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Journalismus und KI: Setzt sich menschliche Qualität durch?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneJournalismus und KI
Setzt sich menschliche Qualität durch?

Die Stimmung beim Journalistischen Barcamp vor kurzem war angesichts von ChatGPT und anderen KI’s nicht annähernd getrübt. Was merkwürdig erscheint, denn ChatGPT und andere Dienste könnten durchaus der Tod des Journalismusses sein. Jedenfalls was Standardtexte anbelangt. Mir ist niemand im Bekanntenkreis bekannt, der die Texte fürs Wetter, für die Börsenspalte selbst per Hand verfassen würde.

Dass die meistens von irgendwelchen Agenturen geliefert werden oder vom DWW, ja, klar. Aber irgendjemand muss ja die ursprünglichen Texte verfassen. Das können Programm wie ChatGPT halt viel besser. Abgesehen davon, dass ChatGPT sich auch gut für Zusammenfassungen eignet. Und wenn man sich anschaut, was noch so alles möglich ist - ist da nicht ein Menetekel angesagt?

Bisher verstehen Journalist*innen KI*s als nützliche Hilfsmittel, die aber doch die eigentliche menschliche Arbeit nicht ersetzen können. Sie seien maximal eine gute Hilfe, sie sind Werkzeuge. Mehr nicht. Die menschliche Qualität der Texte wird sich sicherlich angesichts der Schwemme von KI-generierten Texten, die da vielleicht kommen wird oder auch nicht, dann von alleine durchsetzen. Denn Menschen schätzen doch eher die Qualität. Und man spüre doch, ob da ein Mensch den Text verfasst habe oder nicht. Ehrlich gestanden: Da wäre ich mir nicht mehr so sicher.

Klar: Die KI kann nur ein Modell nachahmen. Würdet sie mit genügend Spiegel-Reportagen gefüttert, würde es nicht lange dauern bis sie selbst in der Lage ist eine solche Reportage zu erstellen. Das Ergebnis wäre vielleicht unbeholfen, sprachlich vielleicht nicht so stilistisch ausgefeilt. Doch Modelle sind Modelle. Die KI lernt, dass eine Spiegel-Reportage auf eine gewisse Art und Weise anfängt und endet. Und: Sie hört nicht auf zu lernen. Das ist des Pudels Kern, der bisher gern übersehen wird. Ja, bisher sind die Ergebnisse der künstlichen Intelligenzen im Bereich der Kunst manchmal gruselig, seltsam, strange. Sind mit KI erstellte Personenbilder einer Party - natürlich gibt es die schon - immer noch auf eine gewisse Art und Weise künstlich. Abgesehen davon: Die KI nimmt immer noch an, man würde Photoapparate mit sich herumschleppen. Altmodisch ist sie ja. Lernfähig aber auch.

Bisher bedroht die KI nur Schreibarbeiten, die im Routine-Bereich angesiedelt sind. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es noch Leute gibt, die irgendwelche Produkt-Texte für Kataloge schreiben. Also abgesehen von der „Perfekten Hausfrau“, deren Artikelbeschreibungstexte sind gewiss ein Anzeichen für menschliches Einwirken. Bisher gibt es aber noch ein Segment - auch im Journalismus - bei dem Routine-Texte für Dinge benötigt werden. Nicht Jede*r schreibt schließlich die große Enthüllungsreportage im überregionalen Medium. Das Schreiben von Texten über Kaninchen- und Taubenzüchter scheint auch schon Vergangenheit zu sein. Aber für die 3. oder 2. Liga im Fussball, für die Handball-Liga, für andere lokale Sportarten - dafür schreiben Journalist*innen immer noch Texte. Wobei - ohne, dass wir als Lesende das bemerkt haben: Sie lassen solche Texte schon längst schreiben. ChatGPT ist nicht das erste und auch nicht das einzige Programm, dass Texte kreieren kann. Es ist halt nur für mehr Leute zugänglich. Wir sehen zudem auch bisher das, was bisher eher in der Zukunft verankert war.

Eine Zukunft, in der eine ständig sich selbst lehrende KI dann in der Lage ist, auf Knopfdruck jeden beiiebigen Text zu schreiben. Ob Goethe-Interpretation, wissenschaftlicher Fachaufsatz oder mathematische Forschungsarbeit. Alles ist möglich, vorausgesetzt man legt der KI keine Zügel an. Indem man andere Programme nutzt, die rasch künstliche Texte erkennen werden. Oder man setzt den KI-Programmen gewisse Grenzen - momentan gilt das für ChatGPT, das Wissen dieser KI endet im und mit dem Jahr 2022. Was allerdings jetzt nicht ausschließt, dass findige Menschen nicht doch wieder einen Weg finden werden zu schummeln. Wenn der Mensch was kann, dann Regeln umgehen und Schlupflöcher finden.

Also alles nicht so schlimm im Bereich des Journalismusses? Werden wir weiterhin Artikel aus Edelfedern bekommen? Oder werde ich mich demnächst zurücklehnen und die KI eine Kolumne schreiben lassen und nur noch Dinge korrigieren und spezifizieren? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es uns so ähnlich ergeht wie den Kutschern, als die ersten Autos auf den Markt kamen. Da rannten noch Leute mit Fahnen vor den Autos rum, um Fussgänger zu warnen. Die waren kaum schneller als die Fahrzeuge selber. Die Reichweite der ersten Aktmodelle war nun auch nicht so, dass man bundesweit hätte damit eine Strecke zurücklegen können. Und dann wurden die Motoren immer besser. Die Bequemlichkeit und Nützlichkeit überwog gegen über dem Ruckeln der Kutschen. Pferde brauchte man auch nicht mehr zu halten und zu füttern … Irgendwann waren Kutschfahrten nur noch etwas für Touristen oder Leute, die unbedingt romantisch heiraten wollten.

Dass es heute schon Leute gibt, die Zeitungen nostalgisch verklären, sollte zu denken geben. Dass der Journalismus sich selbst abschafft ist nun auch nicht zu befürchten. Aber wir sehen momentan nur den Anfang der Entwicklung. Wir sehen, wie KI’s künstliche Bilder malen. Wir erleben, wie unsere Avatare von der KI gestaltet werden. Wir staunen, wie schnell die KI einen Text zaubern kann. Wir sind verblüfft darüber, wo KI zum Einsatz kommen könnte. Wir sind weit entfernt von Gibsons „Idoru“ - obwohl es natürlich künstlich erstellte Modelle schon länger gibt. Diese denken und agieren aber noch nicht selbstständig sondern nur nach Programmen. Aber wir sind schon etwas näher an Wintermute herangerückt. Und ja, dass sollte Journalist*innen schon zu denken geben. Wobei Gibson glaube ich die Frage nach dem Journalismus in den Zeiten des Cyberpunks eher vernachlässigt hat. Aber vielleicht trügt mich mein Gedächtnis da auch. 

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