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Die Qing-Dynastie Teil II

Das Ende der Qing-DynastieDie Qing-Dynastie
Teil II

Die Qing-Dynastie, eines der großen Herrschergeschlechter in der chinesischen Geschichte, entstand aus einem mandschurischen Clan, der die Han-Dynastie ablöste und bis zum Ende des Kaiserreiches China die Geschicke dieses riesigen Landes lenkte. Nach einem ersten Teil, erschienen am 05.10.2009, beginnt der 2. Teil mit Daoguang, dem Großvater des letzten Kaisers und führt über Cixi zu Pu Yi, dem am 17. Oktober das historische Kalenderblatt gewidmet sein wird.  (Vorbemerkung: Die Fotografien von Beijing stammen aus dem Jahr 1900-1902 - Lit.hinweis am Artikelende)
 
Schließlich bestieg mit Kaiser Daoguang der Großvater des letzten Kaisers den Thron. Der Großvater von Pu Yi, der 1. Prinz Chu, war ein Sohn von Daoguang, der 1820 chinesischer Kaiser wurde. Daoguang, mit Geburtsnamen Mianning, war siebter Manchu-Kaiser. Chu hatte keine Chancen auf den Thron, er stand in der Thronfolge unter "ferner liefen".
 
Daoguang - Kaiser von China
Daoguang geriet, wie bereits seine Vorfahren, in die Auseinandersetzung mit den Kolonialmächten, die immer mehr Macht über Asien zu erlangen suchten. Auslöser dieser Auseinandersetzung war das Opium. Es hatte von Alters her seine feste Position in der chinesischen Medizin, erst der gezielte Import durch englische Händler über Taiwan nach China führte jedoch zu einer breiten Abhängigkeit in allen Bevölkerungsschichten und den legendären Opiumhöllen, denen man in manchen Abenteuerromanen begegnet.
 
Zwar hatten die Qing den Opiumhandel bereits im frühen 18. Jahrhundert verbieten lassen, dies interessierte die Engländer allerdings wenig. Auch unter Daoguang floss das begehrte chinesische Silber als Bezahlung für Opium aus dem Land und direkt in die Taschen der Händler.
 
 
Daoguang kam zu dem Entschluss, dass er etwas tun musste. Einer seiner Berater wurde zum Kommisar ernannt, der den Handel stoppen sollte. Dies war der Beginn des Opiumkrieges, in dem China unterlag. Die Folgen waren weitreichend. Nicht nur verlor China die Insel Hongkong, es wurde auch dazu gezwungen, seine Häfen für den Westhandel zu öffnen.
 
Kaiserstrasse und Eingang zur Verbotenen StadtNach Daoguangs Tod 1850 wurde Xianfeng, ein Sohn von Daoguang, Kaiser des chinesischen Reiches. Mit dem Namen Xianfeng brachte der junge Mann die Perspektive zum Ausdruck, unter der er seine Regentschaft sehen wollte. Das chinesische "Xianfeng" steht für etwas wie "allgemeiner Wohlstand und Wachstum". Dies gelang Xiangfeng allerdings nicht.
 
Auch ihm war wenig Glück in seiner Herrschaft beschieden. Aufstände, Unruhen, die immer stärker werdenden Einflüsse der Briten ... alles das trug mehr und mehr dazu bei, dass China bröckelte. Dies ging so weit, dass Xianfeng sogar aus der Verbotenen Stadt fliehen musste.
 
Als seine Abgesandten Verträge unterzeichneten, die offiziell Frieden brachten, wollte Xianfeng nicht zurück kehren. Er schämte sich seiner Flucht und wollte die so bedeutungsvolle Stätte nicht mehr betreten. Er starb in Jehol, einer Sommerresidenz der chinesischen Kaiser.
Die Kaiserlichen Gemächer in der verbotenen Stadt
Kaiserin Cixi - Die große Dame Chinas
 Wie am chinesischen Kaiserhof üblich, wählte der Kaiser  seine Frauen nicht selbst aus, die Kaiserinmutter war dafür verantwortlich. Aus den verschiedenen Clans oder Volksgruppen wurden die schönsten Frauen ausgewählt, die ganz bestimmten Schönheitsvorgaben und Anforderungen an ihre Fähigkeiten und Kenntnisse genügen mussten. Dabei ging es, dies wird durch die Form der Auswahl mehr als deutlich, nicht um so profane Dinge wie Liebe oder persönliche Sympathie.
 
