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Schweinemäßig nervige Sachen: Rocco Schiavone - Der Kommissar und die Alpen

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSchweinemäßig nervige Sachen
Rocco Schiavone - Der Kommissar und die Alpen

"Der Kommissar und die Alpen“ klingt nach einem dieser Regional-Leicht-Kost-Krimis. Die Rollen sind klar verteilt, aufpassen muss man nicht sonderlich, die Krimihandlung sehr durchsichtig und auf Teufel komm raus werden immer schöne Drohnenbilder von Landschaften gezeigt.
Auch, wenn sie überhaupt nicht passen. Wer „Rocco Schiavone“ gesehen hat, wird auf keinen Fall in das Aosta-Tal in Italien fahren wollen. Urlaub in Italien stellt man sich dann doch irgendwie sonniger vor.

Das Aosta-Tal ist auf jeden Fall sehr malerisch. Allerdings liegt es im Norden und Rocco Schiavone, frisch versetzt, hat noch nicht mal die richtigen Schuhe für Schnee, Eis und Kälte. Abgesehen mal davon, dass der mürrische Vice Questore - Vizepolizeidirektor - vor Ort mit einer Truppe zusammenarbeiten muss, die alles andere als kompetent ist.

Warum er aus Rom versetzt wurde? Weil Rocco einen Vergewaltiger aufspürte und erstmal kräftig verprügelte, bevor er ihn einbuchtete. Deswegen darf er sich im Aosta-Tal mit „schweinemäßig nervigen Sachen“ herumschlagen.

An der Spitze der von ihm erstellten Liste, sie beginnt bei Stufe 6 übrigens: Mord. Dass Rocco dann auch noch an seiner Vergangenheit leidet, seine Frau wurde von einem Mitglied eines Kokain-Kartells umgebracht vor seinen Augen, macht ihn nicht gerade zum besten Menschenfreund aller Zeiten.

Wer jetzt wiederum einwenden möchte: Das ist ja eine dieser Grundprämissen, von denen das Kriminalgenre nur so wimmelt - ja. Stimmt. Genauer in diesem Fall: Der Kriminalroman, denn die Serie basiert auf einer recht erfolgreichen Krimireihe. Aber es ist ja immer spannend zu sehen, was aus einer Grundprämisse gemacht wird.

Und ja, natürlich gibt es den Fall der Woche und natürlich gibt es auch eine durchgehende Handlung, die in er aktuellen fünften Staffel auch ihr  - vorläufiges? - Ende findet. Diese beschäftigt sich mit dem Mord an Roccos Frau und den Hintermännern. Dass Roccos Freunde allesamt auf der falschen Seite des Gesetzes stehen, Rocco es auch nicht unbedingt so genau mit dem Gesetz nimmt: Auch das natürlich eine eher typische Krimizutat.

Die Faszination von „Rocco Schiavone“ liegt darin begründet, dass es keine Helden gibt. Rocco ist das eh nicht, aber sein Kolleg*innen ebensowenig. Eine Gruppe von Verlierern, die Morde aufklären und im Lauf der fünf Staffeln auch keine Helden werden. Im Gegenteil: Gerade Italo, Roccos Vertrauter, wird sich irgendwann die Frage stellen, ob es nicht besser wäre die Uniform auszuziehen.

Dann wäre da noch die Polizistin Caterina Rispoli, in die sich Rocco in der ersten Staffel verliebt. Dass das nicht von Dauer ist … das hat Gründe. Ebenso wie das Auftauchen von Marina, Roccos verstorbener Ehefrau, die als Halluzination Rocco Ratschläge gibt.

Die Niedergeschlagenheit Roccos spiegelt sich im Look der Serie durchaus wieder. Allenfalls in Roccos Erinnerungen wird es hell, ansonsten liegt ein trüber, grauer Schleier über dem Ganzen. Selbst, wenn es auf den Mont-Blanc hinausgeht ist der Sonnenschein nicht von Dauer.

Das lädt nicht gerade wie im typischen Regional-Krimi zu einem Aufenthalt im Aosta-Tal ein. Soll es auch gar nicht. Dabei sind die Drohnen-Aufnahmen so, wie Drohnen-Aufnahmen nun mal sind, aber sie werden immer nur dann eingesetzt, wenn es wirklich, wirklich notwendig ist. Ansonsten überrascht die Inszenierung mit Ideen.

Bei einem Mordfall verfolgen wir als Zuschauende eine Maus, die in eine Wohnung trippelt und deren blutige Fussspuren dann die Handlung in Gang setzen. Das hat was. Ebenso, wie auch geschickt mit Schuss und Gegenschuss gearbeitet wird. Ja, sicherlich: Es ist halt nicht alles innovativ.

Allerdings: Wenn eine Leiche auf dem Mont Blanc zuerst von der französischen auf die italienische und dann wieder zurück auf die französische Seite gebracht wird … Das hat auch was.

Warum die ARD die Serie mit „Der Kommissar und die Alpen“ betiteln musste, wenn die Alpen auch nicht so die Rolle spielen … Ob es die aktuelle fünfte Staffel ins Free-TV schafft, auch das ist so eine Frage.

Momentan sind Staffel 1 bis 4 auf Amazon Prime, Staffel 5 dagegen nur auf Disney+ zu finden. Es mag sein, dass wir demnächst bei ZDFNeo, wo Krimiserien sehr gerne sehr oft wiederholt werden, die Serie in Gänze im Free-TV genießen können. Wenn nicht, wäre das eine schweinemäßig nervige Sache der Stufe 10.

© by Christian Spliess (10/2023)

Kommentare  

#1 Postman 2023-10-20 12:59
Ich lese gerade den 2. Teil der Romane.
Wirklich sehr interessant der Charakter und in den Büchern ist auch alles trostlos, welches aber gerade das interessante daran ist.

Nur die Serie kenne ich noch nicht.
Bin gespannt.

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