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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Wer fragt nach Titel oder Namen (Fürsten-Roman Jubiläumsausgabe 883)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Wer fragt nach Titel oder Namen«
Fürsten-Roman Jubiläumsausgabe 883 von Marlen Mertens

This is it! Es gibt nichts mehr zu diskutieren, das ist es. Das Ende der Fahnenstange, der definitive Alte-Frauen-Roman in seiner reinsten modernen Form, keine ›Essenz von Sülz‹, sondern ein barbiehafter Wunschtraum von der Überlegenheit der adeligen und finanziell unabhängigen Klasse, die Zeit und Penunse genug hat, um sich hauptsächlich um ›wichtigere‹ Dinge des Lebens zu kümmern oder nach dem Mann/der Frau zum Leben zu suchen.

So gut möchte man es im Leben natürlich auch haben, wenn nicht mal die elitären Hotelrechnungen noch einen Gedanken wert sind und vor praktisch jeder Namensnennung im Roman (und das sind recht viele) ein Adelstitel steht.

Da muss man natürlich nicht besonders viele Gedanken an das niedere Volk verschwenden (die können ja Arztromane lesen), solange im Hintergrund der „neverending holiday“ niemals endet und alle Wünsche weitestgehend erfüllt werden.

So ist dann auch die einzige – superkurze – Sprechrolle eines bürgerlichen Charakters eine pummelige Motzfigur, die – und das ist schon reinste Ironie – die Adeligen in Normalo-Verkleidung wegen ihrer Herkunft verachtet, weil sie sich für etwas Besseres hält.

Was uns auch schon zum Zwitterigen dieses Romans führt, der einerseits nicht in allen Gelenken knirscht, als könnten im tiefsten Herzen die Rückkehr des Kaisers kaum noch abwarten, aber andererseits einen Plot zusammen rührt, der so 1955 ist, als wären es die Heerscharen an Sissi-Fans nie auch nur einen Tag älter geworden.

Yellow Press und „Goldenes Blatt“ sind zwar ein wenig in die Jahre gekommen, aber wenn Meghan Markles Hochzeit mit Prinz Harald immer noch Millionenscharen in Flammen setzen kann, dann gibt es auch für (Adels-)Titelträume immer noch ein Publikum, man muss nur das Medium modernisieren.

So rutscht dann auch der Plot relativ schmalzfrei an einem herunter, handelt es sich doch nur um eine Variante der alten „Drei Männer zur Auswahl“-Story, obwohl der Bürgerliche doch viel interessanter ist. Hollywood hätte zwischen den 30ern und den 60ern gewusst, was man aus sowas macht, allerdings mit dem kleinen, aber feinen Zusatz, dass dort der Bürgerliche nicht am Ende doch ein Adeliger gewesen wäre.

Hier bleibt man besser unter sich, wie sich – wenig überraschend – herausstellt, verzichtet auf die komplette ironische Brechung und stellt die Stände von Anfang an für den Leser kristallklar heraus.

Das hilft, die Erwartungshaltung zu stützen, killt aber komplett den Spannungsbogen, aber das habe ich mir für dieses Zielgruppenendprodukt sowieso nicht anders vorgestellt.

Darum gilt auch für die Titelwahl des vorliegenden Romans „Wer fragt nach Titel oder Namen“ (signifikant gleich ohne Fragezeichen ausgestattet) wohl nur der gemeinschaftliche Ruf: „Na, jeder hier!“, denn ohne Aufgabe im Leben oder anderweitige dezidierte Interessen, ist es domestikengeprüft besser, wenn man den dienstbaren Lebensstil schon gewöhnt ist.

Dann hau mal rein, Marlen…

Alle Tränen sind vergessen»Naja, wenn man so angezogen ist, kann man nur aus den unteren Schichten kommen. Es ist ja eine Zumutung, mit welchen Leuten man hier an einem Tisch sitzen muss.«
Es ist mal wieder Zeit für die Kirchweih im südlichen Ländle, das ist die frohe, ausgelassene Zeit des Jahres, zu der man sonst Rummel sagt und wo man sich bequem und gelöst einfach mal mit jedem gemein machen kann.