Nach der Verehelichung war es keineswegs so, dass der Kaiser frei entscheiden konnte, bei welcher Frau er seine Nächte verbringen wollte. Es wurde peinlich genau Buch darüber geführt, wann der Kaiser bei welcher seiner Frauen und Nebenfrauen war. Die Kaiserin hatte einen verbrieften Anspruch darauf, dass der Kaiser mindestens einmal im Monat die Nacht bei ihr verbrachte.
 
Cixi - die große Kaiserin - als junge Frau und ca 1908Eine der vielen Frauen von Kaiser Xianfeng wurde eine damals gerade 17-jährige Frau aus einer unbedeutenden mandschuirschen Famile. Ihr Geburtsname ist nicht genau bekannt, viele Historiker geben ihn mit "Lan Kueu" (Kleine Orchidee) an, andere mit "Yu Lan" (Jade Orchidee), bekannter ist sie jedoch unter ihrem kaiserlichen Namen: Cixi (ihr voller kaiserlicher Name lautete "Xiao-Qin Ci-Xi Duan-You Kang-Yi Zhao-Yu Zhuang-Cheng Shou-Gong Qin-Xian Chong-Xi Pei-Tian Xing-Sheng Xian".
 
Cixi wurde eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren der chinesischen Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 1851 stand sie gemeinsam mit rund 60 anderen jungen Frauen am kaiserlichen Hofe vor der ersten Nebenfrau Daoguangs, Xiao Jing Chen. Aus diesen Frauen sollte Xiao Jing, die selbst von Dschingis Khan abstammte, die Konkubinen für den neuen Kaiser Xianfeng auswählen. Nach dem Tod der leiblichen Mutter von Xiangfeng war Xiao Jing die "kaiserliche Konkubine" von Daoguang geworden und hatte sich um die Erziehung von Xianfeng gekümmert. 
 
Eine dieser Auserwählten war Cixi. Sie begann ihre Karriere als unbedeutende Nebenfrau des Kaisers Xianfeng, die nur aufgrund einer Reihe glücklicher Zufälle in den "Fokus" des kaiserlichen Interesses rückte, schwanger wurde und den einzigen männlichen Erben Xianfengs gebar.
 
Ci'an - Kaiserinwitwe von XianfengNach chinesischem Palastrecht war Cixi nun zwar die biologische Mutter des kommenden Kaisers, die Erziehung und der Rang der "offiziellen Mutter" stand jedoch der Kaiserin zu, was Cixi größtenteils des Einflusses auf ihren Sohn beraubte. Diese Geburt bedeutete für Cixi einen ungeahnten Aufstieg in der Hierarchie des Harems und Palastes. Als Mutter des Erben wurde Cixi eine Nebenfrau ersten Ranges, direkt unterhalb der Kaiserin.
 
Kurz vor seinem Tod ernannte Xianfeng 1861 seinen Sohn Thongzhi zum Nachfolger, und die Kaiserin und Cixi bis zur Volljährigkeit Thongzhis zu Regentinnen. Xiangfeng war der ältere Halbbruder von dem 1. Prinzen Chu, dem Großvater von Pu Yi gewesen. Für Cixi und die Kaiserin war es ausgesprochen wichtig, einen männlichen Unterstützer mit Erfahrung in politischen Dingen zu haben. Diesen fanden die beiden in Gong Qinwang, dem Bruder der Kaiserin.

Gemächer der Kaiserin in der Verbotenen Stadt
Thongzhi, Cixis Sohn, war zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Kaiser erst 5 Jahre alt. Im Palast brach ein mehr oder weniger sichtbarer Machtkampf über die Vorherrschaft über diesen kleinen Jungen aus. Wem würde es gelingen, Einfluss über ihn - und damit den chinesischen Thron - zu gewinnen? Cixi gelang es, diese Rolle zu erlangen und zu behalten. Immer wieder kam es zu innenpolitischen Krisen und Auseinandersetzungen, bei denen Cixi die Unterstützung von Verbündeten brauchte.

Chun 1., Sohn von Daoguang und verheiratet mit einer Schwester von Cixi, schlug sich auf die Seite von Cixi, und machte sie sich so weiter verbunden. Als Dank brachte Cixi den Großvater Pu Yis in höchste militärische Ränge und ebnete diesem den Weg zu einer großen Regierungskarriere. 
 
