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Tolkien und Ich: Das Wiederlesen des Herrn der Ringe

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneTolkien und Ich
Das Wiederlesen des Herrn der Ringe

Im wahrsten Sinne des Wortes eines schwere Bettlektüre, dieses Buch. Es ist überhaupt ein Wunder, dass vom „Herrn der Ringe“ im Original eine Taschenbuchausgabe existiert. Doch sie existiert, befindet sich in meinem Bücherschrank und ich hole sie gelegentlich raus, weil ich ab und an etwas Nostalgie verspüre. Nach einer Welt, in der es vor Helden nur so wimmelt, uralte Prophezeiungen in Erfüllung gehen, das Böse richtig böse ist und das saftige Gras noch saftig ist.

Allerdings habe ich so meine Gewohnheiten, wenn ich den Herrn der Ringe lese. Schließlich lese ich den nicht zum ersten Mal. Das hat Vorteile.

Aber zuerst muss ich mich immer wieder am Riemen reißen, wenn ich Dialoge lese. Dass so, wie Tolkien die geschrieben hat, vermutlich kein normaler Mensch reden würde, das ist schon klar. Normale Menschen sind es ja auch nicht, die Tolkien hier zeichnet - es sind Helden und Heldinnen. Beim Nibelungenlied sind die Dialoge ja auch nicht gerade lebensecht. Also: Da muss ich mich halt beim Wiederlesen dran gewöhnen. Wenn das nur nicht immer so ausufernd wäre … Tolkien lässt seine Figuren manchmal auch dann noch reden, wenn es eigentlich keinen Bedarf mehr dazu gibt. Mir geht dazu die Szene durch den Kopf, in der Aragon nach Athelas fragt, um im Haus der Heilung Faramir und Konsorten zu helfen. Die Szene wäre wesentlich prägnanter und kürzer, wenn das Hin- und Her zwischen Aragorn und der Heilerin nicht wäre. Mir ist egal, wie die Pflanze in irgendeiner Sprache heißt und es mag ja durchaus atmosphäriisch nett sein, dass eine Nebenfigur als alte, etwas tüddelige Frau beschrieben wird … Aber an dieser Stelle hätte Tolkien durchaus das Ganze kürzen können. Hat er leider nicht. Aber ich kann ja überspringen.

Ich überspringe auch die ersten Kapitel im Auenland. Nichts gegen Hobbits. Mir ist auch klar, dass man diese Idylle zu Beginn braucht, weil am Ende des Romans diese Idylle zerstört wird. Man kann Tolkien durchaus einen Hang zur Technikfeindlichkeit unterstellen. Aber einmal sich durch die Geburtstagsfeier durcharbeiten, die Vorgeschichte nochmal gerafft erzählt zu bekommen - das reicht ja eigentlich. Es gibt halt diesen Ring, der die Handlung in Gang setzt und deswegen ziehen Frodo und Gandalf los. So ist das.

Immer, wenn ich die Actionszenen komme bleibt nach dem Lesen so ein schwammiges Bild im Kopf. Tolkien beschreibt Schlachten nicht durch die einzelnen Aktionen der Helden. Es gibt keine Beschreibung von Attacken und Paraden, eine ausführliche Darstellung fehlt da einfach. Sicherlich werden einige Szenen mal genauer beschreiben, Theodens Tod zum Beispiel. Aber selbst hier bleibt es verhältnismäßig unpräzise. Es ist als würde ich Jemanden bei einer Partie „Risiko“ zusehen. Da bewegen sich Armeen auf einem Feld hin und her, am Ende des Tages gewinnt man oder auch nicht. Das alles ist sehr distanziert. Gerne schildert Tolkien blitzende Speere, blanke Schilde oder heroische Banner. Aber wenn man mich fragt, wie die Schlacht bei Helms Klamm jetzt abläuft … Also … außer, dass Legolas und Gimli irgendwelche Orks abschlachten - was auch nicht geschildert wird - habe ich da nicht so den Überblick.