Das denken sich auch Cornelia PRINZESSIN von Rebenach und ihre beste, nicht ganz so volksnäheaffine Freundin Melanie KOMTESS von Straßheim, als sie im Karusselltrubel samt Bier- und Weinzelt mal ordentlich die Kuh fliegen lassen wollen.
Cornelia ist schon 25 Sommer alt, aber nur knapp über 1,50 groß und deswegen – wie sie vermutet – auch immer noch überkritisch bezüglich heiratsfähigen Männerpersonals. Tatsächlich hat sie aber einen sehr intensiven Horoskophaschmich, der kein vollwertiger Tinder-Ersatz sein kann. Nebenbei hat sie auch noch ein Intensivfaible für ihren Zwergschnauzer GENERAL Daun, der so ziemlich alles darf, vor allem seinem Herrchen die passenden Männer aussuchen. (Der General wird auf dem  Coverfoto übrigens noch als Mops dargestellt, aber bei Altersgleitsicht kann und sollte man darüber hinweg sehen.)

Im prall gefüllten Festzelt holt Melanie erst mal zwei Wein plus Wassernapf (wie die Tussi das auf einmal transportiert hat, erschließt sich mir nicht) und dann gerät man auch noch mit einer dicken Dame aneinander, die den Adelshumor nun so gar nicht versteht und die riskant gewählten Blue Jeans gleich mal für ein Zeichen niederer Stände hält. Die Urlaubsplanung Cornelias ist noch nicht ganz klar (der Astrologe war mal wieder arg ungenau mit dem Horrorskop) und deswegen kehrt sie auch flugs in Madame Leandras Wahrsagezelt ein, um sich beraten zu lassen.

Madame Leandra hat noch die volle Hexenverfolgungs-Zigeunerlook-Nummer drauf (jaja, ich weiß, das geht heute so gar nicht mehr, aber das Z-Wort fällt auch nicht im Roman, ich umschreibe nur den Uraltlook, wie er so gern in der Vergangenheit (bei meiner letzten Rezi etwa) gebraucht wurde), mit vielen Ringen, rauchiger Stimme und Kristallkugel mit zuschaltbarer Okkultbeleuchtung und eröffnet den Kampf mit der Wahnsinnserkenntnis, dass Conny nicht ihr Pferd, sondern die wahre Liebe suchen würde. Während sich Cornela schon mit dem Unterlippennagen als auf der Suche nach einem mittelgroßen Mann zu erkennen gibt, verfällt die Dame in Trance und prophezeit das Mädel in Richtung Ungarn, um dort einen schwarzhaarigen Mann mit hellen Augen zu suchen.

Anschließend weiß sie angeblich von nix mehr und überlässt die Interpretation dem armen Opfer, das nach einigem Nachdenken 300 flotte Euronen abdrückt und sofort Ungarn-Tickets bucht.

Ist natürlich alles Kokolores, denn Leandra, die in Wirklichkeit Gerti hält, hat Cornelia durch ihre Levis 501 sofort erkannt und weiß sogar von ihrem Aberglauben – so macht man Kasse auf die Schnelle.

Als Nächstes gilt es natürlich die Eltern von der Urlaubswahl zu überzeugen, also FÜRSTIN Stephanie von Rebenach und FÜRST Gregor, die dem Thema semi-intakte Adels-Ehe ganz neue Seiten abzugewinnen wissen. Während Stephi das natürlich für eine Schnapsidee hält, will Gregor eigentlich nur lesen und seinem Hasi doch nicht alles verbieten. Das mit der Wahrsagerin gefällt ihm nicht, aber die Suche nach einem Ehemann klingt nicht so schlecht. Gegen einen Ungarn hätte er zwar Bedenken, aber da sie den Männe ja auch nur IN Ungarn finden soll, geht das wieder. Auch wenn KOMTESS Melanie ja auf Kreuzfahrt ist, weil sie Gunnar GRAF von Bergheim nachsteigen will.

Und weil Großmama mütterlicherseits sowieso ein loser Vogel war, gibt sogar Muttern ihr Okay.

Also packt Conny 25 Koffer, ihre Platin-Bahncard und ihre bellende Fußhupe ein und rattert mit dem Eurocity nach Budapescht, wo sie von sehr servilen Trägern und Taxifahrern im schönsten Englisch bis zum Hotel Krone geleitet wird. Ihr Daunemann darf sogar noch ans Taxi pissen, nicht mal das bringt die Ungarn noch aus dem Takt. Gut, ein paar Umwege und Extrakilometer sind schon drin, aber das ist wohl okay.

