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Spaß im Weltraum - »Waypoint Fifty Nine«

0Spaß im Weltraum
Kienle/Alameda (Hrsg.) »Waypoint Fifty Nine«

Angesichts des ständigen Stroms von Schreckensnachrichten zu Corona, Klima und Brexit fällt es zunehmend schwer, gute Laune zu generieren. Das Buch aus dem Leserattenverlag kann da eine echte Hilfe sein und dem Leser zumindest zeitweise ein Grinsen oder sogar ein breites Lachen ins Gesicht zaubern.

Also ruhig mutig zugreifen!

Waypoint FiftyNineEinführung
Der Leserattenverlag bringt schon seit einiger Zeit Anthologien heraus, die am besten unter dem Begriff "Funtastik" zusammengefasst werden. Gemeint ist eine Kombination aus "Fun" und "Fantastik". Erinnert sei an "Vikings of the Galaxy" (2019), "Schnittergarn" (2018) und "Yo-Ho Piraten" (2017). Diesmal zeichnen Günther Kienle und Jörg Fuchs Alameda als Herausgeber. Neu ist auch, dass es sich diemal um eine Romanthologie handelt. Zwar werden wieder 20 Geschichten in einem Band vereint, doch diesmal sind sie quasi durch eine 21. Geschichte, die in viele kleine Kapitel unterteilt wurde, verbunden und ergeben damit auch einen Roman.

Die Raumstation
WaypointNine ist eine alte Raumstation am Ende der Galaxis, die zur Kneipe umgebaut worden ist. So sind beispielsweise die Torpedorohre zu kleinen Räumen gemacht worden, in die sich kleinere Gästegruppen ungestört zurückziehen können. Besitzer ist der zwielichtige Marik Bick Mack Shornikow.

Bemerkenswert sind auch die Angestellten. Es fängt an mit "Security-Jack", einer höchst eigenwilligen Künstlichen Intellligenz mit Türsteherfunktion. Sie sorgt dafür, dass nur waffenlose Gäste die Station betreten können. Der Barkeeper Virginio "Vier Finger" Ramirez, ein vielgeschätzter Gesprächspartner einsamer Gäste, darf sich mit dem Titel "Barkeeper of the Year" schmücken, kann entsprechend allerlei alkoholische Köstlichkeiten zubereiten. Auch die Bedienung kann sich sehen lassen. Die beiden ekkulanischen Schwestern Sora und Mora servieren die Getränke. Doch aufgepasst, während die eine liebenswürdig und zuvorkommend ist, gibt sich die andere abweisend und scharfzüngig. Beide sind mit einem prächtigen Haarkleid gesegnet. Und die Häarchen haben eine praktische Saugfunktion, die ideal fürs Servieren ist. Dann gibt es noch Nova Kazumi, die baumlange und bärenstarke Rausschmeißerin, die randalierende Gäste schon mal durch die Dimensionsschleuse befördert. Spezialität der Kneipe sind übrigens die fliegenden Bierbrunnen. Und dann gibt es natürlich noch den berühmt-berüchtigten "FiftyNiner".

Die Rahmenhandlung
Die beiden Herausgeber Jörg und Günther freuen sich auf einen Ausflug ins berüchtigte Waypoint FiftyNine. Dort wollen sie so richtig einen drauf machen und ihre Tantiemen versaufen, die sie vom Leseratten Verlag erhalten haben. Doch schon bald müsssen sie feststellen, dass ihr Verleger gar nicht so großzügig war. Ein einziges Bier können sie sich leisten - wohlgemerkt eines für zwei! Dafür erfahren sie, dass sie Gegenstand einer Wette geworden sind. Innerhalb weniger Stunden müssen sie eine Geschichte verfassen. Und dass trotz Schreibblockade! Schaffen sie es, dann winkt ihnen eine wirklich großzügige Belohnung - verspricht jedenfalls ihr Verleger! So irren sie also bald durch die Station und treffen auf allerhand andere Gäste, die etwas zu erzählen haben.   

