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Identitätsklumpen: Öffentlichvat im Internet sein

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne

Identitätsklumpen:
Öffentlichvat im Internet sein

„Sag mal, du hast da neulich im Internet etwas gepostet – also – das geht ja so gar nicht.“ – Bekommt man im alltäglichen Leben diesen Satz als erstes in einem Gespräch mitgeteilt wedelt das Gewissen sofort mit der Schuld-Fahne. Oh mein Gott, was habe ich denn jetzt wieder angestellt? Ruckartig überlegt man, was man Schlimmes gepostet haben könnte, kann aber generell nicht für sich feststellen, was denn da Schlimmes gewesen sein soll.


Und sofort ist man in der Verteidigungsposition, im Rechtfertigungswahn und das noch bevor man überhaupt weiß, was da genau gelaufen sein soll.

Würde der oben genannte Satz im Zusammenhang mit einem Posting fallen, dass für einen Betrieb getätigt wurde – dann wäre das natürlich für einen Selbst nachvollziehbar. Peinlich, ärgerlich, ja, denn eigentlich hat man ja die Richtlinien für den Umgang mit dem Social Web im Unternehmen durchgelesen und sich verpflichtet, diese auch einzuhalten. Selbst wenn es keine schriftliche Fassung einer solchen Policy gibt, gibt es doch einen gewissen Ton, einen gewissen Esprit, ein gewisses Einverständnis darüber was machbar ist und was nicht. Immerhin: Im betrieblichen Umfeld kann man das dann doch nachvollziehen. Da war dann die Formulierung unsauber, man hat nicht rechtzeitig auf eine Anfrage reagiert, das Bildmaterial war nicht in Ordnung oder eine Überschrift hatte eine Freudsche Fehlleistung und das Gehirn bemerkt das beim erneuten Lesen nicht. Kann alles passieren. Es kann auch sein, dass man wegen eines Patzers seinen Job los ist.

Das Problem bei einem Social Media Manager allerdings – und nicht nur bei ihm, jeder der sehr aktiv im Netz unterwegs ist und kommentiert steht in dieser Gefahr – verbindet sich das Private mit dem Beruflichem mit dem Persönlichem zu einem „digitalen Identitätsklumpen“.

Zudem ist das eigene Facebook-Profil gleichermaßen Anlaufstelle für Freunde, Kollegen, Familie, Kunden, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Öffentlichkeit, Parteifreunde, Gemeindemitglieder, Nachbarn aber eben auch die gesamte restliche Öffentlichkeit (sofern man die Einstellungen bei Facebook so gesetzt hat). Das was sonst räumlich strikt trennbar war, vereinigt sich hier zu einem digitalen Identitätsklumpen, der jede Menge Identitätskonflikte hervorruft.

So Patrick Breitenbach in seinem Essay „Hass, Hetze und das verbale Wettrüsten im Internet.“ Genau dieser „Identitätsklumpen“ liegt besonders bei Social Media Managern des öfteren im Weg und wir stolpern dann gerne mal drüber. Und wenngleich Facebook es noch gestattet Listen und Regeln für die Sichtbarkeit anzulegen, so dass gegebenenfalls Inhalte „nur“ im privaten Freundeskreis gelesen werden können ist das bei Twitter schon nicht mehr so einfach. Oder Ello. Außer, man blockiert sein Profil komplett oder legt ein zweites privates Profil an, aber die Gefahr, dass selbst dann Postings oder Bemerkungen von anderen Lesern persönlich genommen werden obwohl diese Postings allgemeiner Natur sind ist damit nun auch leider nicht gebannt.

Es ist als müssten wir nochmal darüber verhandeln, was jetzt privat ist und was persönlich. Vielleicht müssten wir das tatsächlich – was ist privat? Was ist persönlich? Eine Unterscheidung, die einfach zu treffen ist: Persönliche Daten und Fakten würde ich jedem auf der Straße erzählen. Dass ich kurzsichtig bin etwa kann ja bei Bedarf jeder gerne wissen, aber die genaue Dioptrien-Zahl geht nun nicht jeden etwas an. Bei Social Media Managern wird das, was persönlich gepostet wird allerdings von Lesern dann auch gerne mit einer privaten Einstellung zu einem Thema verwechselt. Das passiert vor allem bei Lesern, die noch nicht unbedingt erfahren genug sind um einschätzen zu können ob eine Äußerung nun privat ist oder persönlich – und wo der Unterschied liegt. Generell sollte klar sein: Ein Social Media Manager ist das Gesicht des Unternehmens und vertritt das Unternehmen nach außen. Und das Unternehmen hat eine Social Media Policy in der natürlich festgelegt ist, wie man über das Unternehmen zu berichten hat. Das berührt dann natürlich auch das private oder das persönliche Kommunikationsverhalten. Es wäre aber auch tatsächlich nicht im Sinne des Social Media Managers sich abfällig öffentlich über das Unternehmen zu äußern – auf Dauer wird man dann nämlich nicht mehr gebucht und das Renommee ist verbrannt.

