Spielt das eine Rolle? # 007: Welches ist das richtige System für uns?
Spielt das eine Rolle? # 007: Welches ist das richtige System für uns?
Die Rollenspielkolumne
Am besten ist es sich zunächst Gedanken darum zu machen, in welchem Genre man sich mit seiner Spielgruppe bewegen möchte. Fantasy, Science Fiction, Horror, vielleicht doch eher etwas historisch angehauchtes?
Es gibt noch mehr Möglichkeiten. Erst kürzlich habe ich selbst ein Rollenspiel entdeckt, in dem die Mitspieler Stimmen im Kopf einer einzelnen Person sind. Ähnlich, wie es im Film „Being John Malkovich“ der Fall ist. Das sind dann aber sehr spezielle Systeme, die man sich (zumindest als Spielleiter) erst dann vornehmen sollte, wenn man auf dem Gebiet des Fantasyrollenspiels schon ein paar Erfahrungen gesammelt hat. Aus diesem Grund bleiben wir der Einfachheit halber bei den zuvor genannten vier Varianten, denn sie bilden den Bereich der Möglichkeiten fürs Erste gut genug ab und man dürfte schon eine grobe Ahnung davon haben, worum es jeweils gehen kann. Dennoch wollen wir hier eine kurze Genreübersicht zusammenstellen.
Fantasy kann ein Spektrum abdecken, das von sogenannter „High Fantasy“, über „Dark Fantasy“ bis hin zu „Low Fantasy“ reicht. Je nachdem ob man mehr oder weniger Elfen, Zwerge, Zauberei, Orks, Drachen, Vampire und magische Gegenstände in seinem Spiel haben möchte.
„Dungeons & Dragons“ wäre das Paradebeispiel für „High Fantasy“. Wer die „Witcher“ Publikationen kennt (Romane, Serie, Videospiele), bewegt sich im Bereich der „Dark Fantasy“. Hier gibt es weniger Zauberei, dafür aber mehr Monster und überhaupt eine düstere Grundstimmung. Unter „Low Fantasy“ findet man eher so etwas wie „Der Herr der Ringe“. Zu Tolkiens Werken gab und gibt es bereits mehrere Rollenspielsysteme, die die Aspekte der Erzählungen in Mittelerde auf unterschiedliche Weisen fokussieren.
Wie auch bei allen andern Genres ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, welches System letztlich das Richtige für die eigene Gruppe ist und nicht jedes System wird hier berücksichtigt werden können. Aus der Erfahrung heraus kann aber zum Bereich „Fantasy“ folgende Empfehlung abgegeben werden.
Bevor man sich an die beiden hierzulande größten Systeme „Das Schwarze Auge“, oder „Dungeons & Dragons“ wagt, gibt es hier eine spannende Empfehlung. „Beyond the Wall“ aus dem System Matters Verlag basiert auf dem Regelwerk von D&D, ist in sich aber wesentlich vereinfacht und bietet in seiner Struktur nicht nur einen schnellen Einstieg, sondern auch schlanke Regeln. „Beyond the Wall“ ist ein gutes Sprungbrett zu anderen Systemen.
Vielen Spielern mag hier sofort „Warhammer 40.000“ einfallen, doch ganz richtig ist das nicht. Die „Warhammer“ Reihe (sowohl Fantasy als auch 40k) kommt aus dem Bereich des Tabletop Spiels, was wieder etwas ganz Anderes ist. Science Fiction ist etwas weniger populär bei den Rollenspielen, bietet inzwischen aber insbesondere bei der Nutzung von bekannten Markenrechten eine spannende Bandbreite. „Starfinder“ ist beispielsweise ein SciFi Ableger der beliebten D&D Regeln. Fantasy Flight Games hatte bis vor wenigen Jahren ein sehr erfolgreiches „Star Wars“ Rollenspiel auf dem Markt (wobei sich die Geister scheiden, ob Star Wars nun zur Science Fiction, oder doch eher zur Fantasy, bzw. sogar Märchen gehört. Da wir hier aber Raumschiffe und Laserwaffen haben, belassen wir es bei Science Fiction). Modiphius Games konnte hingegen mit dem 2d20 System sowohl die Lizenz für „Star Trek“, als auch „Dune: Der Wüstenplanet“ ergattern. Aus Schweden kommen mit „Coriolis“ oder „Mutant: Jahr Null“ regelschlanke Konkurrenten, die sich nicht um irgendein Franchise kümmern.
Sich in Science Fiction Szenarien wohl zu fühlen, ist offenbar für die meisten Spielrunden etwas schwieriger, als bei reiner Fantasy. Vermutlich ist der technische Aspekt dahinter ein wenig hinderlich, wenn man nicht ohnehin ein Faible dafür hat. Ein erfrischendes, weil sehr eigenständiges und auch zugängliches System ist hier „Coriolis“, das vom Uhrwerk Verlag vertrieben wird. „Coriolis“ wartet mit einem einfachen W6 Würfelsystem auf, welches sowohl Action, als auch Storytelling mit einfachen Würfelproben unterstützt und ein unverbrauchtes Setting vorweist.
Blutgierige Vampire, rasende Werwölfe, den Geist zersetzende ältere Wesen. Horrorrollenspiele bieten alles, was Fans des Genres lieben. Bekannte Vertreter wären hier „Vampire: The Masquerade“, „Cthulhu“, basierend auf dem literarischen Erbe von H.P. Lovecraft, oder auch das „The Witcher“ Rollenspiel.
