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»Alles außer Mord«: Mehr von Hans Kneifels »Allround Service«

1»Alles außer Mord«
Mehr von Hans Kneifels »Allround Service«

In den sechs geschilderten Fällen des Allround Services erhalten Thirard Reenal und Asger Riveyra die Mehrzahl ihrer Aufträge durch Empfehlung ehemaliger Auftraggeber. Aber natürlich haben sie auch an Werbung gedacht.

Allround Service wirbt für das Spektrum angebotener Dienstleistungen mit den Worten: „Sie denken, wir handeln. Wir machen alles außer Mord.“

Oder mit den Worten Asger Riveyras im Gespräch mit Heward Yaghan:

»Allround Service ist eine kleine, leistungsfähige und sehr teure Agentur. Wir machen alles, gegen Bezahlung. Fast alles, Mord ausgeschlossen. Unser Slogan ist: Sie denken – wir handeln.«

Sehr teuer. Der Tagessatz beträgt zwanzigtausend Quintar pro Tag und Person. Für einen Quintar bekommt man wie im letzten Beitrag beschrieben fünfzig Zigaretten, einen Sechs-Pfund-Laib besten Brotes, ein kleineres Steak oder zwei Taschenbücher; gemessen an heutigen Preisen für Zigaretten oder Steaks wäre ein Quintar wohl etwa fünfzehn Euro wert und Allround Service berechnete seinen Klienten demnach dreihunderttausend Euro am Tag. Pro Person.

Keine Frage, Thirard and Asger sind diesen Preis wert, aber das engt den Kundenstamm doch schon sehr ein, und für so viel Geld muss man auch deutlich mehr tun als den Hund ausführen.

Wesentlich breiter aufgestellt und ebenfalls den Preis wert ist das Unternehmen General Services Co., das Robert Heinlein in seiner Geschichte „- We also walk dogs“ aus dem Jahr 1941 vorstellt. Ein verkopfter Vorschlag für eine Werbekampagne zeigt immerhin das Spektrum der angebotenen Dienstleistungen:


„Können Sie es sich in diesem Zeitalter der Hochgeschwindigkeit noch leisten, weiterhin Zeit damit zu verschwenden, selbst einzukaufen, Rechnungen selbst zu bezahlen und sich um Ihr Wohnzimmer zu kümmern? Wir schlagen das Baby und füttern Ihre Katze. (Kein Witz! Im Original steht da We spank the baby and feed the cat.) Wir vermieten Ihnen ein Haus und kaufen Ihre Schuhe. Wir schreiben Ihrer Schwiegermutter und addieren Ihre Schecks. Kein Auftrag zu groß, kein Auftrag zu klein – und das erstaunlich günstig! P.S.: Wir gehen auch mit Hunden Gassi.“

Eine der Problemlöserinnen des Unternehmens kommt jedoch mit einem anderen Ansatz:

„Wollen Sie jemanden ermorden lassen? Dann rufen Sie General Services NICHT an. Aber für JEDEN anderen Auftrag wählen Sie diese Nummer. Es zahlt sich aus! P.S.: wir gehen auch mit Hunden Gassi.“
General Services beschäftigt ein paar gut bezahlte Spitzenleute, die sich der so noch nie dagewesenen Problemstellungen annehmen und Lösungen entwickeln – nicht etwa in firmeneigenen Laboratorien, sondern indem sie Kontakt aufnehmen zu Personen, die sich mit der speziellen Materie auskennen, und sich dort Rat holen – und außerdem eine Menge ganz normaler Menschen, die einen Riesenhaufen unkomplizierter Probleme nach Anleitungen und Patentrezepten lösen. Die große Anzahl einfacher Dienstleistungen summiert sich dabei, wie eine Angestellte einem künftigen Klienten erklärt:

„Fünf Cent für einmal den Hund ausführen, das ist nicht viel. Aber bei hunderttausend Hunden zweimal am Tag kommt doch schon was zusammen.“

General Services steht in der Tradition der verschwundenen „handymen“, was sich nur unvollkommen übersetzen lässt - „Handlanger“? „Handwerker“? „Alleskönner“? „Mädchen für alles“ trifft es geschlechterübergreifend meiner Ansicht nach am Besten. Ein herausragendes Beispiel dieser Figuren ist wohl P.G. Wodehouses Romanfigur Reginald Jeeves, der Butler von Bertie Wooster, der seinem Dienstherren bei unzähligen Gelegenheiten mit seinen vielseitigen Talenten aus der Patsche hilft.