Was mir beim Wieder-Lesen immer unangenehm auffällt: Warum sind die Feinde eigentlich dunkelhäutig? Die Männer aus dem Süden sind eher dunkler, die Orks werden ja komplett als „schwarz“ bezeichnet und beschrieben. Das wirft bei mir immer die Frage auf: Hat Tolkien hier nur übertrieben, um das Böse noch böser darzustellen? Dass das Böse traditionsgemäß Dunkel und Finster ist - keine Frage. Aber diese Gegenüberstellung der hehren, hellen, weißhäutigen - mit sehr heller Haarfarbe bedachten - Elben gegenüber den Orks kann durchaus auch anders gelesen werden. Abgesehen davon: Tolkien mochte halt die Industrie nicht sonderlich. Das jedenfalls ist durchaus nicht umstritten, man sehe sich sich seine Schilderungen gegen Ende des Romans an, als die Industrialisierung Einzug ins Auenland hält. Waffen und Industrie werden ja vom bösen Saruman ins Auenland gebracht und sie sind den Hobbits nicht eigen. Deswegen blättere ich über diese Stellen auch immer hinweg.

Oh, Landschaften! Ja, Landschaften! Man könnte den „Herrn der Ringe“ mitnehmen und würde bestimmt in einem Urlaub in Mittelerde damit wunderbar zurecht kommen. Diese Landschaften! Diese Berge! Diese sehr - detaillierten - seitenlangen - Beschreibungen - von - Landschaften! Das wird mir immer als „Tolkien wollte halt so präzise atmosphärisch wie möglich sein“ verkauft. Außerdem würde ich doch eh meckern, wenn es halt wie im Vorgängerbuch nur skizzenhafte Darstellungen gäbe, oder? Landschaftsbeschreibungen sind durchaus notwendig. Vor allem für erfundene Kontinente. Manchmal aber reißt es Tolkien halt hin und er beschreibt dann seitenlang Landschaften. Überblättern hilft da.

Alles in Allem: Der „Herr der Ringe“ ist halt nicht ohne Schwächen. Natürlich wollte Tolkien ein Werk schaffen, dass gleichberechtigt neben den Sagen und Sagas, den Legenden und Nibelungenliedern bestehen konnte. Dazu gehört halt, dass die Protagonist*innen dem normalen Alltag entrückt sind, heroische Taten vollbringen und übermenschlich wirken und agieren. Deswegen sind die Elben halt schön und wunderbar, die Zwerge sind halt klein und grummelig, Aragorn als Nachfolger von Elendil ein König in Verkleidung - mehr oder weniger - und Galadriel ist huldreich und mächtig. Mittelalterliche Stoffe sind da auch nicht weniger erhaben als der Herr der Ringe. Teilweise auch genauso langweilig. „Tristan und Isolde“? Och, nee. Und glücklicherweise kann man ja Stellen überschlagen, wenn man sie kennt. 

Kommentare  

#1 AARN MUNRO 2023-03-24 08:46
Liest Du das Original auf Englisch oder eine der deutschen Klett-Übersetzungen?
Die zweite ist richtig schlecht.

Das Buch ist übrigens viel zu kurz.
#2 Des Romero 2023-03-28 18:42
Ich glaube, lieber Christian, Du hast überhaupt nicht verstanden, worum es beim Herrn der Ringe geht.
Und Tolkiens geradezu ausufernde Symbolik hast Du völlig außer Acht gelassen.
Vielleicht ist das einfach kein Werk für Dich. Gerade, wenn Du bemängelst, dass Dir die "Action" fehlt.
#3 AARN MUNRO 2023-03-29 08:46
Die Auenlandgeschichte zum Schluss ist eigentlich auch überflüssig und wirkt für mich künstlich 'rangehängt.Man hätte den Roman auch vorher enden lassen können.Aber Tolkien wollte eben noch mal ein Statement abgeben und die Geschichte ruhig ausklingen lassen mit den Anfurten und ohne allzuviel offene Fäden.

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