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Der Tod kam mit freundlicher Sorge: Piers Anthonys „Reiter auf dem schwarzem Pferd“

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDer Tod kam mit freundlicher Sorge
Piers Anthonys »Reiter auf dem schwarzem Pferd«

Das Werk von Piers Anthony ist im Verschwinden begriffen. Sicherlich finden sich in den Antiquariaten noch jede Menge Xanth-Ausgaben in der alten Übersetzung - die neueren Romane schafften es bisher aber nicht nach Deutschland. Auch was jenseits von Xanth von Piers Anthony erschaffen wurde ist nicht mehr aktuell in den Buchläden zu finden. Dabei waren die Romane - ob Xanth oder nicht - für Bastei-Lübbe eigentlich immer eine feste Bank.

In meiner Jugend gab es ganze Regale nur mit Xanth-Büchern und daneben auch im üblichen Bastei-Lübbe-Format - blauer Rücken, weiße Schrift - seine anderen Werke. Dazu gehören auch die fünf Bücher der „Inkarnationen der Unsterblichkeit“. Und dazu gehört natürlich auch „Reiter auf dem schwarzem Pferd“.

Vielleicht etwas Grundsätzliches zu den Büchern: Erstens - es sind nicht nur fünf, aber es sind nur fünf in Deutschland erschienen. Zweitens - es geht um Natur, Tod, Schicksal, Zeit und Krieg, die in den Romanen das Paradox der sterblichen Unsterblichen einnehmen. Um es mit Chronos Worten aus „Reiter aus dem schwarzem Pferd“ zu beschreiben: Es gibt die Rolle, es gibt aber auch einen Menschen, der diese Rolle ausfüllt. Heutzutage ist das ja kein innovativer Gedanke mehr, aber es gibt doch noch Einiges, was wirklich einzigartig an diesen Romanen ist. Drittens - letzten Endes geht es immer gegen Satan. Denn natürlich gibt es Gott und Satan auch in Persona, aber beide haben eigentlich einen Nichteinmischungspakt unterschrieben, damit die Menschen aus freiem Willen wählen können. Dass Satan betrügt, ist wohl ausgemacht. Alle Romane drehen sich letzten Endes darum Satan den Sieg zu vermiesen. Mal mehr, mal weniger kompliziert. im Falle von Chronos führt das z.B. dazu, dass die Menschen eine Zeitlang rückwärts leben … und im Fall des Todes, dass der schon mal streikt. Viertens - es gibt Technik und Magie. Gott hat den Kosmos in sieben Tagen erschaffen und Satan sorgte für die Evolution. Dass also Drachen, Greifen und Einhörner durch die Gegend galoppieren wundert hier keinen. Genauso wenig wie Computer für die Beschwörung von wichtigen Höllendämonen benutzt werden.

Dass es natürlich auch immer eine Heldenreise ist - nun, ja. Am Deutlichsten sieht man das bei „Reiter auf dem schwarzen Pferd“, der 1986 zum ersten Mal erschien und ein Jahr darauf sogar noch eine zweite Auflage erhielt. Natürlich: Xanth ist eben Xanth, manchmal witzig, manchmal ernst, manchmal auch durchgehend bescheuert. Wenn man diesen Maßstab als Fan an die Inkarnationen anlegt, wird man sicherlich enttäuscht sein. Witzig sind die in der Regel nicht, bescheuert auch nicht. Die Inkarnationen der Unsterblichkeit befassen sich einerseits mit dem Schicksal des Sterblichen, der gerade das Amt erlangt hat - eine klassische Fisch-aus-dem-Wasser-Geschichte also - andererseits sind sie auch eine Meditation über die jeweilige Inkarnation selbst. Das kann Eins auf den Senkel gehen, denn Piers Anthony liebt Dialoge. Oder eher Monologe. Im „Reiter“ findet man ein ganzes Kapitel, in dem der Krieg Zane als Tod erklärt, warum der Krieg notwendig ist. Dazwischen werden zwar Menschen niedergeschlachtet, aber das passiert nur nebenbei, bevor es dann wieder ins Gespräch geht.