In der Lobby des Hotel des Hotels wendet sie sich dann an einen anwesenden (großen) blonden Typen, den Mausezahn für den Empfangschef hält und fordert ihn (höflich) auf, das Gepäck aufs Zimmer zu schaffen. Der Herr muss leider passen, denn sein Dienst ist zu ende – und eigentlich heißt er auch Alexander FÜRST von Hehrburg, ist ein patenter Geschäftsmann und vor allem noch ledig. Ach ja, einsam ist er eigentlich auch noch und hat sofort die Ehrlichkeit in Cornelias Augen erkannt. Spontan beschließt er, im Hintergrund vielleicht noch als Empfangschef zur Verfügung zu stehen.

Und los geht die wilde Ehehatz, denn Cornelia trifft beim Stadtrundgang einen netten Herrn, der ihr die Stadt doch glatt gleich noch mal zeigen möchte: Gabor GRAF von Bodrogi! Deutsch spricht er auch passabel (jaja, die alte K&K-Monarchie wirft ihre Schatten) und führt sie so in ein traditionelles Lokal mit Spezialitäten und einheimischer Musik. GENERAL Daun ist nicht so überzeugt und knurrt den Grafen auf Sicherheitsabstand (eine Armlänge), aber es wird dennoch ein netter Abend.

Die nächsten Tage werden flott gemeinsam verbracht, wobei Gabor die „Bürgerliche“ gefällt, er aber aus monetären Gründen eigentlich GRÄFIN Zsazsa von Tabody heiraten soll (klar, der Gabor heiratet die Zsazsa, will die Autorin hier einen verscheißern oder ist das ein Insidergag?), was aber nicht so viel Spaß machen würde. Und Kohle scheint Conny ja auch zu haben (Maßkleidung!).

Seinen ersten Liebesschwur überhört sie zufällig und obwohl sie sich prachtvoll amüsiert ist, kommt sie doch zu dem Schluss, dass sie mit diesem oberflächlichen Mann, der sie von einem romantischen Restaurant ins Nächste schleppte, nichts anfangen kann (!). Der Funke springt einfach nicht über.

Fürst Alex spielt derweil weiter den B-Empfangschef in der Lobby und weiß gar nicht recht, warum. Naja, vielleicht doch: aus Schutzgründen und weil er endlich mal um eine Frau kämpfen muss (Sinken die sonst alles sofort dahin?). Außerdem steht der GENERAL auf ihn, vor allem als Alexander den Hund und das Mädchen vor einem akuten Wettereinbruch in die Lobby rettet und dann zu einem gemeinsamen Essen einlädt. Dort vertraut sie ihm an, dass die Bodrogi-Episode vorbei ist und warum sie das alles überhaupt durchzieht. Das findet Alexander dann nicht spinnert, sondern anspornend und gibt ihr den Tipp, von Budepest nach Tihany zu reisen und dort zu suchen.

Er bucht ihr sogar den Trip – und als es Schwierigkeiten mit Zimmern und Suiten gibt, chauffiert er sie sogar in seinem noblen Wagen dorthin – er immerhin hat ja schon ein Hotelzimmer.

Auf der Reise gibt er sich als Alex Hehrburger zu Protokoll, doch die Namensähnlichkeit fällt sogar  ihr auf. Dennoch, Alex ist ihr angenehm und ihr fällt – zwecks Kontakthaltung – natürlich nichts Besseres ein, als ihm den Chauffeursjob bei Papa anzudienen, der schon lange frei ist. Das geht für Alexander natürlich in die falsche Richtung.

In Tihany ist es dann zwar schön, aber wie sie schon sinniert: „Schade, dass er nicht von Adel ist. Irgendwie gefällt er mir.“ So wird das nichts mit den beiden.

Bei einer Schiffstour über den Plattensee taucht dann auch prompt der zweite Kandidat auf, Heinrich PRINZ von Amsbach, der sofort und auf der Stelle beim GENERAL verschissen hat. Tatsächlich ist Heinrich mehr so von der dekadent-trägen Sorte und so ziemlich von allem gelangweilt, was ihn umgibt.

Prompt hat das Schiff mitten auf dem See einen Motorschaden, also schmeißt der Kapitän reichlich Wein und lässt einen Czardas-Tanzkurs improvisieren, was vor allem Cornelia ordentlich durchwirbelt. Heinrich findet so etwas alles leider nur vulgär, was ihn komplett disqualifiziert. Gerade hat sie die Bekanntschaft gekündigt, als sie in Alex rennt, der – und das ist gar nicht verdächtig – wusste, dass sie an Bord war und mit dem Motorboot zu ihrer Rettung geschifft ist.