"Mein Kram ist bei dir im Rucksack. Also pass du lieber mal auf. Nicht dass die intergalaktischen Weisheiten aus meinem Tagebuch in die falschen Hände geraten. Zum Beispiel Nummer 7: Verlasse niemals den Barfußpfad, wenn du keine Schuhe anhast." (Jörg Fuchs Alameda, "Auf der Spur der Ratte", S.173)

Die Geschichten
Dennis Frey macht den Leser in "McGintleroy trinkt" mit dem gleichnamigen Kopfgeldjäger bekannt. Dieser hat ein Problem: Er ist tot und kann nicht sterben. Ob ein FiftyNiner helfen kann?


Lea Baumgart zeigt in "Opferbereitschaft", dass praktisch die gegenteilige Berufsgruppe auch im Waypoint FiftyNine verkehrt. Kalzan, ein beinahe unsterblicher Gestaltwandler, dient sich hier dem als Verbrecher gesuchten ehemaligen Finanzminister des Alberta Mondes als Berufsopfer an. Als vermeintlich Toter könnte er ungestört die beiseite geschafften Gelder bis ans Ende seiner Tage genießen.

Dorothee Stern erzählt in "Pest, Maden und Wollsocken" eine Episode aus dem Leben von Cornelius Napoleon Smith. Der notorisch finanziell klamme freiberufliche Archäologe hat den Auftrag angenommen auf einem verseuchten Planeten Pestmaden zu bergen. Ihm zur Seite steht seine künstliche Intelligenz Susi. Dummerweise stößt er aber auch auf seinen ewigen Konkurrenten Alfredo.

Jasmin Aurel widmet sich in "Von Maden und Halunken in Spelunken" der Nekromantin Kay. Nach einem traumatischen Einsatz sucht sie auf Waypoint FiftyNine Entspannung und Kontakte. Dort trifft sie auf Cornelius Napoleon Smith, der immer noch die toten Pestmaden bei sich hat. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Leider sind Kays Fähigkeiten manchmal nicht mehr zu kontrollieren!

Nele Sickel erzählt in "Kleider machen Leute" ein modernes Märchen über einen Mann, der sich in der Kneipe ein neues Kleidungsstück aufschwatzen lässt, das ihm zwar einen neuen Job einbringt, ihn aber auch von einer Katastrophe in die nächst führt. Und alle kann er nur mit knapper Not überleben.

Jessi Weber schildert in "Die himmlichen Schwestern" wie Schwester Rosalie im Waypoint FiftyNine auftaucht auf der Flucht vor ihren Ordensschwestern. Entgegen ihrem Willen sollte sie auf Wunsch ihres Vaters ins Kloster eintreten. Um das zu verhindern suchte sie Hilfe bei einer wunderlichen alten Frau im Wald. Doch danach wird alles noch viel schlimmer. Gut, dass sie auf einen Kopfgeldjäger trifft, der gerade von seiner Lebensgefährtin verlassen worden ist.

Weiter geht es mit Jacqueline Mayerhofer und "Das Schicksal einer Diebin". Captain Connelrow-rakthon und sein Android Leyxor besuchen die Weltraumbar. Dort erzählt er die Geschichte vom Aufstieg der Diebin Kasga Soma. Nachdem man sie bei einem Raub ertappt hat, wird sie von den Demokratischen Planeten auf eine Mission gegen die Lords geschickt. Sie soll brisante Daten bergen. Als Lohn hat man ihr Straffreiheit zugesichert. Das Ganze entpuppt sich als eine Art Selbstmordmission. Nur durch das Eingreifen von Captain Aerico Hartzer Midraun kann sie den Auftrag erfüllen.

