug kommt erst ganz zum Schluss.

Magnus Andersen "Auferstehung"
Auf dem Mars, im Bereich des Olympus Mons wurde eine uralte Anlage gefunden. Eine dorthin entsandte Expedition ist jedoch verschollen. Eine zweite Gruppe wird zu ihrer Rettung entsandt. Zur Gruppe des chinesischen Obersts Chang gehört auch die Wissenschaftlerin Lena. Im Innern der millionen Jahre alten Anlage stößt man auf technische Anlagen und zwei Spezies, die sich bekämpfen. Der chinesische Kommandant spricht von Großen Alten und Shoggothen. Auch die Rettungskräfte werden angegriffen.
Auch eine sehr schöne Idee den Olympus Mons prominent mit in die Geschichte einzubauen! Dann die chinesisch dominierte Mission mit ihrer für Westler gewöhnungsbedürftigen "Höflichkeit". Nur der Konflikt zwischen den Aliens wirkt irgendwie konsturiert.

Henrik Sturmbluth "Die azurblaue Königin"
Die Checksamer attackieren die Menschen. Die Monstren mit ihren Tentakeln greifen die Schiffe der Menschen an. Außer Strom scheint es keine Wirksame Waffe gegen die Gegner zu geben. Deshalb werden Menschen zu Cyborgs umgebaut, die als Elektrogarden im Nahkampf die Feinde bezwingen sollen. Als die Dauntless attackiert und vernichtet wird, befindet sich mit Cyrus ein solcher Cyborg an Bord. Im gelingt es auszusteigen und auf einem nahen Planeten zu landen. Er ist voller Hass auf die Checksamer, weil seine Partnerin Patience einem ihrer Angriffe zum Opfer gefallen ist. Und zu seiner Überraschung folgt ihm ein Tentakelmonster, aber nicht einfach irgendeines, sondern die Azurblaue Königin, das Oberhaupt der Checksamer. Tötet er sie, bricht die Offensive der Gegner zusammen.
Eine altbekannte, aber letztlich doch immer wieder aktuelle Fragestellung. Rechtfertigt das Leben vieler, den Tod einzelner oder einiger weniger?  Cyrus entscheidet sich recht schnell.

Alexa Pukall "Die Hundefänger"
Matthis, Ketis, seine Pilotin und Technikerin, und Soren der Mechaniker jagen Leviathane. Ihr kleines Schiff ist speziell dafür ausgerüstet. Diesmal geht es in einen abgelegenen Sektor. Man hat einen Tip bekommen, dass sich hier ein besonders großes Exemplar aufhalten soll. Und es dauert nicht lange bis es aufgepürt ist. Doch es verhält sich anders als erwartet.
Schöne Idee, aber zum Schluss hin irgendwie nicht so richtig zündend umgesetzt.

Gard Spirlin "Die Ehre des Piraten oder: Was geschah mit Charlie Thompson?
Nach einem leichten Sieg über ein Erkundungschiff wollen Charlie >>Big Rock<< Thompson und seine Piratenbande einen neu entdeckten Planeten plündern. Dort gibt es nämlich oberirdische Platinadern. Doch der erste Landungstrupp wird das Opfer einheimischer Lebensformen. Nur ein Wissenschaftler überlebt zunächst, redet aber nur noch wirres Zeug bis er stirbt. Kurz entschlossen lässt BR das Gebiet mit Thermostrahlern beschießen und landet dann mit seinem Schiff der >>Jolly Roger<<. Ach ja, ein mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Sexbot in Gestalt einer victorianischen Gesellschaftsdame ist auch mit von der Partie.
Die wohl ironischte Geschichte der Antho. Der Sexbot ist eine sehr originelle Figur.