Er verschweigt weiter seine Herkunft, schließlich soll sie sich aus freien Stücken entscheiden.

Im Hotel hat dann auch schon jemand für Conny eine rote Rose platziert, die sie aber noch nicht zuordnen kann. Inzwischen findet sie die Chose mit dem Chauffeursangebot aber auch schon recht peinlich. Immerhin! Da taucht Amsbach noch einmal auf und echauffiert sich gleich darüber, dass sie Soße mit Restebrot auftunkt – damit ist der Käse endgültig gegessen (oder der Pörkölt, das offenbar einzige ungarische Gericht, dass die Autorin kennt). Er schwadroniert noch etwas über seine ungeheure Langeweile und kriegt dann den Kopf zurecht gesetzt. Jawollja! Abtreten.

Prompt taucht Alex wieder auf und so langsam bekommt Cornelia Zweifel über die Prophezeiung, ein paar Tage will sie aber noch bleiben. Eigentlich ist Alex ja ganz schnuckelig. Er empfiehlt ihr als nächstes Ziel die Stadt Pécs mit seinen Sehenswürdigkeien. Hehrburg würde liebend gern den Reiseführer machen, aber er muss für einige Tage nach Deutschland zurück (diese verdammten Prokuristen mit ihren Geschäften), aber hinbringen kann er sie noch per Auto.

Cornelia ist angetan, aber auch verwirrt: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass Sie gar kein Hotelangestellter sind!“, vermutet die betriebsblinde Adelige. Da kündigt er an, dass er ihr in Pécs noch was Dolles erzählen muss und bittet um Aufschub, schnubbelt sie flüchtig und identifiziert sich als Rosenspender. Dann huscht er los, sie verspürt schon die nötige Traurigkeit.

Doch kaum ist der Galan in spe abgereist, läuft sie schon in Kandidat Nummer Drei, einen Maler namens Gert BARON von Mellsheim, der sich ruhig und angenehm gibt. Mit ihrem Titel PRINZESSIN ist er auch bei der Hand, aber man ist ja incognito hier. Weil Alex so fehlt, nimmt sie seine Gesellschaft an.

Doch Alex verspätet sich natürlich wie es Märchen so üblich ist und der gigantische Rosenstrauß an sie kommt ohne Liebesschwurkarte an. Das bringt die Adelige natürlich sofort an den Trennungsrand: Bestimmt hatte Alex eingesehen, dass Adel und Hotelangestellte nicht zusammen gehen und außerdem hat sie wohl sowieso vergessen, wer sie war (ne naive Tusse) und welchen Stand sie zu vertreten hatte (keinen von Bedeutung). Also macht sie einfach dolle weiter mit Urlaub.

Ihr fällt aber schon auf, dass sie künftig immer die Rechnungen bezahlt, was Gert so erklärt, dass er selbstfinanzierend als Maler arbeiten möchte (statt an die Erbschaft zu gehen) und momentan klamme ist. Sie lässt deswegen reichlich Kohle rüberwachsen (damit er auch mal bezahlen kann!!!), bis er endlich mal wieder ein Bild verkauft hat. Nach ordentlich Spaß und Czardas will Gert mit ihr auf Reisen gehen und sie ist nicht abgeneigt, sogar ihr Hund mag den Mann seltsamerweise. Auch will er Ortsveränderung, um neue Eindrücke fürs Malen gewinnen zu können.

Man beschließt – aufgrund einer seinen dollen Stories – nach Eger zu fahren, wo er wieder Kontozugang hätte und hat das Herz der Dame schon halb in der Tasche.

Kaum abgereist, ist Alexander schon auf der Hut (kriegt ALLE Infos sofort von den Hotelangestellten zugeplaudert), der sich wegen der Verspätung natürlich grämt. Weil er den Begleiter Cornelias nicht kennt, reist er sofort zu seinem guten Bekannten GRAF Leonhard zu Kreuzen, der ihm mit einem Adelsverzeichnis aushelfen kann, wo die von Mellsheims natürlich nicht auffindbar sind.