Das Thema Weihnachten greift Wolfgang Schroeder in "Krankheitsvertretung" auf. Ein Bastheaner, der für die Intergalaktische Spielwaren- und Sportgeräte Vereinigung arbeitet, bekommt einen Job auf der Erde. Da ein Kollege aufgrund eines Sportunfalls ausfällt, muss er ihn vertreten. Seine Aufgabe ist es als Santa Claus aufzutreten und die örtliche Jungbrut an Weihnachten zu beschenken. Da die zurückgebliebenen Einheimischen mit Abneigung auf Fremde reagieren, gilt es sich sorgsam zu tarnen. Gar nicht so einfach, wenn man über drei Armpaare verfügt! Ein ganymedscher Zeitverzögerer ermöglicht es innerhalb kurzer Zeit auf der ganzen Erde tätig zu werden. Leider gibt es da ein vorwitziges Kind, das dem Weihnachtsmann auflauert und so gar kein Verständnis für seinen kleinen Katzensnack zwischendurch aufbringt.

Bei Sandra Florean geht es um "Die Vergessenen". Struwelpetra, Pyro-Nina, Geranien-Gerd, Vlad, Kaspar und Konrad verdingen sich als Märchenhelden. Gegen eine stattliche Belohnung sollen sie einen Hamster finden. Das Tierchen befindet sich allerdings in der Hölle.

Alvar Borgan bringt in "Kampfstern Rot-Weiß" Anklänge an Star Wars. Ein alter Mann trifft im Waypoint FiftyNine auf einen Dämon. Der Alte ist aber nicht allein, sondern hat in Mucky einen treuen Begleiter. Dieser sieht aus wie eine Maus mit Biberzähnen und ist ziemlich vorlaut. Dann erzählt der Alte eine Geschichte über den Angriff der Templar auf einen ziemlich wehrlosen Planeten. Dann geht es noch um die schöne Pilotin Mira und den Angriff auf den Kampfstern der Aggressoren.

Veronika Lackerbauer "Von Spookies, Spoylent Green und einer interstellaren Kreuzfahrt" handelt von den Abenteuern eines Kreuzfahrtreisenden. Eberhard Theobald, kurz E.T. lässt sich von seiner Frau Aliena zu einer interstellaren Kreuzfahrt "überreden". Dummerweise sind seine Schwiegermutter und seine Schwägerin samt Familie auch mit an Bord der MS Stargate 3000. Sein Schwager ist nämlich ein "Albernes-Langes-Fell-Alien" (Alfa). Tja, und E.T. hat ein Hobby. Er beschäftigt sich mit Verschwörungstheorien über Menschen, Monster, die angeblich auf der Erde leben...

Nob Shepherd macht uns in "Edelgard" mit dem Privatermittler Jonas Kelabassi bekannt. Im Waypoint FiftyNine wird er von einem Welten-Korrektor angesprochen. Doch das ist erst der Anfang. Ihm wird ein sagenhaftes Zeitreisegerät zugespielt und plötzlich steht er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Dieben, Verbrechern und Geheimdienstlern.

Bei Katja Rocker hält der Titel "Queerdenker" was er verspricht. Zwar geht es vordergründig um Mercis, eine Händlerin, um Einhörner, Nymphen, Pegasi und Drachen. Tatsächlich sind diese Märchenwesen jedoch Stellvertreter für das ganze Spektrum der Queer-Bewegung.

Lukas Wesslowski schildert in "Am Ende kommt das Ende" ein Treffen der besten Kopfgeldjäger. Am Anfang werden nette Anekdoten aus dem Arbeitsleben zum Besten gegeben, doch bald geht es darum, wer hat die meisten Opfer auf dem Gewissen.

Um eine Pauschalabenteuerreise geht es bei Tanja Kummer in "Exkursion 0 8 15". Will verschlägt es auf die Erde, genauer noch Costa Rica. Dort schickt der Reiseveranstalter ihn auf die Suche nach dem Heiligen Gral, pardon dem Heiligen Keks, wie ihm der irgendwie danebenliegende Übersetzer weismachen will.

Eine Reise ans Ende des Universums schildert Renée Engel in "Alles ist relativ". Kapt'n Kelly O'Brian leiht sich ein Raumschiff beim örtlichen Gebrauchtschiffshändler und macht sich auf den Weg. Das Schiff verfügt über "die am weitesten entwickelte und trainierte KI des Universums", was die Sache leichter macht ... oder auch nicht. Und am Ende der Suche erwartet KI und Besatzung eine gehörige Überraschung. Überraschend kommt übrigens auch die Schwangerschaft des Schiffes...