Kaiser Tongzhi1873 wurde Tongzhi volljährig und übernahm die Regentschaft als Kaiser. Nur zwei Jahre später starb Tonghzi. Es gab Gerüchte, dass Cixi für diesen Tod verantwortlich war. Es kursieren Geschichten, in denen sie als unbarmherzige Herrscherin beschrieben wird, die die Entscheidung ihres Sohnes für seine Kaiserin nicht billigte, und nichts unversucht ließ, den Kontakt zwischen ihnen beiden (und die Zeugung und Geburt eines Erben) zu hintertreiben.
 
1875 war Tongzhi tot, und Cixi, musste einen neuen Kaiser "suchen". Gegen alle Gepflogenheiten und unter Durchbrechung der Gesetze der Thronfolge wählte sie einen Sohn von Chun 1., eines ihrer treuesten Gefolgsleute, als Nachfolger aus. Ihre Wahl fiel auf einen Sohn ihrer Schwester, ihren Neffen, den späteren Kaiser Guangxu, der (siehe Stammbaum) ein Bruder von Chun 2. und damit ein Onkel von Pu Yi war.
 
Meyers Konversations-Lexikon, 1875:

Die Urteile über die Zukunft des Reichs der Mandschu sind geteilt.
Die Russen und ihre Beamten, wie Sacharow, Radloff u. a., sind der Ansicht, ihre Macht neige sich dem Ende zu, und stützen diese Meinung auf den trostlosen Zustand der Westprovinzen, auf die ununterbrochenen Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit, die jetzt selbst in der Nähe der Haupstadt abnimmt, und auf die sehr ungünstige Finanzlage.
Karl v. Scherzer, der 1869—70 China zum zweitenmal im Gefolge der Gesandtschaft besuchte, welche den im Januar 1872 endlich ratifizierten neuen Handelsvertrag mit der österreichisch-ungarischen Monarchie abschloss, hält Handelsverkehr im Innern des Landes für unmöglich, "weil Bevölkerung und Behörden nicht durch den Anblick der Batterien fremdländischer Kriegsschiffe eingeschüchtert werden können".
Dr. Gumpach, Professor am Kollegium für fremde Wissenschaften in Peking, nennt die Chinesen in einem 1872 erschienenen, gegen Burlingame gerichteten Buch "ein halbbarbarisches, eingebildetes, unwissendes Volk", welches auf gleichem Fuß mit Europäern zu behandeln Torheit wäre.
V. Richthofen, der seit 1868 die inneren Teile von China bereiste, ist dagegen der Meinung, die Kultur der Chinesen sei nicht verbraucht, sondern nur noch unentwickelt; es sei ihnen noch eine bedeutende Rolle vorbehalten.
Robert Hart, Generalinspektor der chinesischen Zölle, ist der Ansicht, dass China sich heben könne, wenn es sich mit den fremden Mächten gut stelle, ihre Erfindungen sich aneigne und einen liberalen Zolltarif einführe, der die Ausbeutung der Kohlenlager usw. erlaube.

 
 
Cixi adoptierte den Jungen und machte ihn zum Kaiser. Wieder stand die Kaiserinwitwe, die Hauptfrau von Xianfeng, gemeinsam mit Cixi dem Land vor. Als Ci'an 1881 starb, war Cixi die unumschränkte Herrscherin. Chun 1., Pu Yis Großvater, übernahm in der Folgezeit wichtige Positionen in Palast und Staat. Als er 1891 starb, wurde sein Sohn Chun 2. der neue 1. Prinz Chun.
 
Guangxu ist als Herrscher schwer zu fassen. Auf der einen Seite ein selbständig entscheidender Kaiser in aller Machtfülle, der durchaus dazu bereit war notwendige Reformen durchzuführen, war der vorletzte Qingkaiser gleichzeitig eine Marionette von Cixi, die durch ihn ihre Vorstellungen durchsetzte. Tatsächlich zog sie sich sogar bei der Volljährigkeit von Guangxu vom Hof zurück und siedelte aufs Land um. Dennoch blieb sie immer informiert über alle Entwicklungen. 
 