Zum unfassbaren Glück ist Leonhards Gattin GRÄFIN Belinda stets hinter Adelsbetrügern her und hat ein Netzwerk virtuell am Start, das sie mit vielen polizeilichen Stellen verbindet. Alsbald findet sie eine Fahndungsliste mit einem Gerhard Meller, der sich stets als BARON von Mellsheim ausgibt und europaweit gesucht wird. Ein Heiratsschwindler, so eine Sauerei. Die Behörden werden informiert und Alexander düst sofort mit dem Flieger los, um die beiden vom Ziel aus abzufangen.

Cornelia und Gert sind derweil schon mal in Budapest angekommen und sie vermeidet prompt ihr altes Hotel, um Alex nicht zu begegnen. Gert spürt inzwischen den Druck und will in Eger zum Zug kommen und ihr einen schnellen Ring anstecken und Geriebenes machen.

Naivling Cornelia ist schon halb überzeugt, doch auf der Reise fällt ihr auf, dass Gert immer nervöser wird. In einer etwas öden Puszta-Gegend geht dann sein Auto kaputt und sie stranden in einer menschenleeren Mittagshitze. Ihre patenten Beteuerungen reizen ihn deswegen zu ein paar bissigen Bemerkungen in Richtung Adelsdekadenz („Prinzessin haben sich leider nicht darum gekümmert, Reiseproviant zu besorgen.“), was nicht gut ankommt: „Prinzessin ist auch keine biedere Hausfrau, Herr Baron!“.

Also müssen sie gemeinsam und vergrätzt einen Nachmittag Durst schieben, ehe Alex mit reichlich Mineralwasser zur Rettung eilt. Er holt Cornelia ab, lässt Gert bei seinem Wagen zurück, damit ihn die Polizei dort aufsammeln kann. An der nächsten Raststätte klärt er sie dann über Gerts eigentliche Identität auf und gibt sich dann auch selbst zu erkennen.

Er klärt die Sache mit der fehlenden Karte und wiederholt die darauf gestandene Liebeserklärung noch einmal nahmündlich. Er hat zwar das falsche Sternzeichen (in allen Horoskopen, auch dem chinesischen), aber ohne die Wahrsagerin hätte sie ihren neuen Ehemann eben auch nicht kennengelernt. Und dann können sie glücklich bis an ihr Ende leben (oder bis zur Wiedereinsetzung der Monarchie in Deutschland)…

»Ich bin seit einer Woche in Tihany und habe mich bis jetzt fast zu Tode gelangweilt!« - »Vielleicht liegt das an Ihnen?« - »Warum an mir? Ich bin hier, um unterhalten zu werden!«
Man merkt es vielleicht schon, wer jetzt auf rasende Innovationen im Adelsroman gewartet hat, ist auch mit diesem Beitrag noch besonders gesättigt, immerhin haben die lustigen Investigativadeligen der zu Kreuzens (seine Frau hat dieses tolerierbare kuriose Hobby, die vom Untergang bedrohte Adelsgesellschaft Europas blutsrein zu halten) schon so etwas wie Beziehungen zu den Behörden und offenbar auch Internet.
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch der Rest ist es leider nicht, denn Ungarn – das poetische Ungarn – hat hier so gar nichts von dem von Victor Orban und seinen nationalistischen Horden kontrollierten Fake-Demokratie-Land mit reichlich Wirtschaftsarmut, sondern präsentiert sich ausschließlich als wunderschöner Touristenreisebilderbogen mit traditionellen Showelementen (Gulasch, Czardas, Wein), einer Reihe hübsch aufgezählter Sehenswürdigkeiten direkt von der Wikipedia-Seite der ungarischen Reiseziele und einer Lore von Luxushotels, wo einem die Koffer noch servil aus den Händen gerissen werden. Nebenbei klingt dann außerdem immer wieder an, dass die Bürgerlichen (Taxifahrer, Wahrsager) im Grunde mit Hochständigen letztendlich nur eine schnelle Mark zusätzlich machen wollen, doch das muss man wohl in Kauf nehmen, wenn man hinten und vorn am Ende doch bedient werden will.

Alexander ist zwar ein patentes Kerlchen und organisiert hier bond-mäßig die Rettung der verfolgten Unschuld (die sich natürlich nicht von ihren Reisegefährten zwischendurch mal durchbügeln lässt), wird aber ziemlich schnell betriebsblind, sobald er seine eigenen Gefühle entdeckt. Da steht ihm die Eifersucht und die Verzweiflung ob seiner Scharade ins Gesicht geschrieben, denn so besonders geschickt stellt er sich nicht dabei an, einen Hotelangestellten zu mimen, komplett mit reichlichen Ungarn-Kenntnissen, dickem Schlitten und jeder Menge Zeit, eine Bekannte überall hin zu kutschieren, wo er dann auch noch die Rechnung übernehmen kann.