Ein Hinweis hierzu: Horrorrollenspiele können weitaus intensiver sein als ein Horrorfilm. Eine unangenehme Szene im Film kann man zum Beispiel durch wegsehen überspringen. In einem Horrorrollenspiel stecken alle Beteiligten mitten im Geschehen. Das kann zu Unbehagen führen. Achtet unbedingt darauf, dass ihr euch stets wohl in den Spielsituationen fühlt!
Meine Empfehlung ist hier: Horrorrollenspiele sollten Rollenspielanfänger, bis sie für sich festgestellt haben, wie intensiv sie bedrückende Szenenbeschreibungen aufnehmen, vorerst beiseitelassen.
Ich selbst hatte in einem dunklen SciFi Szenario mal das zweifelhafte Vergnügen, eine blutverkrustete Siedlung erkunden zu „dürfen“, die von telepathisch kontrollierten Zombiekannibalen verwüstet wurde. Dem Spielleiter gelang es, die Szenerie wirklich sehr bedrückend darzustellen, was allerdings auch dazu führte, dass ich mich als Spieler überhaupt nicht aus der Szene zurückziehen konnte. Der Spaß blieb dadurch gänzlich auf der Strecke. Die Kampagne wurde letztlich gar nicht weitergeführt.
Statt eines Systems möchte ich hier die Empfehlung aussprechen, sehr behutsam mit Horrorszenarien umzugehen. Am Ende soll Rollenspiel immer allen Beteiligten Spaß machen. Ein wirklich gruseliges Monster, oder eine zeitweilig bedrückende Stimmung kann eine Rollenspielrunde bereichern. Zuviel davon und die Stimmung kann schnell kippen.
Freunde von historischen Szenarien könnten sich mit Systemen wie „RuneQuest“ (Römisches Reich), „HeXXen 1733“ (Renaissance), oder „Pendragon“ (Mittelalter) anfreunden und sich dort in den jeweiligen Epochen tummeln. Doch die genannten Vertreter bedienen nur zum Teil historische Hintergründe. Allen ist gemein, dass sie sich nicht als historisch korrekte Versionen verstehen. Während „RuneQuest“ gerne mit alten Mythen und Legenden spielt, bewegt sich „HeXXen 1733“ zwar im besagten Jahr, dort hat der Dreißigjährige Krieg allerdings nie aufgehört. Stattdessen wurde in diesem Szenario im Schwarzwald unbedacht ein Tor zur Hölle aufgestoßen, was Fabelwesen wie Werwölfe, Geister und Teufel ins Europa dieser Zeit schwemmt und damit auch den Bereich der Dark Fantasy streift.
„Pendragon“ hingegen erfuhr jüngst ein Crowdfunding von Ulisses und wird bald schon in seiner neuesten Ausgabe auf dem deutschsprachigen Markt erscheinen. Hier vermischen sich alte Rittersagen mit Legenden über Drachen und anderen Mittelalterlichen Untieren. Der Kern hierbei ist aber die Gründung und Entwicklung einer Dynastie.
Als Teilnehmer des aktuellen Crowdfundings und Fan von Ritterfilmen (vor allem „Excalibur“, dem Artus-Sagen-Film schlechthin), würde ich gerne einfach die Empfehlung „Pendragon“ aussprechen. Dazu muss die aktuelle Version aber erstmal veröffentlicht werden um feststellen zu können, ob das System wirklich meine Erwartungen erfüllen kann.
Stattdessen lautet die Empfehlung „HeXXen 1733“, weil es einerseits sehr liebevoll die tatsächliche Geschichte des 18. Jahrhunderts mit der fiktiven Geschichte des Hintergrunds dieses Systems verbindet, andererseits aber ein wirklich einfaches Würfelsystem bietet. Geschichte, Action und einen Hauch Grusel gibt es hier in guter Abstimmung.
Von allen hier genannten Empfehlungen möchte ich „Beyond the Wall“ abschließend hervorheben. Das System nimmt Spieler und Spielleiter an die Hand, gibt Hilfestellungen bei der Charakter- und Abenteuererschaffung und nutzt zudem die gesamte Bandbreite des üblichen Rollenspielwürfelsets (W4, W6, W8, W10/W100, W12 und W20). Fantasy ist zudem die beliebteste Spielart in Rollenspielen.
Habt ihr Themenwünsche? Dann schreibt es gerne in die Kommentare.
Links zur Zauberspiegel-Rollenspielkolumne: „Spielt das eine Rolle?“
Zauberspiegel-Online - Spielt das eine Rolle? - # 001: Kino im Kopf
Zauberspiegel-Online - Spielt das eine Rolle? - # 002: Aller Anfang ist gar nicht schwer
Zauberspiegel-Online - Spielt das eine Rolle? # 003: Rollenspiel leicht gemacht
Zauberspiegel-Online - Spielt das eine Rolle? # 004: Wie sicher muss der Spielleiter sein?
Zauberspiegel-Online - Spielt das eine Rolle? # 005: Welche Würfel werden gebraucht?
Zauberspiegel-Online - Spielt das eine Rolle? - # 006: Wie sucht man Mitspieler?
Weitere Links zu Rollenspielthemen:
Zauberspiegel-Online - Dungeons & Dragons – Spielerhandbuch 2024
Zauberspiegel-Online - SonnenCon 2025
Link: D&D Spielleiterhandbuch
Link: Kerkermeister
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