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Life on Mars: Die Faszination der Vergangenheit

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneLife on Mars
Die Faszination der Vergangenheit

Im Juni diesen Jahres läuft in Korea die erste Folge von »Life on Mars« im Fernsehprogramm. Das wäre nun keine großartige Meldung, denn schließlich ist »Life on Mars« schon etliche Jahre alt - 2005 bis 2006 lief die Serie auf der BBC.

Allerdings: Es ist nicht das Original, sondern eine koreanische Adaption der Polizei-Zeitreise-Serie.

Wenn man die bisherigen Infos liest, haben die koreanischen Macher außer dem Jahr - 1988 in diesem Fall - nicht viel an der Prämisse geändert. Und warum sollten sie auch?

Nun ist es nicht das erste Mal, dass die Serie neu gedreht wird. Es gab eine US-Adaption, eine Staffel. Dann gab es auf jeden Fall auch noch eine spanische Variante, der Protagonist landete dann drei Jahre nach Ende der Franco-Diktatur in der Vergangenheit. Es gibt eine russische Version und eine tschechische! Eine deutsche Variante war im Gespräch, aber stattdessen hat man dann doch bei Kabel1 lieber das Original in Doppelfolgen gezeigt. (Allerdings: "Der letzte Bulle" hatte ja durchaus einige Plotelemente des Vorbilds.) Erfolgreich war die Serie hierzulande beim Publikum nicht besonders. Was seltsam scheint, weil schließlich neben dem großen Geheimnis auch immer der Kriminalfall der Woche behandelt wurde. Aber die 70ger waren in England andere 70ger als in Deutschland. Man vergleiche ja nur etwa die Behandlung der 80ger Jahre in "Stranger Things" und in "Dark".

"Life on Mars" ist eine Serie, die Polizeidrama und Mystery-Serie zugleich ist. Vielleicht war das auch für uns Deutsche, die wir gewohnt sind an "Derrick", "Tatort" und eventuell noch an die Schmunzelkrimis wie "Morden im Norden", ein Hindernisgrund diese Serie richtig ins Herz zu schließen. "Life on Mars" ist zudem in der ersten Staffel nicht eindeutig: Ist es eine Zeitreise? Liegt Sam Tyler, der Held der Serie, im Koma oder wird er einfach verrückt? Das klärt die zweite Staffel zwar, aber einige Fragen werden dann doch erst in "Ashes to Ashes" beantwortet. Und das Ende der zweiten Staffel führte durchaus zu lebhaften Kontroversen unter den Fans.

"Life on Mars" katapultiert Sam Tyler aus der Gegenwart des Jahres 2005 jedenfalls nach einem Verkehrsunfall in das Jahr 1973. Kurz zuvor war er noch einem Serienmörder auf der Spur und seine Verlobte scheint Opfer genau dieses Mörders geworden zu sein - jedenfalls ist sie entführt worden. Sam hat also allen Grund zurück in die Gegenwart zu finden, muss sich aber erstmal mit der "Realität" auseinandersetzen. So ist er im Jahr 1973 frisch zur Polizeistation in Manchester versetzt worden. Sein Vorgesetzter Gene Hunt operiert eher auf Basis von - hmm - unkonventionellen Methoden. Während Sam sich fragt, ob das, was er erlebt wirklich echt ist, da es eine Reihe von seltsamen Begebenheiten gibt ist das für ihn durchaus fraglich, reagiert sein Umfeld auf seine Methoden durchaus mit Unverständnis. Bis auf die weibliche Polizistin Annie Cartwright, der Sam seine Zweifel anvertraut. Neben diese großen Frage nach Zeitreise, Koma oder Wahnsinn setzt sich allmählich aus all den Folgen eine Handlung zusammen, die in Sams eigene Vergangenheit führt. Abgesehen mal vom Kriminalfall der Woche.

