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Komm, wir werden digital!

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneKomm, wir werden digital!

Eine Verwaltung hat letztens beschlossen, dass man in Zukunft alles nur noch digital machen möchte. Damit werden unnötige Versandkosten vermeiden, Bäume geschont, das Klima sowieso. Beim Klima habe ich da so meine Bedenken, denn irgendwie müssen ja digitale Dateien auch angezeigt werden und bekanntermaßen braucht man dazu Strom.

Aber alles soll schöner, besser und vor allem so viel netter werden.

In Zukunft wird man halt keine Papiere mehr abgeben müssen, Stundenzettel sendet man per Mail und zurück und Protokolle und Notizen können total schön in der eigenen sicheren Cloud abgelegt werden, damit dann auch alle Zugriff darauf haben. Hach, schöne neue Zukunftswelt. Home-Office, wir kommen!

Ernüchterung tritt dann ein, wenn die Verwaltung feststellt: Es gibt Leute, die zwar Internet haben, die aber froh sind, wenn gerade mal das Abrufen der eigenen Mails flott vonstatten geht - da kann man zwar große Dateien in der Cloud abgelegt haben, aber es dauert halt bis die auf dem eigenen Rechner sind. Gut, die können dann halt kein Home-Office machen. Abgesehen davon: Hat die Verwaltung an einen VPN-Tunnel gedacht? Oder daran, die Mitarbeitenden daran zu erinnern, dass man ja auch auf den eigenen Geräten den Virenschutz installieren und erneuern sollte? Na ja, immerhin: Bäume werden geschont.

Die Bäume werden ohnehin zerstört. Unterlagen druckt man sich als ordentlicher Deusche*r immer aus. Man muss ja schließlich seine Anmerkungen machen. Nicht jeder hat so ein schickes Tablett mit Stift, dass das digital erlaubt. Von einer weitergehenden Initiative, die jedem Mitarbeitenden ein eigene Tablett mit Stift ermöglicht, davon hört man auch relativ wenig. im Endeffekt werden die Drucker weiterhin beschäftigt werden, weil man Dinge lieber analog als digital liest. Und bearbeitet. Papiergeraschel im Meeting ja auch eindrucksvoller als das ständige Fummeln am Tablett. Obwohl - man könnte ja seinen Candy-Crush-Rekord einstellen, wenn man gerade mal in einem Meeting nicht gerade sooo beschäftigt ist. Nur nicht die Lautstärke zu hoch drehen!

Natürlich kann man digitale Dateien auch unterschreiben! Oder signieren! Verstehe nur einer, wie das Ganze funktionieren soll. In der IT-Schulung klang das so einfach! Menü X aufrufen, scrollen, Option Y anklicken, dann ein Häckchen setzen und dann kann man das direkt an die Emailadresse der Wahl schicken. Wunderbar. Im Alltag ist das eher: Hmm, da sollte so eine Option sein, sie ist aber nicht da. Gab es da ein Update der Software? Vielleicht hat man sich das auch falsch notiert, welches Menü könnte es wohl sein … Ach, die Option ist eigentlich nur vorhanden, wenn man Administrator ist. So, so. Schön für die Herren Administratoren, die den Zugriff natürlich restriktiv handhaben werden. Soll ja nicht jeder im System herumwerkeln können. Also schön, Dokument ausdrucken, unterschreiben, wieder einscannen, per Mail schicken. Die angeblich so wunderbaren digitalen Stundennachweise … haben manchmal die Eigenschaft, dass die Excel-Formeln für die Gesamtstunden nicht die Überträge aus den vorherigen Monaten übernehmen. Oder es sind auf einmal zu viele Überstunden. Oder zu wenig Stunden, obwohl man normal gearbeitet hat. Die Telefonate mit der Personalabteilung darüber nehmen auch schon wieder etliche Stunden ein. (Selbst erlebt übrigens.)

Das schönste auf der Welt ist ja die Cloud. Wir lieben die Cloud. Die Cloud macht alles einfacher. Solange die von der Cloud erzeugten Links funktionieren, die auf die eigentliche Datei zum Downloaden führen sollen. Solange man auch überhaupt Zugang zur Cloud bekommt, weil die Firma irgendein merkwürdiges Open-Source-Programm verwendet - aus Überzeugung natürlich, Open-Source ist ja immer besser. Die Bedienung dieses Systems fühlt sich an wie das Anfahren eines Berges an einem Wintertag ohne Winterreifen und außer dem ersten Gang bekommt man keine weiteren rein. Alles ist hakelig und usselig. Abgesehen davon: In welchem Ordner oder Unterordner des Unterordners liegt dieses Dokument denn jetzt? Anmerkungen gehen nicht, weil niemand daran gedacht hat, dass man welche können wollte - aber es wird extra noch betont, wie schön das wäre, wenn jeder mal dazu schriebe - und die Option ist nicht freigegeben. Und wehe, man hat ein Dokument mal aus Versehen woanders abgelegt. Viel Spaß beim Durchsuchen der Ordnerstruktur - das kann schon mal etwas länger dauern.

Manchmal kann man echt nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Das, was gut gemeint war, ist schlecht gemacht. Geht allen auf die Nerven. Kostet mehr Zeit als das, was man davor gemacht hat. Nichts gegen Digitalisierung, aber wenn es letzten Endes nur darauf hinausläuft, dass man die Mitarbeitenden mit Druckkosten überhäuft, ein Flow aufgrund der Hakeligkeit von manchen Systemen - Lotus Notes, brrrr - sich nicht einstellen wird … dann kann man das auch gleich sein lassen. Oder vorher mal vernünftig überlegen, was man digital verändern kann und was nicht. Sollte Standard sein? Schaut euch mal einige der sogenannten Smart-Cities und deren Schnittstellen mit den digitalen Bewohner*innen an. Ab und an muss ich mich da auch einfach mal hinlegen gehen, weil … AUA, SCHWESTER, HIRN TUT WEH.

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