Zu Beginn jedenfalls ist da Zane, der in Kilvarough lebt - das in Amerika, weil irgendein Millionäre auf die Idee kam, die Stadt von Irland über den Teich zu befördern. Gut, das ist eine bescheuerte Idee, aber sie ist nicht wichtig für die Handlung. Eher schon, dass man mit Molly Malone einen Geist - Geistin? Gespenstin? - gleich mitimportiert hat. Zane trifft dabei auf Molly Malone ohne zu wissen, dass er damit zum Tod verteilt ist. Jeder, der sie sieht, muss innerhalb kurzer Zeit sterben. Was für Zane allerdings eher die Lösung für all seine Probleme Ist: Abgesehen davon, dass er seine Mutter umgebracht hat, hat er einen Haufen von Schulden angehäuft und ist kurz davor, seine Wohnung zu verlieren. Also setzt er sich eine Pistole an den Kopf und sieht - den Tod! Was ihn dermaßen durcheinanderbringt, dass er den Tod erschießt. Wenige Sekunden später ist das Schicksal in Person anwesend und erläutert dem verdutztem Zane: Herzlichen Glückwunsch, du bist der neue Tod.

Um das Universum der Inkarnationen zu entdecken, ist „Reiter“ tatsächlich der beste Roman. Nach und nach werden die Lesenden in den Kosmos eingeführt, bekommen erläutert, dass die Erbsünde hier noch gilt; wie das System Himmel, Hölle und Fegefeuer funktioniert; dass der Tod nur dann kommt, wenn eine Seele im Gleichgewicht ist. Daneben gibt es aber auch noch die Geschichte um Luna Kaftan, Tochter eines mächtigen Magiers, die in zwanzig Jahren beim Kampf gegen Satan eine Rolle spielen wird. Falls sie nicht vorher stirbt. Also sie wird vorher sterben. Verstehen muss man das auf Anhieb nicht, die Lösung dafür soll aber nicht verraten werden. Aber sie ist einigermaßen geschickt gelöst. Wobei man natürlich auch sich fragen kann, ob einige Passagen im Roman wirklich notwendig sind.

Etwa, wenn Zane einem Grubenarbeiter ein Märchen erzählt - das sind dann schon so zweieinhalb Seiten über Wale und Menschen und die Beziehungssysteme. Die Episode mit dem Atheisten hinterlässt auch eher mehr Fragen als Antworten. Geschieht in diesem System also Jeder*m nach seinem Glauben? Eine Frage, die später in einem anderen Band aufgegriffen wird, als ein indischer Prinz zur Inkarnation des Krieges wird. Piers hält da doch sehr an dem westlichem Weltbild fest. Amüsanter dagegen die Prüfungen, die Zane ablegen muss um zur Natur zu kommen, hier lugt ein wenig der gute Magier Humphrey von Xanth mit seinen Prüfungen durch. 

Alles in allem kann man „Reiter auf dem schwarzen Pferd“ auf zwei Ebenen lesen: Zum Einen ist es die typische Heldengeschichte, dann derem Ende der Held die holde Maid erhält und sich alles zum Guten wendet. Zum Anderen aber kann man den Roman auch als philosophische Abhandlung betrachten. Angesichts der Fragen, die Zane sich selbst stellt, durchaus. Warum sterben Leute an den einfachsten Ursachen? Gibt es einen Sinn hinter dem System? Wenn ein Atheist sich dem System entziehen kann, kann das dann ein Agnostiker auch? Wann tuen wir Menschen eigentlich das wahre Gute? Und schreibt sich Schuld wirklich durch Generationen fort? Das sind Fragen, die Anthony nur zum Teil erläutert. So stellt sich Zane die Frage, ob hinter dem System nicht noch ein System steckt, denn schließlich kann das Schicksal ja nicht immer genau wissen, wann der Tod seine freien Tage nimmt. Oder ist das auch vorherbestimmt? Und kann Zane letzten Endes nicht anders handeln, als er handelt? Ist also sein Aufbäumen gegen das System schon im System selbst vorgesehen? Gute Frage. Nächste Frage.

„Reiter auf dem schwarzem Pferd“ jedenfalls zeigt, dass Piers Anthony eben nicht nur ein Ein-Trick-Pony ist, sondern dass er auch neben Xanth durchaus etwas zu sagen hat. Schade eigentlich, dass die Romane bisher nicht neu aufgelegt wurden, wobei Piers Anthony auch die Reihe noch ergänzt hat - teilweise wohl im Selbstverlag, was es schwierig macht an alle Bände im Original zu kommen. Wie das momentan für die deutschen Ausgaben aussieht - gute Frage. Bastei hat wohl die Lizenz nicht mehr inne und offenbar scheuen andere Verlage momentan das Risiko. Dabei ist die Inspiration für die Serie „Dead Like Me“ ja dann doch etwas, was man kennen sollte. Zumindestens dann als Fan der Fernsehserie.

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