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Perry Rhodan - Das Rollenspiel

 Cover PR-RollenspielPerry Rhodan
Das Rollenspiel
Grundregeln

Als Rollenspieler seit deutlich über zwanzig Jahren und als noch deutlich langjährigerer PR-Leser war es natürlich für mich eine Pflichtveranstaltung, das Rollenpiel zur Serie bei Erscheinen im Jahr 2004 sofort zu erwerben. Und das, obwohl ich bereits im Vorfeld vernommen hatte, dass die Regeln auf  einem der beiden urdeutschen Produkte im Pen&Paper-Bereich basieren sollten: Midgard. Mein erster Gedanke war: Au weia!
Cover PR-RollenspielWarum? Weil Midgard mich in keinster Weise anspricht. Es ist kein Rollen- sondern ein Regelspiel, das mit Unmengen von Abkürzungen um sich wirft, wie man sie ansonsten nur aus deutschen Amtsstuben kennt und diesen Fetischismus-Eindruck verliert man auch hinsichtlich der eigentlichen Regeln nicht. Ich hatte leider als Spieler mehrere Kontakte mit dem Midgard-System und bin der Ansicht, dass dieses das Spiel nicht unterstützt, sondern ihm im Wege steht. Midgard ist ein Relikt aus den alten Zeiten des Rollenspiels, als Regeln noch im Vordergrund standen und nicht das eigentliche Spielen einer Rolle oder das gemeinsame Erzählen von Geschichten.
 
Dennoch hatte ich eigentlich vor, unvoreingenommen und mit positiver Grundstimmung an das Basisregelwerk heran zu gehen, immerhin handelte es sich um ein Produkt aus dem Perry Rhodan-Umfeld und hatte bei mir somit einen gewissen Vorschussbonus.

Das Grundregelwerk kommt als großformatiges Hardcover mit knapp 350 Seiten daher und macht grundsätzlich einen wertigen Eindruck. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, was ich weiland auf der Spiel in Essen für das Buch gezahlt habe, meine mich aber düster zu erinnern, dass schon damals ein Preis von ca. 35 Euro angesagt wurde. Die damalige Prophezeihung anderer Rollenspiel-Insider war, dass ich ein Idiot sei und – weil es sich um ein Lizenzprodukt handle, das eh keiner kauft – man es sicher in 'nem halben Jahr nachgeworfen bekäme. Das war mir als Fan der Serie allerdings herzlich egal und wie sich herausstellte war diese (wahrscheinlich aus dem Gekröse eines Eulenbären gelesene) Vorhersage auch falsch.

Das Regelwerk hat ungefähr DIN-A4-Größe und ein umlaufendes Vierfarb-Cover. Der eigentliche Inhalt ist allerdings in Graustufen gehalten, Farbseiten sucht man vergeblich, bei dem Preis unverständlich. Auf den inneren Umschlagseiten finden sich Drauf- und Seitenansichten der Milchstraße mit eingezeichneten Positionen wichtiger Planeten, eher ein Gag als ein nützliches Hilfsmittel.

Der Inhalt ist unterteilt in Sektionen, die einem die Hintergründe und Details näher bringen. Es wird auf Rollenspiel-Neulinge intensiv eingegangen, da man offensichtlich der Ansicht war, dass man viele davon aus den Reihen der PR-Fans rekrutieren können, ebenso wird aber nicht von Vorwissen in Sachen Perryversum ausgegangen, da man ebenfalls damit rechnete, Rollenspieler ohne PR-Kenntnisse anzusprechen. Beides stört aber nicht, im Gegenteil.

»Sektion I: Die Welt von Perry Rhodan«

Hier wird eine grundlegende Einführung in das Universum des Romanhelden gegeben, das kosmische Zwiebelschalenmodell erläutert, Zivilisations- und Technologieniveaus ebenso dargestellt wie die Lage in der Milchstrasse und der lokalen Galaxiengruppe. Eine kurzweilig zu lesende Zusammenfassung, auch für PR-Anhänger.