Heinleins Idee für General Services geht ihrerseits zurück auf Forrest J. Ackerman, der 1941 zusammen mit seinem Freund Ted Emsheimer und dessen Frau im „Futurian War Digest“ #9 erklärte:

»Ich versuche mal eine kleine Idee mit TE und seiner Frau, die vielleicht zu etwas Größerem werden könnte. Es heißt „Assorted Services“, also wenn ihr irgendjemanden kennt, der Abschriften erledigt sehen will oder eine Feier organisiert haben möchte, gerne ein Buch ausgeliehen hätte oder an den Geburtstag der Lieblingstante erinnert werden muss – schickt sie nach Kalifornien und wir kriegen das schon hin.«

Am trying out a little thing with Teddy Emsheimer (our Vomultilither, who also resignd from the Academy, to have more time for his interests, several of which are learning Esperanto & fixing to attend the Denvention. Myt even publish his own fm.)--am trying out a little idea with TE & his wife, which myt turn into a Big Idea (a la Cummings). 'S'Called... Assorted Services, so if U noe anybody who wants some stenciling done or a party pland or to borrow a bk or be reminded when it's their favorite Aunt's birthday-- just send 'em out to Calif & we'll fix 'em up;

Vielleicht wäre Europa heute bereit für ein Dienstleistungsunternehmen von diesem Kaliber?

In den Vereinigten Staaten kennt man einerseits den Tagelöhner-Straßenstrich, an dem illegale Einwanderer ihre Arbeitskraft für Hungerlöhne feilbieten, um zu überleben.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch die sogenannten „Concierge Services“, die zum Beispiel den Mietern einer Immobilie oder auch den Mitarbeitern eines Unternehmens alltägliche Besorgungen und Behördengänge abnehmen, damit die den Rücken frei haben für ihre eigentlichen Tätigkeiten. Und so langsam wird das Angebot auch in Deutschland bekannter und gewinnt an Akzeptanz. Ich reiche an dieser Stelle weiter an einen dieser Dienste.

Terry Pratchett legt dem Meistererfinder seiner Scheibenwelt an einer Stelle die Worte in den Mund: „Ich kann niemanden brauchen, der schon gelernt hat, was nicht getan werden kann.« Womöglich fehlt uns heute also wirklich nur noch die nicht spezialisierte „Denkfabrik“, die unvoreingenommen Lösungswege für Probleme findet oder neue Lösungen anstelle der alten Wege sucht und sie dann zur Umsetzung weiterreicht an diejenigen Spezialisten, die genau das am Besten können.

Und damit schließt sich ein Kreis, denn Thirard Reenal und Asger Riveyra sind zusammen mit Dagny Tamayo eben gut bezahlte Lösungsfinder für alles andere als alltägliche Probleme.

Der Clan der blauen Schlangen

„Der Clan der blauen Schlangen“ (Terra Nova 121, 1970) beginnt als Fall von Weltraumpiraterie. Ein Containerfrachter kommt etwas zu früh an seinem Etappenziel Hastee an, und ein Raumschlepper erscheint in der Umlaufbahn, um einen Container in Empfang zu nehmen. Allerdings kommen diese Leute mit gefälschten Papieren, und als das dem Piloten des Frachters auffällt, wird er mit einer Betäubungswaffe niedergeschossen. Der Schlepper übernimmt den Container und setzt sich auf den Planeten ab, eine Suchaktion bleibt erfolglos.