Eine Vereinbarung, eine Policy ist auf der anderen Seite auch ein Schutz für den Mitarbeiter. Ein sicherer Rahmen, innerhalb derer er sich bewegen kann. Auf der persönlichen Ebene kann man für sich selber eine eigene Policy definieren – zumindest ist es hilfreich darüber nachzudenken wie man über gewisse Themen kommuniziert, vor allem wenn es emotionale sind. Nur: Das hilft natürlich alles nichts wenn selbst an sich harmlose Postings  als Angriff wahrgenommen werden wollen. In dem Fall hat man grundsätzlich schon mal verloren, denn wenn das Gegenüber Postings als Angriffsfläche wahrnimmt egal wie neutral sie formuliert sind – dann kann man nicht dagegen rational argumentieren. Und emotional sollte man das eh nicht, das bringt nichts. In dem Fall kann man einfach nur feststellen, dass egal was man macht es dem Gegenüber halt nicht Recht macht – und es hat keinen Sinn gegen Wände einzurennen, man hat nur Kopfschmerzen davon. Besser, man füttert die Trolle nicht.

Natürlich ist man auf der ganz sicheren Seite wenn man per se nur Markenbotschafter innerhalb der Geschäftszeiten ist, die Inhalte der Unternehmen verwaltet und nach den Bürozeiten komplett offline ist. Wenn das Twitterprofil so eingestellt ist, dass absolut keiner mitlesen kann, wenn man kein Facebook-Profil hat und nur bei XING auftaucht, wenn man sich komplett einigelt. Es gibt Social Media Manager, die das so machen. Das ist auch jedem selbst überlassen, dann muss sich Der- oder Diejenige allerdings die Frage nach der Glaubwürdigkeit gefallen lassen. Denn Social Media ist nicht nur das Benutzen von Tools. Social Media ist auch immer eine Frage der Einstellung – und des Gelebt-Werdens.

Gerade hier liegt ja der Knackpunkt des Ganzen: Wenn ich persönlich über Entwicklungen im Social Media Bereich poste wird das in der Regel wohl nur die Fachleute interessieren, die Zugriff auf mein Facebook-Profil oder meine Fanpage haben. Je emotionaler und je persönlicher, je meinungsstärker und -freudiger aber meine Beiträge sind, desto mehr komme ich in die Gefahr, dass persönliche Ansichten gleichgesetzt werden mit meinem Verhalten im Privatleben. Es kann aber auch nicht sein, dass ich jetzt anfange mit einer Schere im Kopf mich zu fragen, wer denn jetzt welches Posting als anmaßend ansieht oder auch nicht. Bei den knapp durchschnittlichen 300 Freunden, die man so auf Facebook hat ist das auch nicht machbar. Und bei Twitter können es ja noch mehr sein.

Wie also handhabt man diesen „Identitätsklumpen“? Sicherlich muss man sich bewusst sein: Alles, was öffentlich irgendwo steht kann gegen mich verwendet werden. Was ja dann auch gerne gemacht wird wenn man seine Meinung zu einem Thema ändert und dann einem Links zu Beiträgen um die Ohren gehauen werden, in denen man damals noch eine andere Meinung hatte. Alles kann in den Händen desjenigen, der es unbedingt will eine Waffe sein. Dagegen kann ich persönlich nichts tun. Erstmal. Dessen muss ich mir bewusst sein: Was ich ins Internet reinschreibe, dass ist öffentlich zugänglich. Dementsprechend muss ich dann überlegen wie ich das mit der Trennung von Privat und Persönlich handhabe. Und das ist eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss – da gibst leider nicht die Patentlösung für. Totale Abschottung jedenfalls ist der falsche Weg, denn wenn ich in der Community nicht wahrgenommen werde und gegebenenfalls sogar meine White Knights nicht als Unterstützung habe – also meine Fans, die dann für mich eintreten im Fall der Fälle – ist es schwierig mit seinen Botschaften Gehör zu finden.