Lisa-Katharina Hensel "Cthugha"
Computerspezialistin Laya ist mit drei Kriegern unterwegs um in einem Laborschiff nach dem Rechten zu sehen. Dort waren unter höchster Abschottung nach außen illegale Experimente durchgeführt worden, wahrscheinlich neue Waffensystem entwickelt worden. Eine Vorgängercrew ist bereits daran gescheitert, die dortigen Computerprogramme zu bergen. Als Laya in die internen Systeme vordringt, stößt sie dort auf eine Entität, die nicht dahin gehört. In der realen Welt werden die vier Eindringlinge derweil von monströsen Wesen attackiert.
Eine von etlichen Rettungsmissionen auf Schiffen und Raumstationen.

Detlef Klewer "Ein Stern erwacht"
Leon Wirth, der Kommandant, der Nefastus wird von der Automatik aus seinem Kryonikschlaf geweckt. Etwas außerplanmäßiges erfordert sein Eingreifen. Er gibt dem Computer "Felix" den Befehl noch zwei weitere Besatzungsmitglieder aufzuwecken. Wie aus dem Nichts befindet sich ein Planet auf dem sorgfältig berechneten Kurs des Schiffes. Dann reagiert der Kommandant zunehmend desorientiert.
Ein wenig irritierend, dass Klewer bei der Beschreibung des fremden Himmelskörpers zwischen Stern und Planet schwankt.

Anna Noah "Schöpfungsfehler - Die Korrektur"
Ein Mann erwacht auf einer unheimlichen Raumstation. Immer wieder hat er Erinnerungsfetzen an das Mädchen Zhysa. Und dann gibt es da noch das Tentakelwesen Zzzihw. Was ist das für eine Forschungsstation?
Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Davon lebt die Geschichte.

Florian Krenn "Das Tor zu den Sternen"
Ein historischer Moment für die  Menschheit. Zwei Raumschiffe, die Southbridge und die Northbridge, umkreisen die Venus und wollen die erste kontrollierte Wurmlochverbindung erschaffen. Zunächst läuft alles nach Plan. Dann gibt es Reaktorprobleme auf der Northbridge. Eine Evakuierung per Wurmloch muss abgebrochen werden. Die ausgesandte Rettungscrew findet nur noch Tote und grauenhafte Wesen, die durch das Tor gekommen sind.
Ein wenig vorhersehbar das Ende.

Meine Gedanken
Eine Horroranthologie in der SF-Reihe AndroSF! Seit der Verlag p.machinery seine eigenständige Horrorreihe eingestellt hat, fehlt der Szene etwas. Dieser Band ist zwar nur ein kleiner Ausgleich dafür, aber was für einer!

Der Herausgeber kommt ohne die ganz großen und etablierten Namen der Szene aus. Die Autoren wurden im Rahmen einer Ausschreibung gefunden. Lediglich der Herausgeber selbst sowie Nina Horvath und Gard Sparlin haben einen größeren Bekanntheitsgrad. Merken sollte man sich auch Florian Krenn, der schon etliche Geschichten abgeliefert hat. Das bedeutet aber nicht, dass die anderen Stories qualitativ abfallen. Zwar gibt es die eine oder andere Wiederholung, aber dafür erweist sich die Antho im Gegenteil als erstaunlich geschlossen. Alle 16 Verfasser sind mit H.P. Lovecrafts Kosmos vertraut.

Jede Geschichte wird von einer farbigen Illustration von Detlef Klewer eingeleitet, was viel zu der düsteren Atmosphäre des Bandes beiträgt.

Ein Vorwort gibt es zwar nicht, aber biografische Notizen zu den einzelnen Autoren finden sich am Ende des Bandes.

Insgesamt ein empfehlenswertes Kleinod! Gute Stories und Faszinierende Illus!

Biomechanomicon
Lovecraft in Space
Detlef Klewer (Hrsg.)
Cover und Illus: Detlef Klewer
(= AndroSF 101)
302 Seiten
ISBN 978 3 95765 162 4
EURO 17,90
p.machinery 2019

Kommentare  

#1 Ringo Hienstorfer 2021-05-01 12:59
Danke, das klingt interessant. Werde ich mir zulegen...

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