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Legion: Zwischen Traum, Wirklichkeit und Astralebene

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Legion«
Zwischen Traum, Wirklichkeit und Astralebene

Als Disney noch nicht fast alles aufgekauft hatte, was bei Drei nicht auf den Bäumen war gab es FOX. Bei Serienfans nicht so ganz beliebt, weil FOX dazu tendierte Serien kurzfristig abzusetzen - Family Guy, Firefly - und sie wieder kurzfristig ins Programm zu nehmen - leider nicht Firefly, aber Family Guy.

Immerhin besaß FOX damals die Lizenz von Marvels X-Men.

Nachdem es drei gute Filme gab, verästelte sich das Filmuniversum dermaßen, dass man auch als Fan nicht unbedingt mehr mitbekam, warum eigentlich die Zeitlinie erneut gestartet wurde. Der Schwanengesang war leider auch nicht unbedingt gut. Vielleicht traut sich Disney als Erbe von FOX deswegen nicht unbedingt an die Lizenz heran. Auf dem FOX Network allerdings ging man mit der Lizenz einen komplett anderen Weg. Nicht nur anders, weil der Stoff zwar aus dem X-Men-Universum stammt aber kaum bekannt ist, sondern auch weil FOX tatsächlich eine Serie startete. Legion.

Der Versuch die Handlung von Legion auch nur annähernd nachzuerzählen kann eigentlich nur schiefgehen. Deswegen nur soviel: ist David Haller schizophren oder ist er der mächtigste Mutant des Universums? Sind seine Erinnerungen an das Leben mit seinen Adoptiveltern wirklich wahr oder erfunden? Was will diese Division 3 von ihm? Und warum scheut seine Freundin eigentlich jeden Hautkontakt? Und wer ist der Teufel mit den grünen Augen? Abgesehen davon haben wir noch eine Astralebene, sind buchstäblich von Wahnideen besessen und Androiden mit Bart und Brüsten kommen auch noch vor. Zeitreisen habe ich schon erwähnt? Nach drei kurzen Staffeln - die Folgen dauern ungefähr um die 45 Minuten, gefreut hat mich persönlich, dass es tatsächlich einen richtigen Pilotfilm gibt - ist die Serie tatsächlich auserzählt und es kommt alles zu einem befriedigendem Ende. Was ja auch relativ selten ist. Meistens neigen Serienmacher dazu, die Serie so lange laufen zu lassen, bis sie sich selbst überlebt.

Legion ist allerdings nicht für jeden was. Welche Serie ist das schon kann man einwenden, Legion ist aber doch etwas spezieller. Legion schafft es generell eine Atmosphäre herzustellen, die an Träume und Illusionen erinnert. Vielleicht auch den Ein oder Anderen an Drogenerfahrungen, was ich natürlich nicht beurteilen kann, aber die Szenenübergänge sind allesamt fließend, es wird viel mit Überblendungen gearbeitet, die Kamera zoomt gerne nah an Augen oder Münder heran und in sie hinein, manchmal sehen wir Dinge aus der Egoperspektive, manchmal sind wir als Zuschauer*innen nur beobachtend. Wenn mehrmals in der Serie die Frage fällt, ob dies jetzt hier real sei ist das angesichts der Räume, die erfunden werden und vergehen, die da sind und dann auch wieder nicht, eine richtig gute Frage. Abgesehen mal davon, dass die Serie sich Extravaganzen leistet, die man so keiner anderen Serie durchgehen lassen würde. Eine Sequenz in Form eines Stummfilms, nur echt mit Textkarten? Haken dran. Eine Bollywood-Tanznummer? Haken dran. Eine Tanznummer im Stil der James-Bond-Vorspänne? Haken dran. Was anderswo stören würde, ist hier stimmig. Legion erhebt auch das Prinzip der Wiederholung zum Stilmittel. Häufig sehen wir dieselben Szenen nicht nur zweimal, sondern drei- oder viermal. Eröffnen sich mit neuen Entwicklungen und neuen Erkenntnissen neue Blicke auf diese Szenen.

Angesichts der Tatsache, dass die Serie kein großes Budget hatte - man merkt das immer, wenn es eigentlich Massenszenen geben sollte und es irgendwie nach „Hier bitte mehr Komparsen einfügen“ aussieht - konzentriert sie sich einerseits auf Räume mit wenig Ausstattung oder nimmt dann das, was vor Ort vorhanden ist. Wenn man schon einen Ort zwischen Raum und Zeit, die Astralebene, erfindet, die alles sein kann, was man sich vorstellt ist das natürlich sehr angenehm für die Drehorte. Allerdings hat es auch eine gewisse Faszination, wenn der entscheidende Kampf entweder nur als Comiczeichnung stattfindet oder durch einen Rap-Battle ausgetragen wird. Doch, doch, Rapbattle. Wenn man zu diesen Stellen kommt, hat man schon längst akzeptiert, dass in Legion fast alles möglich ist. Andererseits ist diese intime Besinnung auf Dialoge mit wenigen Hauptpersonen durchaus auch förderlich, weil wir dadurch den Charakteren nah bis auf die Haut kommen. Und damit noch mehr in die Serie gezogen werden. Wobei es Legion auch gelingt, die Charaktere so sympathisch zu zeichnen, dass sie auch mit ihren Wunden und ihren Narben fassbar sind. Und auch dann, wenn sich im Laufe der Staffeln gewisse Dinge verändern, die Fronten sind ändern, die Charaktere sich wandeln - auch dann bleiben sie sympathisch und nachvollziehbar. Was durchaus eine Leistung ist. 

Im Nachhinein betrachtet wird man, wenn man die drei Staffeln Legion durchgeschaut hat, seufzen. Diese Serie ist im aktuellen MCU in dieser Form nicht denkbar. Natürlich war WandaVision eine großartige Tour-de-Force und vielleicht wird Loki auch mit diversen Zeitlinien überraschen. Allerdings ist das, was Marvel zur Zeit bietet Mainstream. Nichts gegen gute Unterhaltung. Legion aber ist genau das nicht, weil Legion in der ersten Staffel schon Risiken eingeht. Risiken führen dazu, dass man Zuschauer*innen verliert. Genau das wird sich das MCU allerdings nicht trauen, denn dazu läuft die aktuellen Maschine viel zu gut. Wer Risiken eingeht, der wagt etwas. Wie geschrieben: Disney wagt sich momentan nicht an die X-Men heran, weil sie entweder nicht die richtigen Ideen haben, wie man die X-Men ins MCU einfügen kann oder weil sie die Marke momentan als zu verbrannt betrachten. Dabei gab es damals, als Legion noch frisch war, durchaus Überlegungen, ob man nicht durch Sequels eine Frischzellenkur für die X-Men angehen könnte. Aber das hatte sich dann mit der Übernahme von Disney erstmal erledigt. Zudem: Wie man nach dem Schluss der Serie ein Sequel stricken sollte … Jedenfalls: Solange Disney sich nicht an die X-Men heranwagt ist Legion auf jeden Fall Futter für alle, die X-Men-Fans sind. Nicht für alle, aber für Diejenigen, die etwas wagen wollen. 

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