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Unerwünschtes Überbleibsel - »Anastasia – Die letzte Zarentochter«

Anastasia – Die letzte ZarentochterUnerwünschtes Überbleibsel
»Anastasia – Die letzte Zarentochter«

Mehrere Jahrzehnte lang hielt sich das Gerücht, dass Großfürstin Anastasia von Russland anno 1918 die komplette Auslöschung der Zarenfamilie während des Russischen Bürgerkrieges überlebt habe. Etliche Bücher, Zeitschriftenartikel und später auch Filme beschäftigten sich mit dem Verbleib jener letzten Zarentochter, so auch der 1956 von Falk Harnack inszenierte Starfilm „Anastasia – Die letzte Zarentochter“.

Anastasia – Die letzte ZarentochterIn die Titelrolle der in den Credits lediglich als „Die Unbekannte“ titulierten Frau schlüpfte damals Lilli Palmer, die zu jenem Zeitpunkt bereits auf eine große internationale Filmkarriere zurückblicken konnte. Nach einem kurzen Zwischenstopp in London hatte die Palmer schließlich in den 1940er Jahren auch in Hollywood Filme an der Seite von Gary Cooper („Im Geheimdienst“) oder neben John Garfield und William Conrad („Jagd nach Millionen“) gedreht. Ihre Ehe mit dem Kollegen Sir Rex Harrison war von einem skandalträchtigen Seitensprung überschattet, weswegen die Filmkarrieren beider frühzeitig endeten. 1954 kehrte Lilli Palmer schließlich nach Deutschland zurück, wo sie im Nachkriegskino auch schnell wieder zum Star aufstieg und schließlich in die Rolle „Anastasias“ schlüpfte, die im selben Jahr unter Anatole Litvak auch schon von Ingrid Bergman in einem gleichnamigen Hollywoodfilm verkörpert worden war.

Anastasia – Die letzte ZarentochterIm Jahr 1918 kommt es in Russland zur Ermordung der gesamten Zarenfamilie. Lediglich die 17jährige Anastasia kann schwer verletzt gerettet und nach Rumänien geschmuggelt werden. Zwei Jahre später ist die Frau (Lilli Palmer) in Berlin angekommen, wo sie sich in ihrer Verzweiflung in den Landwehrkanal stürzt, aber gerettet werden kann. Sie wird zunächst in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo sie Angaben zu ihrer Person strikt verweigert. Einige Zeit später, und nachdem sie mit etlichen ehemaligen Untergebenen und entfernten Verwandten konfrontiert worden ist, behauptet sie auch selbst, Anastasia und somit die letzte Überlebende der ermordeten Zarenfamilie zu sein. Die unterschiedlichsten Personen nehmen sie im Anschluss bei sich auf, von der Mitinsassin Fräulein Peuthert (Berta Drews) über Herzog von Leuchtenberg (Otto Graf) bis hin zu Prinzessin Katharina von Russland (Ellen Schwiers), bei der sie durch Gleb Botkin (Ivan Desny) in den USA Asyl findet. Doch immer wieder tauchen Menschen auf, die die aristokratische Identität der Frau in Zweifel ziehen und vielmehr behaupten, es handele sich bei ihr um eine arme polnische Landarbeiterin, die lediglich auf das bei der Bank von England hinterlegte Vermögen der Zarenfamilie scharf wäre.

Anastasia – Die letzte ZarentochterBis in die 1990er Jahre hinein, in denen die sterblichen Überreste der Zarenfamilie geborgen und zugeordnet wurden, beschäftigte das Phänomen Anastasia Adelsforscher und Historiker. Mitte der 1950er Jahre war das breite Interesse der Öffentlichkeit für den Fall am größten, damals erschien im Stern auch Hans Noglys Bericht zum Thema, der auf Zeugenaussagen und Gerichtsakten basierte. Aus dem gleichen Material zimmerte Krimiexperte Herbert Reinecker („Derrick“) 1956 auch das Drehbuch zu „Anastasia – Die letzte Zarentochter“, der heute ein interessantes Kuriosum darstellt. Der prominent besetzte Film ist keinesfalls das Adelskostümdrama, das man unter dem Titel vermuten könnte, sondern ein primär zur Zeit der Weimarer Republik spielendes Gesellschaftsdrama, in dem es um politische und wirtschaftliche Scharmützel und die Sensationsgier der Bevölkerung geht. Lilli Palmer übertreibt zu Beginn ein wenig, als sie die vermeintliche Überlebende als geistig verwirrte Irre darstellt, doch im weiteren Verlauf kann sie dann auch andere Facetten der Figur offenbaren. Ein ungewöhnlicher, stargespickter Genrehybrid, der nun erstmals auf DVD veröffentlicht wurde. Die Fassung präsentiert ein gutes Bild (im schwarzweißen Vollbildformat 1,33:1) und einen etwas rauschigen, doch stets noch gut verständlichen deutschen Originalton (in Dolby Digital 2.0). Als Extras hat man den deutschen Original-Kinotrailer sowie den vierseitigen verkleinerten Nachdruck der „Illustrierten Film-Bühne“ (Nr. 3432) als Booklet beigefügt, der etliche Fotos, eine umfangreiche Inhaltsangabe und Besetzungs- und Stabangaben zum Film enthält.

Kommentare  

#1 Mainstream 2020-09-05 08:49
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Mannomann, erst ABSCHIED VON DEN WOLKEN und nun dieses kleine vermeintliche Juwel. Da muss man sich aber ran halten. Tolle Tipps. Und was Pidax da wagt, ist immer wieder erstaunlich.
Danke für die Besprechungen.

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