Der Besitzer des bestohlenen Frachtunternehmens John Winetka Amadee wendet sich an den Allround-Service. Der Container enthält geologisches Spezialwerkzeug – sehr teuer, aber nichts, was sich auf dem Schwarzmarkt leicht absetzen ließe. Aus steuerlichen Gründen hat seine Firma den Container samt Inhalt gekauft und wollte ihn am Zielort an den Empfänger weiterverkaufen. Die Fracht ist zwar versichert, aber das Unternehmen fürchtet nach zwei mit Fracht verloren gegangen Schiffen jetzt des Versicherungsbetruges verdächtigt zu werden. Die Wiederbeschaffung des Containers hat also hohe Priorität und rechtfertigt sogar die Tagessätze von Allround Service. Hastee ist ein Wüstenplanet, dessen Bewohner ein stolzes humanoides Volk ist. Sie hegen keine Zuneigung zu den Menschen von den Sternen; lässt sich eine ihrer Frauen mit einem Außenweltler ein, wird sie von ihrem Stamm ausgestoßen und zum Sterben in die Wüste gejagt. Die Hasteeaner wollen nichts geschenkt und wollen den Fremden nichts schuldig bleiben. Thirard Reenal und Asger Riveyra entwickeln sehr schnell die Arbeitshypothese, dass der Container keineswegs das enthielt, was die Ladepapiere behaupten. Die größte Gewinnspanne ließe sich mit geschmuggelten Waffen erzielen, die bei den Eingeborenen gegen Goldsand oder Edelsteine eingetauscht werden könnten. Die beiden Männer vom Allround Service begeben sich nach Hastee und klopfen erst einmal ausgiebig auf jeden Busch , den sie finden können – und sehr schnell gibt sich jemand große Mühe, sie umzubringen. Ein Außenweltler bietet den Hasteeanern moderne Waffen an und will einen Angriff auf den Raumhafen/Stützpunkt anzetteln, um sich im entstehenden Chaos mit der wertvollen Tauschware aus dem Staub machen zu können. Allround Service beendet diesen kurzlebigen Aufstand noch bevor er beginnen kann und hat danach nicht nur den Auftrag abgeschlossen, sondern auch einen Stein im Brett bei der Raumpolizei.

Invasion der Echsen

„Invasion der Echsen“ (Terra Nova 125, 1970) bringt den Leser zunächst in Asger Riveyras Wohnung, wo ein Eindringling versucht ihn zu töten. Riveyra wird mit ihm fertig und verpasst ihm eine Ladung Betäubungsmittel – der Attentäter ist jedoch für so etwas präpariert worden und stirbt daran, aber nicht ohne eine kryptische Warnung loszuwerden:

»Gehen Sie nicht nach Tai Czarny el Dakshin. Sie werden dort sterben wie ich.«

Im Büro der Agentur erfährt Asger, dass Allround Service einen neuen Klienten bekommen hat. Kepulauan Borges führt ein Transportunternehmen und arbeitet gelegentlich mit John Winetka Amadee zusammen, ohne dass man sich ins Gehege käme. Borges finanziert die Entwicklung eines Materietransmitters und möchte, dass jemand herausfindet, warum die Arbeit seit zwei Monaten keine Fortschritte mehr macht. Geforscht wird auf einer Welt am Rand der Milchstraße mit dem klingenden Namen Tai Czarny el Dakshin, und Borges hat bisher sechs Männer seines Vertrauens dorthin geschickt, die allesamt spurlos verschwanden. Die Raumpolizei will er nicht einschalten, weil diese voraussichtlich erst einmal den Planeten unter Quarantäne stellen würde (was für Borges und Amadee erhabliche finanzielle Verluste mit sich brächte) und die Erfindung des Materietransmitters von der Regierung beschlagnahmt werden könnte. Zwar hat Borges grundsätzlich nichts dagegen, die fertige Materietransmissionstechnologie auch anderen zugänglich zu machen - aber gegen Lizenzgebühren, bitte sehr!