Ich kann und werde nie verhindern, dass an sich harmlose Postings wie ein „Guten Morgen, auch schon wach?“ von Morgenmuffeln negativ wahrgenommen werden. Es ist auch sinnlos eine Kommunikation auf Vermutungen aufzubauen – was wir allerdings immer gerne machen, wir vermuten, der Andere hätte das im Posting so gemeint, wir fragen aber gar nicht nach und zack, haben wir eine Vermutungs-Spirale, die letztendlich zu einem Verhalten führt dass der Andere nicht nachvollziehen kann weil der ja unsere Vermutungen gar nicht kennt. Klassische Hammer-Kommunikation nach Paul Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein. Ich kann allenfalls auf Nachfrage reagieren oder ich sollte nachfragen, warum mein Gegenüber auf einmal so merkwürdige Dinge postet – und das sollte ich nach Möglichkeit gerade nicht digital tun sondern auch analog. Schließlich fehlt der Körper bei der Kommunikation im Netz, außer ich bin gerade in einer Videokonferenz, aber das ist ja eher selten der Fall.

Dummerweise darf man ja immer fragen, aber man bekommt ja nicht immer einer Antwort. Oder eine, mit der man etwas anfangen kann. In dem Fall sollte man sich klarmachen, dass man sein Möglichstes getan hat um die Sache aus der Welt zu schaffen – Kommunikation ja immer eine Sache von mehreren Partnern. Mehr als anzubieten die Situation zu einer Klärung zu bekommen geht nicht. Wie man dann permanent mit einer Anfechtung umgeht ist dann eine Sache für die man tatsächlich Fachleute aus dem Bereich Psychologie heranziehen sollte. Wenn man gewisse Grundkenntnisse aber hat – Stichwort Double-Bind etwa – hilft das natürlich auch etwas mit der Sache umzugehen. Notfalls tröste man sich damit, dass der Andere meint, er würde mit einem nicht kommunizieren, es aber dennoch tut. Patentlösungen für die ständige Missverstehen-Wollen von Postings habe ich leider nicht anzubieten. Außer vielleicht: Daran denken, dass jeder für sich selbst seine eigene Wirklichkeit schafft. Diese kann man wahrnehmen, aber man muss ja nicht die Wirklichkeit des Gegenübers teilen wollen. Danke, Watzlawick, dafür.

Kommentare  

#1 Des Romero 2016-07-03 20:36
Was will mir dieser – mit Rechtschreibfehlern ohne Ende behaftete – Artikel sagen?
Dass ich als Social Media Manager aufpassen muss, was ich im Netz von mir gebe? Abgesehen davon, dass geschätzte 99 % der Leser nicht in der Werbebranche tätig sind, ist das wohl eine Tatsache, die mittlerweile jeder Fünfjährige beherzigt.
Das generelle Problem des Postens wird dabei nur oberflächlich aufgegriffen: Ich schreibe einen Text, der bar jeder Emotion ist. Sofern ich kein Emoticon verwende – und auch da – habe ich keine Möglichkeit, das Gesagte gefühlsmäßig zu unterlegen. Missverständnisse sind vorprogrammiert! Also nachfragen.
Aber ehrlich: Was hier gesagt wird, gehört zu den simpelsten Regeln der Verständigung. Wer diese nicht beherrscht oder sich nicht traut, sie anzuwenden, wäre besser beraten, sich von einem Forum fernzuhalten.
Es findet sich allerdings ein Satz in diesem Essay, den ich unterschreiben möchte: "Daran denken, dass jeder für sich selbst seine eigene Wirklichkeit schafft. Diese kann man wahrnehmen, aber man muss ja nicht die Wirklichkeit des Gegenübers teilen wollen."
Dieser Ausspruch ist tiefgründiger, als der Rest des Artikels vermuten lässt. Und wer immer Watzlawick sein mag: Falls es sich um seine Aussage handelt, weiß er vermutlich, wovon er spricht.


PS: Eine Frage an Christian Spiess: Was ist "Öffentlichvat"?

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