»Sektion II: Völker des Perryversums«
In diesem Kapitel stellt man ein paar Völker vor, die dann auch als Grundlage für geeignete Spielercharaktere bezeichnet werden. Und hier findet sich auch gleich einer meiner größeren Kritikpunkte: Mangelnde Vielfalt und Variation. Als Rassen werden vorgestellt: Akonen, Aras, Arkoniden, Báalols, Jülziish (Blues), Kartanin, Mehandor (Springer), Terraner und Topsider.
Die Auswahl finde ich etwas eigenartig. Zum einen haben wir einen massiven Überhang an Lemurerabkömmlingen, zum anderen die katzenartigen Kartanin, die insbesondere in Zeiten der erhöhten Hyperimpedanz in einer nicht eben vor der Haustür liegenden Nachbargalaxis zu finden sind und die echsenartigen Topsider, die eigentlich nun wirklich niemand interessieren. Fast allen Charakterrassen ist eine gewisse »Normalität« gemein, was körperliche oder geistige Besonderheiten angeht (sehen wir mal von den parabegabten Báalols ab), Extremweltler oder Umweltangepaßte fehlen ebenso, wie außergewöhnliche Fremdrassen, von denen es im Perryversum nun wirklich mehr als genug gibt. Klar, man kann den Charakter mit Paragaben versehen, das ist aber immer individuell zu verstehen und nicht rassenspezifisch.
Offenbar wollte man mit dieser Auswahl an Spezies den Neulingen den Rollenspiel-Einstieg vereinfachen, zumindest war das mein erster Eindruck. Ein Blick in den PR-Teil des Midgard-Forums belehrte mich aber eines Besseren: Dort gab es tatsächlich einen Thread zum Thema »andere Rassen«. Dort wurde postuliert, dass Extremspezies wie beispielsweise Haluter oder Siganesen einfach nicht spielbar wären... Sei es aufgrund ihrer extremen Fähigkeiten (Haluter, Oxtorner, Ertruser) und damit ihrer nicht mehr balancierten Machtfülle oder ihrer körperlichen Nachteile, wie dem Winzigwuchs der Siganesen.

Ich muß ehrlich zugeben: Ich finde das ziemlich lächerlich. Klar sollte man solche Charaktere vielleicht nicht sofort unerfahrenen Neulingen überlassen, da die damit möglicherweise überfordert sind. Aber gleich allen Spielern die Fähigkeit abzusprechen, solche extremen Charaktere zu spielen, halte ich für ziemlich abgehoben und arrogant. Ich kenne sehr gute Rollenspieler, die das mit links machen, ohne die Gruppe oder das Abenteuer auszuhebeln oder zum Munchkin zu mutieren. Auf der anderen Seite läßt das auf SF umgedeutelte Midgard-Regelwerk solche Extreme möglicherweise durch seine Spielmechaniken nicht zu und so ist dort das Problem begründet. Könnte sein, muss nicht, ich halte es für zumindest nicht unwahrscheinlich.

Die verfügbaren Rassen halte ich für viel zu wenige bei der Völker- und Subspeziesfülle des Perryversums. Hierfür definitiv keine gute Note.

Die Sektionen III bis IX beschäftigen sich dann ausführlich mit den Regeln und der Übersetzung PR-typischer Facetten in diese, beispielsweise grundlegendes Funktionieren des Spiels, Erschaffen der Spielerfiguren und deren Fertigkeiten inklusive möglicherweise vorhandener PSI-Kräfte. Im letzteren Kapitel wird dann auch versucht, die PSI-Begabten als Psionten zu bezeichnen, statt den in den Romanen üblichen Begriff »Mutanten« zu verwenden. Offenbar hielt man »Mutanten« für politisch nicht korrekt, anders kann ich mir diesen massiven Fehlgriff nicht erklären.

»Technologie und Ausrüstung« geht auf eben diese ein, vom Multifunktionsarmband bis zum Omni-Trägerschiff und portiert auch hier die typische Technologie ins Regelwerk.