Meyers Konversations-Lexikon, 1875:

Die Staatsverfassung Chinas ist monarchisch und den Staatsgrundgesetzen nach, wie sie in den ersten vier Büchern des Konfutse enthalten sind, patriarchalisch; in Wirklichkeit ist die Regierung jedoch in eine Willkürherrschaft der Provinzvorstände ausgeartet.
An der Spitze steht der Kaiser, er wird als der Vater seines Volks betrachtet und besitzt über alle seine Untertanen unumschränkte Gewalt. Er ist geistliches Oberhaupt, wie viele europäische Herrscher es sind, zugleich höchster Richter und Anführer im Krieg.(...)
Der gegenwärtige Kaiser hat eine erste Frau, die Kaiserin, zwei Nebenfrauen, 9 Frauen zweiten, 27 dritten Ranges und 81 Konkubinen. Das Recht der Nachfolge beruht nicht auf der Erstgeburt, sondern der Kaiser wählt sich seinen Nachfolger unter den Söhnen seiner ersten 3 Gemahlinnen; doch wird seine Wahl erst bei seinem Tode bekannt gemacht.

 
 
Der Himmelstempel in der Verbotenen Stadt
Misserfolge - verlorene Kriege, misslungene Reformen
 
Guangxu wurde in den Chinesisch-Japanischen Krieg hinein gezogen, in dem China hoffnungslos unterlegen war. Korea, jene Halbinsel "zwischen" China und Japan war schon seit vielen Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen den beiden Staaten gewesen. Politisch auf Abschottung bedacht, war man China tributpflichtig, das sich seinerseits dazu verpflichtet hatte, seinem Vasallen zur Hilfe zu kommen, sollte es zu einem Anfgriff kommen. 
 
Japan hatte andere Interessen. Es fürchtete eine weitere Erstarkung Chinas und eine Expansion Russlands gen Osten. Gleichzeitig war das dortige Herrscherhaus selbst um Ausweitung seines Herrschaftsraums bemüht. Als erste Provokation gegenüber China und um eine Spaltung zwischen den beiden Festlandsnationen zu betreiben, erkannte Japan Korea als einen unabhängigen Staat an. Zunächst von China großmütig geduldet, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Japan und China, die sich zunächst auf die politische Ebene beschränkten. Dann brachen Unruhen zwischen nationalistischen Konservativen (pro China) und Reformern (pro Japan) aus, in denen es zu Toten kam. Die koreanische Regierung versuchte die Rebellion zu unterbinden und rief China als seinen "Lehnsherren" zu Hilfe - und tatsächlich griff China ein. 

Auch die Reformer ersuchten um Hilfe, und auch Japan beschloss, in Korea einzumarschieren. Es gelang der weit überlegenen japanischen Armee in kürzester Zeit den Königspalast in Seoul einzunehmen. Bei Gefechten unterlagen die chinesischen Truppen immer wieder und mussten sich mehr und mehr nach Norden zurück ziehen. Dann gelang es Japan sogar, in die Mandschurei, das "Heimatland" der Qing-Dynastie, einzumarschieren. 
 
Jap - The Giantkiller - Illustration aus dem Punch China hatte keine andere Wahl - man bat um Friedensverhandlungen, die 1895 zum Frieden von Shimonoseki führten. China war zutiefst gedemütigt. Nicht nur hatte es Korea als Vasallenstaat verloren, es musste auch Formosa (das spätere Taiwan) sowie verschiedene andere Inseln an Japan abtreten - und darüber hinaus noch Reparationszahlungen aufbringen.
 
In der englischen Satirezeitschrift Punch wurde eine Karrikatur veröffentlicht, die gut die Situation der Mächte illustrierte. Das kleine Japan besiegte den großen Goliath China.
 
Für Guangxu war dies der letzte Anstoß, etwas zu ändern. Er versuchte viele Reformen durchzusetzen, die eine Modernisierung Chinas zum Ziel hatten. Eine Gruppe von reformatorischen Kräften hatte eine Petition an Guagnxu geschrieben, mit der sie ihren Widerstand gegen den Friedensvertrag deutlich machten, noch wichtiger jedoch darauf hinweisen wollten, dass es unumgänglich war, etwas im Lande zu ändern.
 
Guangxu - Kaiser der Qing-DynastieDem Kaiser war die schwierige Situation seines Landes nicht verborgen geblieben. Er war zu weitgehenden Zugeständnissen bereit und ernannte einige Reformisten zu Beamten an seinem Hof, die ihn bei der Umgestaltung unterstützen sollten.
 
In den 100 Tagen von Juni bis September 1898 erließ er eine ganze Reihe von Edikten und Gesetzen, die eine institutionelle Reform zum Ziel hatten. Es gab sehr konkrete Pläne für die Einrichtung verschiedener Ämter und Ministerien innerhalb einer Zentralregierung, Pressefreiheit für die chinesischen Bürger und vieles mehr. Diese Phase ging als "Die 100 Tage der Reform" in die Geschichte ein. Dass er sich nicht durchsetzen konnte, ist sicher eines der großen Dramen der Mandschu-Kaiser und besiegelte das Ende der ohnehin schon geschwächten Qing-Dynastie.
 