Getarnt als Journalisten machen Asger und Thirard sich auf den Weg an den Rand der Galaxis. Zusammen mit dem Elektronengehirn im Büro haben sie sich ausgerechnet, dass eine heimliche Infiltration durch ein bisher unbekanntes Volk am besten zu den bisherigen Erscheinungen passt. Fremde, die Menschen ähneln oder sich als Menschen maskieren und Schlüsselpersonen des Planeten und der Forschungsanlage ersetzen – und die inzwischen auch Borges' Konzernzentrale unterwandert haben müssen, denn sie wussten von seiner Absicht, den Allround Service zu engagieren. Tatsächlich treffen sie auf Reptiloide, die über eine psibasierte Mimikry verfügen: wer sie direkt ansieht, sieht Menschen, nur am Rand des Sichtfeldes aus den Augenwinkeln scheinen die echten Körper durch – und wenn eine Echse das Bewußtsein verliert, erlischt auch die Tarnung.
Es stellt sich schließlich heraus, dass die Fremden aus der Kleinen Magellanschen Wolke stammen und auf einer Forschungsexpedition zur Milchstraße waren. Ihr Schiff kreuzte gerade zu dem Zeitpunkt die Transmitterteststrecke, als nach Versuchen mit Objekten und Tieren der erste Techniker hindurchging und erwartete, in der Zielstation herauszukommen. Stattdessen erschien er im mit Messgeräten und Sensoren vollgestopften Schiff der Fremden, die dieses Entermanöver aus dem Nichts als aggressiven Akt auffassten – eines ihrer Messinstrumente fungierte als Empfangsstation und ließ sich nach dieser Überraschung auch leicht in einen Sender umbauen. Das große Missverständnis lässt sich klären, die Entwicklung des Materietransmitters kann weitergehen, und die Helden vom Allround Service haben wieder einmal das Unmögliche geschafft. Zum Abschluß kassieren sie ihr Honorar: 624.000 Quintar plus Spesen. Bei dieser Gelegenheit enttarnen sie auch gleich noch Kepuluan Borges' Sekretärin als Echse …

Kommentare  

#1 AARN MUNRO 2022-02-08 08:47
Sehr netter Artikel. Ich habe die beiden Bände auch.Der zweite erwähnte gefällt mir besser.HK ist zwar auch Perryautor, jedoch was soll diese Rubrik hier unter "Perry und wir".Da gehört sie doch eher nicht hin, finde ich.Aber danke für die schöne Erwähnung von Heinleins "Firma.In D-Land heißt sie in der Übersetzung übrigens "Alldienst" und "Alldienst macht alles!" Klaut etwa kleine, teure Porzellanschalen aus Museen (Kopieersetzung, so dass es keiner merkt), damit ein Erfinder die Antischwerkraft erfindet.
Guter Artikel,danke.
PS:Jetzt bitte noch den "Traum der Maschine" und "Die Männer der Raumstation" besprechen und vielleicht "das brennende Labyrinth". ;-)
#2 Harantor 2022-02-08 09:07
Ich finde, manchmal ist ein kleiner Seitenblick auf das was Autoren außerhalb PR macht5en schon ganz interessant und gehört dann auch zu Perry und wir.
#3 Larandil 2022-02-08 09:14
zitiere AARN MUNRO:

PS:Jetzt bitte noch den "Traum der Maschine" und "Die Männer der Raumstation" besprechen und vielleicht "das brennende Labyrinth". ;-)


Ich wäre dir ja gerne behilflich, muss da aber passen. Meine Kneifelsammlung ist weit davon entfernt vollständig zu sein - ich bin schon froh, dass ich den Allround Service nach all den Jahren komplett habe.
#4 AARN MUNRO 2022-02-09 08:00
#3:Larandil: Gut, dann mache ich das mal bei Gelegenheit, da ich die Bücher habe.(Terra-TBs).
#5 Henry Stardreamer 2022-02-09 09:52
Ich weiß nicht, ob es hier bereits erwähnt wurde oder ob das sogar der Anlass für den Artikel ist:
Im Verlag Peter Hopf ist eine Gesamtausgabe der 6 Romane in Vorbereitung. Für alle Kneifelfreunde sind auch die Ausgaben etlicher Einzelromane dieses interessanten Autors in der "Autorenkollektion" im gleichen Verlag sehr zu empfehlen. Ein besonderes Lob verdient die schöne Aufmachung der Titel.

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