Warum funktioniert diese Handlung an sich so gut, dass sie mehrfach im neuem Gewand fürs Fernsehen adaptiert worden ist? Sie spielt einerseits mit dem Element der Polizeiserie, mit dem Kriminalfall der Woche, der aufgeklärt werden muss. Andererseits spielt sie tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes in und mit der Vergangenheit. Das menschliche Gehirn neigt dazu, die Erinnerungen an die Vergangenheit nicht nur jedes Mal zu verfälschen, wenn wir uns daran erinnern, sondern auch die ganzen nicht so netten Ereignisse aus der Vergangenheit auszusortieren. Daher haben wir immer den Eindruck, dass die Vergangenheit per se besser war und schöner und glänzender. Früher war mehr Lametta! Dass wir dann von einer Serie fasziniert sind, die eine Vergangenheit inszeniert, an die man sich - je nach Alter - noch erinnern kann, ist verständlich. Weil wir dann reminiszieren können: "Ach, meine Güte, ja, stimmt, die Hundescheiße war damals weiß!" ("Oh, ja, stimmt, der saure Regen und No Future!" - Dark.) Gleichzeitig aber zeigt "Life on Mars" auch die anderen Seiten der 70ger auf: Das Frauenbild in der UK der damaligen Zeit, die Drogenthematik, die Rivalität zwischen Polizeiabteilungen, Bestechungen.

Dass "Life on Mars" aber ein ziemlich gutes Weiterleben im TV hat, liegt noch an etwas Anderem: Die Prämisse ist sehr flexibel. Die kommende koreanische Version etwas verlegt die Handlung ins das Jahr 1988, die spanische Variante spielte - wie schon erwähnt - drei Monate nach Ende der Franko Diktatur. Russische und tschechische? Da muss ich passen, ich kann kein Kyrillisch oder Tschechisch - also falls es Untertitel geben sollte, prima, aber hmm - ich vermute auch hier wird man das Ganze angepasst haben. Bei "Life on Mars" bietet sich die Gelegenheit jeweils auf die eigene Landesvergangenheit Bezug zu nehmen. Damit ist "Life on Mars" eine Serie, die Gesellschaftskritik einerseits an der Vergangenheit üben kann. Doch da Sam als Held aus der Gegenwart kommt, geht das auch in die andere Richtung: Wieweit sind wir heute mit dem Thema Emanzipation der Frau eigentlich gekommen? Wenn es Dinge wie den "Equal Pay Day" geben muss, wenn darüber diskutiert wird, ob Frauen ihre Kinder nicht doch besser zu Hause erziehen - und dafür dann auch Geld gezahlt wird, statt die Kindergärten besser finanziell zu unterstützten - dann darf man schon zweifeln, ob wirklich alles besser geworden ist seit damals.

Als Zuschauer allerdings erfreuen wir uns in erster Linie an der Reimaginierung der Vergangenheit. "Life on Mars" ist dabei wie "Babylon Berlin" Unterhaltung und kein Geschichtsunterricht. Betrachtet man sich andererseits "Horrible Histories", eine Sketchshow für Kinder der BBC, die die ganzen schleimigen Details der Vergangenheit ans Licht zerrt, dann ist es vielleicht doch so, dass Einiges hängenbleibt. Wenn das bei "Life on Mars" dann die Tatsache ist, dass die Mode der damaligen Zeit irgendwie zu sehr erdigen Tönen tendierte - und das Hundescheiße wohl wirklich weiß war - und dass Frauen damals wie heute noch zu kämpfen haben und ... und ... und. Eigentlich bleibt dann doch eine Menge hängen, auch wenn "Television easy, reading hard" ist. Das gilt aber nur fürs Lernen von Fakten. Jedenfalls: Ich bin gespannt darauf, wie Korea "Life on Mars" interpretiert. Leider muss ich dann warten, bis Netflix die Serie gekauft hat oder bis Fans Untertitel erstellt haben. Mein Koreanisch ist leider nicht vorhanden.

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