Cixi arbeitete gemeinsam mit Militär und den reaktionären Kräften gegen Guangxus Versuche und übernahm wieder die Regentschaft. Mit der Hilfe eines ihr loyalen Generals (der übrigens der Vater von Pu Yis Mutter war) setzte sie den Kaiser in seinem Palast fest. 
 
Aufgang zum InselpalastMan verbrachte ihn in einen kleinen Palast, der auf einer Insel in einem See lag. Dieser See war nur durch einen einzigen Zugang erreichbar, der leicht zu kontrollieren war.
 
Sie ließ verlautbaren, dass Guangxu schwer krank sei. Von da an übernahm sie defacto die Herrschaft im Lande. Inzwischen schon 65 Jahre alt, begann sie ein äußerst gefährliches Spiel, als es zu den ersten Unruhen auf Seiten der "Boxer" gegen die ausländischen Weißen kam.
 
Der Inselpalast Dies war für sie offenbar eine willkommene Gelegenheit, sich der Ausländer zu entledigen ohne selbst einen Krieg anzetteln zu müssen. Einmal mehr sollte sich zeigen, dass es China nicht gelang, sich gegen die fremden Mächte zu wehren. 
 
Als klar wurde, dass sie die Fremden nicht nur nicht vertreiben konnten, sondern auch die Einnahme der Verbotenen Stadt drohte, beschloss Cixi auf Anraten ihrer Ratgeber eine "Inspektionsreise" anzutreten, die es ihr erlauben sollte, Beijing zu verlassen. Guanxu weigerte sich mit zu kommen. Er wollte als der rechtmäßige Kaiser in der Stadt bleiben und durch seine Anwesenheit für ein gewisses Mindestmaß an Ruhe sorgen. Aber er konnte sich nicht wehren und reiste schließlich ebenfalls ab. Es war eine regelrechte Flucht. Sie gingen nach Xi'an, eine der alten mandurischen Herrschaftsstädten (in der die Tonarmee entdeckt wurde). 
 
Schließlich akzeptierte Cixi, ausgsprochen widerstrebend, einen Friedensvertrag, eine erneute Demütigung für China. Sie konnte mit ihrem Hof zurückkehren. Dieser erzwungene Frieden machte einmal mehr deutlich, wie geschwächt China und sein Kaisertum bereits war. In den kommenden Jahren, mit einer zunehmend älteren und verbisseneren Cixi, einem machtlosen Kaiser und einem verkrusteten Apparat an Beamten und Hofschranzen, bröckelte die Welt der Qin-Dynastie immer weiter. Dies wird sehr deutlich an den Fotografien, die ich in einem alten Reisetagebuch entdeckt habe. Aus diesem Buch "Ein Tagebuch in Bildern", entstanden zwischen 1900 und 1902, stammen die Fotografien Beijings und der Verbotenen Stadt auf der rechten Seite dieses Artikels. Sie zeigen entvölkerte Paläste, herunter gekommene Plätze, vergangenen Glanz und die ganze Katastrophe einer vergehenden Welt.
 
Pu Yi wird zum Kaiser berufen

Guangxu lebte ebenfalls wieder im Verbotenen Palast, noch immer unter Hausarrest. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt. Es ist anzunehmen, dass er vergiftet wurde, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Cixi ihre Hände im Spiel hatte. Vielleicht ahnte die alte Kaiserin, dass ihr eigenes Ende nahte - und sie durfte nicht sterben ohne für einen entsprechenden Nachfolger gesorgt zu haben. Wenige Tage vor dem Tod Guangxus ließ man einen jungen Mandschuren an den Hof holen und brachte ihn in die Gemächer des Kaisers, damit dieser die offiziellen Worte sprach. Tatsächlich starb der Kaiser am 11. November 1908, nur einen Tag vor Cixi.
 
Guangxu war der direkte Vorgänger von Pu Yi auf dem Thron.

Pu Yi (rechts) mit seinem Vater Chun, auf dem Schoss sein jüngerer BruderPrinz Chun 2., der Vater von Pu Yi, erhielt bei seiner Geburt den Namen Zaifeng und herrschte als Regent für Pu Yi, bis dieser volljährig wurde. Zaifeng wurde im Palast in Beijing geboren und wuchs dort auch auf. Er entpuppte sich als fähiger Politiker und geschickter Verhandlungsführer.
 
