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Watchmen - Die Wächter

Watchmen - Die WächterWatchmen
Die Wächter

Andrew und Uwe waren mal wieder unterwegs um den Mainstream-Kino zu huldigen. Andrew ist diesmal blau und Uwe schwarz, was allerdings außerhalb jedweder Gesinnung zu deuten wäre:


Kann man die WATCHMEN anschauen? Diese Frage stellte sich mir angesichts der Tatsache, dass die Kritiken recht durchwachsen waren. Mal ganz zu schweigen davon, dass ich nicht über Vorwissen verfügte, da ich die Comics nicht gelesen habe.

Watchmen - Die WächterUnd dann erst die Länge von 160 Minuten. Da mag der Kinosessel noch so gepolstert sein, spätestens ab der 120. Minute spürt man da unten sein Knochengerüst ziemlich deutlich. Das hat erstmal noch gar nichts mit dem Film zu tun. Der kann höchstens sein Bestes tun, um einen von diesen Schmerzen abzulenken. Und? Lenkt WATCHMEN von diesen Schmerzen ab?

Zweifellos ist WATCHMEN ein sehr guter Film. Und man spürt, dass WATCHMEN auch ein sehr zwiespältiger Film ist. Eine Multi-Millionen-Dollar-Produktion mit Underground-Charakter sozusagen. Wie im Vorfeld des Starttermins hinlänglich und ausführlichst diskutiert wurde, hat es dieser Film dank seiner mit Kultstatus glorifizierten Vorlage nicht sehr leicht. 20 Jahre waren dann auch vom ersten Gedanken an eine Verfilmung bis zum fertigen Film nötig. Und wenn man die in all den Jahren gehandelten Autoren, Regisseure und Darsteller Revue passieren lässt, blieb Zack Snyder tatsächlich die letzte, beste Hoffnung. Und mit ihm kamen sechs Hauptdarsteller, von denen die bekanntesten gerade mal Billy Grudup und Jackie Earle Haley sind, die im Ensemble dann den desillusionierten Helden die glaubwürdigen und mitreißenden Charakterisierungen verleihen. WATCHMEN ist durchaus ein sehr guter Film... – Wenn man die Vorlage nicht kennt.

Schon beim Vorspann wird klar, dieser Film hat eine Geschichte zu erzählen. Und er will sie auch erzählen, ohne Kompromisse, ohne Abkürzungen. Zur Not muss man halt gleich mit dem Erzählen beginnen, das stimmt. In den Credits wird man also von der Erzählwut so sehr überrascht, dass man zuerst gar nicht bemerkt, dass einem mit den raffiniert ausgefeilten Bildern schon eine Menge erzählt wird. Und in diesem Tempo geht es weiter. Wobei der Film das Tempo auch gerne mal drosselt. Da lässt er sich dann schon gerne mal Zeit, wenn zum Beispiel ein gewisser blauer Mann mal wieder ins Philosophieren kommt. Keine Kompromisse kennt der Film auch bei seiner Darstellungsweise. Da tut einer jemandem weh? Kein Problem, wird gezeigt, bis auch der Zuschauer den Schmerz spürt. Da schläft einer mit einer anderen? Aber bitte doch, gerne, wird alles gezeigt, bis auch der Zuschauer... – na ja, zumindest ein Kribbeln spürt. WATCHMEN will eine Geschichte erzählen, und die erzählt der Film nicht nur kreativ, sondern auch ehrlich. Das gibt Pluspunkte, auch wenn den einen oder anderen Zuschauer hin und wieder die etwas zu deutliche Gewalt abstößt.

Eigentlich beginnt der Film tatsächlich schon mit den Credits, in denen die Geschichte der WATCHMEN erzählt werden. Von ihrer Idee der Selbstjustiz über das umjubelte illegale Engagement bis hin zu den politischen Verstrickungen, und das Vermächtnis an eine jüngere Generation. Bis zu den Tagen, da Richard Nixon dem öffentlichen Druck nachgeben muss und die Superhelden-Aktivitäten gesetzlich verbieten lässt. Was schmerzlich ist, denn die WATCHMEN haben wesentlich dazu beigetragen, dass Nixon im Amt blieb und sogar in eine dritte Amtsperiode gewählt wurde. Es ist 1985, und die Welt ist gegenüber unseren eine wirklich verdrehte Welt.


The Comedian - Jeffrey Dean MorganAllein der Titelvorspann erzählt soviel, dass der Zuschauer schnellt begreift, dass hier die Grenzen des Popcorn-Kinos weit überschritten werden. Die Komplexität der Vorlage verlangt tatsächlich eine erhöhte Aufmerksamkeitsspanne. Mit seinen extrem verlangsamten Bildern stellt der Vorspann schon alleine einen Comic (oder eine Graphic Novel) innerhalb des Films dar. Und wer jetzt noch in der glücklichen Lage ist, die frenetisch verehrte Kult-Vorlage nicht zu kennen, den wird dieser Film auch nicht enttäuschen. Die unverbrauchten, frischen Gesichter und ein überzeugter sowie überzeugender Regisseur bieten Unterhaltung auf höchstem Niveau, mit Tiefgang und einer Erzählstruktur, die wirklich nicht alltäglich ist. Auffallend ist natürlich die Bildsprache mit ihren teils extrem verlangsamten und dann wieder beschleunigten Bildern, mit denen Snyder schon seine Bewerbungsmappe 300 schmückte. Somit gelingt es ihm, ganze Szenen fast auf einzelne Standbilder zu reduzieren. Entgegen den heutigen Gewohnheiten im Blockbuster-Kino mindestens drei Cutter einzusetzen, tut WATCHMEN sehr gut daran, allein William Hoy für den Bildschnitt gehabt zu haben. Mit seinem Regisseur hat Hoy einen gesamtheitlichen Rhythmus gefunden. Die ineinander verschachtelten Erzählebenen bleiben wechselseitig spannend und im Fluss. Ob das den Hardcore-Fan und die Fachidioten befriedigen kann, können nur Dieselbigen beantworten.