Im Anhang findet sich dann ein Bestiarium, das sich verblüffenderweise ausschließlich auf terranische Tiere bezieht, was völlig unverständlich ist, immerhin handelt es sich hier um ein SF-Rollenspiel, das sich oft auf anderen Welten abspielt (das ist ja nun auch der Reiz bei SF) und dort gibt es deutlich andere Lebewesen, als simple Braunbären oder Schlangen. Klar steht im Regelwerk, dass die vorgestellten Viecher nur als Beispiele zu nehmen sind, aber grade bei der Fokussierung auf Neulinge hätte man hier definitiv noch ein paar »abgefahrenere« Biester anbieten sollen. Die Abteilung »Wilde Tiere und andere Bestien« ist aus meiner Sicht ein schlechter Witz.

Es folgen dann noch ein Überblick über die galaktischen Wirtschaftssysteme und eine Preisliste mit üblichen für Abenteuer vielleicht interessanten Güter-Preisen, auch hier natürlich nur als Überblick und Durchschnitte, an denen sich Gamemaster und Spieler orientieren und Abweichungen mit ein wenig gesundem Menschenverstand extrapolieren können.

Die gesamte Aufmachung und das Layout des Buches ist professionell, auch wenn mich einige der Innenillustrationen nicht vom Hocker hauen, aber das ist wie immer Geschmackssache. Der Preis von 35 Euro ist meiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt, aber das ist ein eher grundlegendes Problem der Branche und kann den Herausgebern nicht wirklich vorgeworfen werden. Wahrscheinlich liegen diese Preise in der im Vergleich zu anderen Büchern deutlich geringeren Auflage begründet.

Fazit: Trotz der bürokratischen und heutzutage deutlich verstaubt wirkenden Midgard-Regeln rate ich niemandem vom Erwerb dieses Basisregelwerkes für Rollenspiel im Perryversum ab, denn es enthält umfangreiche Hintergrundinformationen, um dort ein zünftiges und unterhaltsames Spiel abzuhalten (und ist auch ansonsten sehr kurzweilig). Spielanfänger sollten mit einfacheren Regeln anfangen, bevor sie sich an Midgard wagen, da Midgard meiner Ansicht nach zu Regelreiterei und Regelfetischismus erzieht, vieles nicht gleich schlüssig ist und der Abkürzungsfimmel schwer ins Lächerliche tendiert.
Erfahrene Rollenspieler werden viel vermissen, insbesondere die Möglichkeit, Extremcharaktere zu erschaffen und zu spielen, oder schnelles Loslegen. Ich kann diesen dennoch den Kauf ans Herz legen, denn man erhält ein umfangreiches Quellenbuch, das man dann auf ein brauchbares und vor allem spielbares System wie beispielsweise das universell anzuwendende GURPS adaptieren kann. Midgard benötigt man ungefähr so dringend wie Hautausschlag.

Für PR-Fans ist der Kauf ohnehin ein Muß.

PERRY RHODAN - Das Rollenspiel - Grundregeln
von Alexander A. Huiskes und Jürgen E. Franke
unter Mitarbeit von Rainer Castor
344 Seiten, Hardcover, Farbposter, 34,95 Euro
ISBN-10: 3924714258
ISBN-13: 978-3924714253
Pegasus Verlag und Edition Dorifer

Links:

Pegasus-Verlag
Edition Dorifer
Midgard
PR-Abteilung im Midgard-Forum

Bildnachweis: Cover Copyright Pegasus und Edition Dorifer

Kommentare  

#1 Larandil 2008-11-26 13:30
Zum Perry Rhodan-Rollenspiel gibt's inzwischen zwar nicht den LFT-Quellenband, bei dem seit zwei Jahren immer wieder irgendwas dazwischen kommt ... aber eine recht betriebsame Untersektion im Midgard-forum , wo wacker drauflos entwickelt wird. Der Output des Forums zur Umgebung der BASIS ist teilweise inzwischen bei den Herausgebern des Rollenspiels als PDFs zum Herunterladen gelandet.

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