Chun, diesen Namen erhielt er nach dem Tod seines Vaters 1891, übernahm wichtige Aufgaben in der chinesischen Regierung. Unter anderem wirkte er als Botschafter (damals war er noch nicht einmal 20 Jahre alt) und traf Kaiser Wilhelm II. in Berlin.
 
Seine Aufgabe dort war eine ausgesprochen undankbare. Im Zuge des Boxeraufstandes war ein hochrangiger deutscher Diplomat ums Leben gekommen, und Chun reiste nach Berlin, um den deutschen Kaiser wieder gewogen zu stimmen.
 
New York Times, 1901, Bericht über Chuns Besuch in Berlin - Auszug Für einen Chinesen ausgesprochen demütigend sah sich Chun dazu gezwungen, einen Entschuldigungsbrief zu verlesen, mit dem er sich im Namen des Reiches für das Geschehene entschuldigte. In seinem Gepäck waren wertvolle Geschenke aus dem chinesischen Kaiserhaus, die das Bedauern nochmal illustrieren sollten. 
 
Chun war angewiesen worden, vor dem Kaiser einen Kniefall zu machen, was dieser empört verneinte - und sich so für alle Zeiten das Wohlwollen des chinesischen Volkes sicherte. Diese Unterwerfungsgeste, so soll er gesagt haben, sei seinem Kaiser vorbehalten. 
 
Cixi, sehr eifersüchtig auf ihre Macht am chinesischen Hof bedacht, fürchtete und brauchte Chun wohl in gleichem Maß. Chun war aufgrund seiner Kontakte zu den westlichen Mächten zu wichtig um ihn zu beseitigen, also musste sie versuchen, ihn en er an sich zu binden. Dies sollte einmal mehr durch eine Heirat geschehen, die Cixi verordnete. Für Chun hatte sie die Tochter eines mandschurischen Generals ausgewählt, der ein treuer Anhänger von Cixi war (eben jener General, der ihr zur Gefangensetzung von Guangxu verhalf). Dies band Chun, der nicht als unbedingter Freund von Cixis Einstellungen galt, enger an die große Dame, und als  der gerade zwei Jahre alte Pu Yi zum Kaiser gemacht wurde, gab es für ihn kein Zurück. 
 
Stadtimpressionen aus BeijingCixi war es allerdings nicht mehr vergönnt, lange ihre kontrollierende Hand auf Pu Yi zu haben. 1908 starb sie mit über 70 Jahren, nachdem sie gut vierzig Jahre lang über die Verbotene Stadt, China und ihre Kaiser bestimmt hatte. Cixi ist eine ausgesprochen umstrittene Persönlichkeit. Für einen großen Teil der Historiker und Schriftsteller zum Thema China war und ist sie ein weiblicher Despot, dem sich keiner entgegenstellen durfte, getrieben von Machthunger, Gier und (in späterem Alter) unglaublichem Hunger nach Leben und Jugend. Es gibt Berichte über ihre Aktionen gegen unliebsame Palastbewohner oder ihr exzessives Leben im Alter. 
 
Mehr über Pu Yi, den letzten chinesischen Kaiser, am 17. Oktober 2009 in dem historischen Kalenderblatt für Oktober. 
 
 

alle Zitate: Meyer's Konversationslexikon, 1888

Quellen (Auswahl):
  • Pak-Wah Leung (Hsgb), Political leaders of modern China: a biographical dictionary, Greenwood Publishing Group, 2002
  • Pamela Kyle Crossley, Orphan warriors: three Manchu generations and the end of the Qing world, Princeton University Press, 1991
  • Sabine Dabringhaus, Das Qing-Imperium als Vision und Wirklichkeit, Steiner, 1994
  • Isaac Taylor Headland, Court Life in China, 1909
 
  • Wikipedia.com
  • uni-protokolle.de
  • cultural-china.com
  • chinaculture.org
 
Abbildungen:
  • Alfons von Mumm, Ein Tagebuch in Bildern , verm. 1902 (Link öffnet sich in neuem Fenster und verlässt die Seiten von Zauberspiegel-online)
  • Karrikatur: New-York Tribune, Feb 28, 1909
  • Artikelauszug: New York Times, 5. Sept. 1901

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