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Berlin im Umbruch - »Schöner Gigolo, armer Gigolo«

Schöner Gigolo, armer GigoloBerlin im Umbruch
»Schöner Gigolo, armer Gigolo«

Schon die Besetzung von David Hemmings‘ 1978 überwiegend in Berlin gedrehtem „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ ist eine kleine Sensation: Neben David Bowie in der Titelrolle sind auch Kim Novak, Sydne Rome und Curd Jürgens mit von der Partie – und Marlene Dietrich konnte nach 14 Jahren Filmabstinenz für einen allerletzten Auftritt vor einer Kamera gewonnen werden. Die gesuchte Filmrarität ist nun wieder auf DVD erschienen.

Schöner Gigolo, armer GigoloInitiiert hat diesen filmischen Coup kein Geringerer als der deutsche Produzent und Regisseur Rolf Thiele (1918-1994). Der hatte seinen filmischen Durchbruch 1958 mit dem Skandalfilm „Das Mädchen Rosemarie“ gefeiert, in dem es um den Mord an einer Edel-Prostituierten in Frankfurt am Main ging, der zuvor die Tageszeitungen der Bundesrepublik beschäftigt hatte. Immer wieder zog es Thiele zurück ins halbseidene Milieu, und die meisten seiner nachfolgenden Filme haben eine verhalten schlüpfrige Thematik, von „Das schwarz-weiß-rote Himmelbett“ und „Das Liebeskarussell“ bis hin zu „Grimms Märchen von lüsternen Pärchen“ oder „Versuchung im Sommerwind“. „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ gab er allerdings in die Hände von David Hemmings ab, der als Schauspieler mit „Blow Up“ und „Barbarella“ bekannt geworden war und auch schon als Regisseur („Running Scared“) gearbeitet hatte. Sänger und Schauspieler David Bowie lebte von 1976 bis 1978 in Berlin, und so war es geradezu naheliegend, dass der androgyne Star in einer Rekapitulation der Goldenen 1920er Jahre im Sündenbabel Berlin in die Titelrolle schlüpfen würde.

Schöner Gigolo, armer GigoloLeutnant Paul von Przygodski (David Bowie) kehrt mit einer Kriegsneurose von der französischen Front aus dem Ersten Weltkrieg nach Berlin zurück. Dort muss der für tot gehaltene junge Mann erkennen, dass die geräumige Wohnung seiner Mutter (Maria Schell) mittlerweile zu einer Pension umgewandelt geworden ist und Frau von Przygodski in einem türkischen Badehaus arbeitet, um über die Runden zu kommen. Pauls Vater, Oberst Gustav (Rudolf Schündler), ist nach einem Schlaganfall an den Rollstuhl gefesselt und spricht kein Wort mehr. Auf der Suche nach einem neuen Sinn im Leben nimmt Paul wieder Kontakt mit seinem alten Hauptmann Hermann Kraft (David Hemmings) auf, der den Krieg glorifiziert und die neu aufkommenden Rassentheorien der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gutheißt. Gemeinsam mit seinem Adlatus Otto (Werner Pochath) versucht Hermann, auch Paul für diese Ideologie zu begeistern. Doch der verkehrt durch seine alte Freundin Cilly (Sydne Rome) auch im Kabarett- und Transvestitenmilieu Berlins, wo er durch den Gigolo Leutnant von Lipzig (Bela Erny) an die Baronin von Semering (Marlene Dietrich) vermittelt wird, die stets Interesse daran hat, die „Armee“ ihrer Eintänzer und Gigolos um attraktive junge Männer zu erweitern.

Schöner Gigolo, armer GigoloIn Ausstattung und Besetzung ist David Hemmings hier ein gelungenes Berliner Zeitgemälde geglückt, das die Goldenen Zwanziger Jahre auch als Brutplatz des Nationalsozialismus zeichnet. Die wechselvolle Geschichte der Hauptfigur wird im von Ennio de Concini („Krieg und Frieden“, „Die Fahrten des Odysseus“) und Joshua Sinclair („Lili Marleen“, „Shaka Zulu“) verfassten Drehbuch vielleicht etwas zu episodenhaft vermittelt, es mangelt ein wenig an einem roten Faden. Doch darüber kann man angesichts der beeindruckenden Starauftritte leicht hinwegsehen. Der eingestreute Humor ist gelegentlich etwas platt, gerade am Ende dann aber auch ziemlich schwarz und treffsicher. Die DVD-Wiederveröffentlichung in der Reihe Pidax-Film-Klassiker bietet ein sehr gutes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1), das lediglich in den dunkleren Passagen etwas grobkörniger ausgefallen ist. Auch der Ton (Deutsch in Dolby Digital 2.0) ist nicht zu beanstanden. Die englische Sprachfassung, die ca. sechs Minuten länger ist, gibt es im Bonusmaterial zu sehen (in schlechterer Bildqualität, optional mit deutschen Untertiteln). Die Extras enthalten darüber hinaus noch den Interviewclip „Erinnerungen an Marlene von Kameramann Charly Steinberger“ (2 Minuten) und eine kleine animierte Bildergalerie.

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