Auf den Klos des Kinos, in dem wir den Film angeschaut haben, hängen Plakate, die für den Kampf Mortal Combat gegen das DC Universe werben – in Spieleform. Auch als Film ist dies ja schon seit längerem angedacht. Doch eigentlich findet ein Kampf der Superhelden schon statt. Denn die WATCHMEN kämpfen gegen das Popcorn-Kino genauso wie gegen die Liga der bisherigen Superhelden. Night Owl wirft einen vernichtend melancholischen Blick auf die Batman-Saga, der blaue John könnte sich den Fantastischen Vier anschließen, wenn er nicht so wahnsinnig gelangweilt von Gott und der Welt wäre, und der Comedian zeigt, wie viel Joker auch in einem normalen Superhelden stecken kann. Die WATCHMEN treten an und behaupten, dass der Reboot, den die Superhelden-Filme der letzten Jahre einer nach dem anderen hinter sich haben, noch nicht weit genug ging. Für die Watchmen steckt der Bösewicht in den Menschen selber. Selbst dann, wenn diese als Superheld mal wieder die Welt retten.

Malin Akerman und Billy GrudupDer Film ist lang. Aber er ist nie langweilig, weil er auch extrem kompromisslos inszeniert wurde. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind nicht einmal unbedingt fließend, sondern stets in einem grauen Stadium. Hier sterben schon mal schwangere Frauen, und das, weil sie den sogenannten Helden einfach nur nerven. Selbst grafische Gewalt blieb in diversen Formen von Amputationen und Schussverletzungen in aller Deutlichkeit erhalten. Dies soll kein weiteres SPIDERMAN-Abenteuer sein, und erst recht nicht die düstere Atmosphäre von DARK KNIGHT kopieren, sondern umgekehrt. Es ist sehr offensichtlich für diejenigen, die mit Alan Moores Comic-Vorlage vertraut sind, dass sich eigentlich DARK KNIGHT den Grundtenor von WATCHMEN aneignen wollte. Doch am auffallendsten bleibt die sehr niedrige Schnittrate. Der Zuschauer darf den Action-Szenen folgen, erhält in längeren Einstellungen einen guten Blick auf die ausgefeilte und realistische Kampfchoreographie und wird nicht mit frenetischen Schnittfolgen irre gemacht.

160 Minuten sind in der Tat lang. Ich spüre es jetzt noch. Und dabei handelt es sich eigentlich um den „kurzen“ Kino-Cut. Auf DVD kommt da locker noch das eine oder andere Viertelstündchen dazu. Es sei dem Film gegönnt. Er hat eine Geschichte zu erzählen, und die ist interessant. Er hat dazu eine eigene Sprache gefunden, und auch die ist interessant. Da bin ich gerne bereit, ein wenig meiner kostbaren Zeit zu investieren. Aber das nächste Mal bitte nicht wieder auf einem Kinosessel. Da ziehe ich mein Sofa vor und unterbreche gerne einmal, um am nächsten Tag weiterzuschauen. Das Potenzial dazu, mich auch an zwei Abenden ausführlich zu unterhalten, hat der Film allemal. WATCHMEN ist anders, und gerade deswegen bleibt er einem länger im Kopf als üblich.

Bestimmt nicht als jedermanns Geschmack einzustufen, ist WATCHMEN eine gelungene Weiterführung, aber extrem schwer zu wiederholende Form des Superhelden-Genres. Es ist ein Film, der einfach auf die große Leinwand gehört, und bei dem es weh tut, dass Zack Snyder für die Kinofassung 30 Minuten schneiden musste. Natürlich ist das Gefühl nach dem Film, eine runde, in sich geschlossene Sache erlebt zu haben, und das subjektive Empfinden suggeriert damit auch, genug gesehen zu haben. Doch es ist eine Schande, den interessierten Zuschauer oder vielleicht sogar den Fan auf das heimische Sofa zu verdammen, wenn es noch soviel mehr zu entdecken gibt. Und dass es im ganz eigenen Kosmos der WATCHMEN soviel mehr zu erleben und entdecken gibt, glaubt man sofort. Da macht es doch sogar viel mehr finsterer Freude, wenn man die Vorlage gar nicht erst kennt und sich mit ungeteilten Ansichten ganz auf das düstere Erlebnis einstimmen kann.

Watchmen - Die Wächter
Darsteller: Billy Grudup, Malin Akerman, Patrick Wilson, Matthew Goode, Jackie Earle Haley, Jeffrey Dean Morgan, Carla Gugino, Matt Frewer u.a.
Regie: Zack Snyder – Drehbuch: David Hayter, Alex Tse – Kamera: Larry Fong – Bildschnitt: William Hoy – Musik: Tyler Bates – Ausstattung: Francois Audouy – Stunt-Choreografie: Damen Caro
USA / 2009 – circa 161 Minuten

Bildquelle: Warner Bros.

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