Zum Glück ist Cornelia nicht nur abergläubisch, sondern auch unglaublich unerfahren und naiv in ihren schlimmsten Momenten, unterbrochen von Lichtblicken was ihr langzeitiges Glück und dessen Chancen angeht.
Ein unsicheres Milchbrötchen haben wir da, dessen Lebenszweck nur der Mann zum Leben ist, der gefunden werden muss, während sie sich endlos auf der Suche nach Gesellschaft an ihren Begleitern (freundlich) delektiert. Dabei scheint sie das viele Geld, dass die Reise kosten dürfte geradezu zu scheißen und bündelweise unter die Leute zu bringen, während der verbliebene heiratsfähige Rest ihres „Standes“ sich aus den zu vernachlässigenden Motiven „Geld- oder Liebesheirat“, totaler Dekadenz und Betrügern zusammen setzt.

Da darf sogar uns Bürgerlichen so viel Simplizität der Räucherlachs samt den Eiern Benedict vom Frühstück kurz hochkommen, vorzugsweise, wenn Conny (hier ohne Pferde) mal wieder alles Entscheidende davon abhängig macht, was ihr Putzelhund aus dem Tierheim zu dem Gschpusi wohl sagt. Dessen Erzählperspektive nimmt Frau Mertens dann auch mehrfach ein – lässt ihn aber mehr auf der Basis von Schnüffel- und Wälzmöglichkeiten (Wiesen statt Straßenpflaster) entscheiden.

Der Adel selbst beweist hier ein gewisses Fügen in das Schicksal, etwas Besseres zu sein, obwohl die eigentliche Zeit des Standes schon längst abgelaufen ist, verziert mit etwas ironischer Distanz (aber nicht zuviel), solange man das alles samt Lebensstil noch gut und gerne finanzieren kann.

Das modernisiert die alten Schmachtfetzen natürlich nur unwesentlich, trägt aber zur (schnellen, sehr schnellen) Lesbarkeit bei. Dennoch will man die Flöten, die hier ältere Damen beeindrucken sollen, meistens ob der nur oberflächlich amüsiert-kaschierten Arroganz und dem an allen Ecken und Enden anklingenden Standesdünkel die ganze Zeit nur ohrfeigen.

Ich geh mir all den Glanz und Schimmer jetzt mal dringend abduschen und hebe die seichten Arztstories von neulich nach diesen immer noch so wichtig erscheinenden „alten Werten“ gleich noch auf ein höheres Podest.
Aber wenn es nur darum geht, dass einem das Herz aufgeht, dann kriegt man eben wie vom Bringdienst auch genau nur das geliefert. Schließlich wollen wir ja vom Horrorroman auch nur immer, dass das Monster am Ende gekillt wird und beim Western der Böse unterliegt.

Die logische Folge darauf wäre für mich dann jetzt wohl, dass ich mich mal irgendwann demnächst an ein altes Landserheftchen mache und mal so schaue, wie sich im 21. Jahrhundert wohl die Wehrmacht so schlägt. Ist ja auch aktueller als der Hochadel, stelle ich fest...

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Kommentare  

#1 Heizer 2018-09-15 09:06
Ich weiß nicht, wem ich mehr danken soll.
Norbert, der sich regelmäßig in den Blaumann wirft, um in seiner Trashfilm-Tonne fündig zu werden oder Jungs wie Dir, die sich eine Perücke aufsetzen, um dann in öffentlichen Verkehrsmitteln und für jeden sichtbar solche Sachen zu lesen.
Hätte ich die Wahl der Qual, dann würde ich mich tatsächlich für den „Landser“ entscheiden. Da überleben dann zumindest nicht alle Beteiligten. Was auch ein Trost sein kann.
#2 Advok 2018-09-15 09:52
Deine Besprechungen sind köstlich - ich muss gestehen, dass ich von den sogenannten Frauenromanen so gut wie keine Ahnung habe, obwohl ich mich für Heftromane interessiere.

Frage an die Allgemeinheit: Gibt es bei den Fürsten-, Berg- und Heimatromanen auch Subserien bzw. wiederkehrende Figuren?

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