Bei Isabell Hemmrich und "Die Op(era)tion" trifft der findige Ted Bruwer in der Bar auf einen außerirdischen Arzt. Dieser Xhoi Cs'llag ist trübsinnig, weil er einen kleinen Kunstfehler begangen hat. Leider nicht der erste seiner Art, so dass er seinen Job wohl demnächst los wird. Der findige Bruwer schlägt dem reichlich angeheiterten Arzt einen Deal vor.

Florian Krenn hat in "Der Verräter" wieder einen Kopfgeldjäger als Protagonisten. Baba soll im Auftrag der Sternenallianz einen Kristall beschaffen und den Dieb töten. Dieser Mimas Entor fühlt sich als Held. Er will verhindern, dass die Sternenallianz durch eine neue noch mächtigere Waffe ihre Herrschaft zementiert. Im Waypoint FiftyNine will er den Kristall an einen Kontakt übergeben. Dort treffen er und Baba aufeinander. Doch da ist auch noch auch noch Lemara Kilmeister, eine große bullige Frau mit Backenbart und üppiger Oberweite. Was wollen sie und der Veteran Vince von Mimas? Als dann auch noch ein Junggesellenabschied aus dem Feenreich eintrifft, ist das Chaos perfekt.

In die Welt der Wirtschaft führt uns Peter Michael Breuer in "Die Bar am Ende des Regenbogens". Die Firma Universal Merch Enterprises hat mit Problemen zu kämpfen. Aus Sicherheitsgründen findet die Vorstandssitzung deshalb in einem Torpedorohr des Waypoint FiftyNine statt. Weltraumterroristen haben in letzter Zeit verstärkt Anlagen der Firma angegriffen. Wie sich rasch herausstellt, eine kluge Entscheidung, denn auch die Firmenzentrale wird angegriffen. Ein Bericht einer Agentin macht deutlich, dass die Terroristen einen Energiestrahl verwenden, der Menschen ihres Willens beraubt. Die Opfer bringen danach andere und auch sich selbst mit Freuden um. Was steckt dahinter? Hat es etwas mit der neuen überaus erfolgreichen Magic-Unicorn-Reihe zu tun?

Eine wahrhaft schreckliche Katastophe gilt es abzuwenden in Laurence Horn "Schildhalla". Das Bier droht auszugehen. Klar, dass aufrechte Wikinger das nicht so ohne weiteres hinnehmen. Eilends wird eine Expedition mit erfahrenen Recken ausgesandt. In der Portersee soll es Porterwale geben. Doch der Weg dahin steckt voller Hindernisse.

Meine Gedanken
Hui, da hat sich der Leseratten Verlag selbst übertroffen! Was für eine fantastische Romananthologie! Kneipenatmosphäre, jede Menge SF und mehr als eine Prise Fantasy ergeben eine anregende Mischung.

Eine neue Idee, lustige, ironische Storys, Extras wie Biografien und ein tolles Cover von Chris Schlicht. Da passt einfach alles!

Immer neue und ausgefallenere Aliens begegnen Wikingern und Vertretern aus dem Feenreich. Der Alkohol fließt in Strömen!

Überhaupt hat sich der Leseratten Verlag in den letzten Jahren zu d e m Spezialisten für Funtastik entwickelt. Jedes Jahr erscheint mindestens eine entsprechende Anthologie. Und etliche Autoren sind jedes Mal wieder mit von der Partie.

Mir hat der Band jedenfalls sehr viel Freude bereitet!

Waypoint FiftyNineWaypoint FiftyNine
Die schrägste Kneipe der Galaxis
hrsg. v. Günther Kienle und Jörg Fuchs Almeida
Cover: Chris Schlicht
504 Seiten
Euro 20.-
ISBN 978-3-945230-49-7
Leserattenverlag 2020

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