Das historische Kalenderblatt - 17. Oktober 1967 - Tod des letzten chinesischen Kaisers
17. Oktober 1967 -
Tod des letzten chinesischen Kaisers
Ende der Qing-Dynastie
Pu Yis Vater versuchte, die Regentschaft so gut wie möglich in Händen zu halten - was ihm nicht gelang. Nach dem Boxeraufstand konnte er sich nicht zwischen den konservativen mandschurischen und den fortschrittlichen Kräften entscheiden. Hin und her gerissen wollte und konnte er keine Entscheidung treffen. Immer wieder flammten Erhebungen auf, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, das Kaiserhaus zu stürzen. So auch 1911.
Während all dies geschah, wuchs Pu Yi weitgehend isoliert in der Verbotenen Stadt auf. Er erlebte eine Kindheit, die so gar nicht in die Erziehung eines Herrschers im 20. Jahrhundert passen wollte. Er hatte mit Ausnahme seines Bruders und einiger Kinder von Adeligen keinen Kontakt zu anderen Kindern, er wurde erzogen von einer Amme, später von Eunuchen und Privatlehrern. Mit seiner Mutter, die er seit seinem Einzug am Hof nicht mehr gesehen hatte, gab es keinen Kontakt.Pu Yi schreibt in seinen Erinnerungen: `Kein Bericht von meiner Kindheit wäre vollständig ohne Erwähnung der Eunuchen. Sie bedienten mich, während ich aß, mich anzog oder schlief; sie begleiteten mich auf meinen Spaziergängen und bei meinem Unterricht; sie erzählten mir Geschichten; und wurden von mir belohnt oder geschlagen, aber sie verließen mich niemals. Sie waren meine Sklaven; und sie waren meine ersten Lehrer.`
Das Kaiserreich der Mandschu-Dynastie soll durch die Herrschergewalt eines Kaisers auf Ewigkeit regiert werden.
Die Person des Kaisers ist heilig und unantastbar.
Das Recht des Kaisers wird durch die Verfassung bestimmt.rt. 5. Die Verfassung wird durch Beschluß des Beraterhofes vom Kaiser verkündet.
Der Ministerpräsident wird durch Wahl des Parlaments vom Kaiser ernannt und die übrigen Minister werden auf Empfehlung des Ministerpräsidenten vom Kaiser ernannt. Die Mitglieder der Kaiserfamilie dürfen das Amt des Ministerpräsidenten und der übrigen Minister sowie der Gouverneure in den einzelnen Provinzen nicht bekleiden.
Der Kaiser führt selbst den Oberbefehl über Heer und Flotte. Der Kaiser soll seine Machtbefugnisse im Innern des Landes mit Genehmigung des Parlaments ausüben.
Der Kaiser kann Verordnungen zur Ausführung der Gesetze und gesetzliche Ermächtigungen innerhalb der Schranken der Gesetze erlassen.
Die Festlichkeiten der Kaiserfamilie dürfen mit der Verfassung nicht in Widerspruch stehen.
Pu Yis Vater war bis zu seinem Tod eine von den Westmächte geachtete Persönlichkeit, der auch während des Krieges in Beijing lebte, selbst in der Zeit, als Pu Yi als "Marionettenkaiser" des Spielzeugstaates Manchuko vorstand. Chun hatte sich von dieser Idee nie begeistert gezeigt und es heißt, er hätte seinen Sohn sogar davor gewarnt, sich auf dieses Spiel einzulassen.
Noch einmal, im Jahr 1917, wird Pu Yi für genau zwölf Tage wieder auf den Thron gehoben - und einmal mehr erweist sich, wie wenig Pu Yi und sein Hof Herren der Lage sind: Ein Warlord, General Zhang Xun, ein weiterer treuer Gefolgsmann von Cixi, errichtete für diese kurze Zeit erneut ein Kaiserreich und setzte Pu Yi als Kaiser ein. Während des Boxeraufstandes war es Zhang Xun gewesen, der die persönliche militärische Eskorte der Kaiserinwitwe kommandiert hatte, während der Wuchang-Revolution hatte er für die Qing-Dynastie an vorderster Front gekämpft.
Johnston war als Kolonialoffizier nach China gekommen. Er war Lehrer und Verehrer der chinesischen Kultur und entschloss sich dazu, 1898 in den Kolonialdienst einzutreten. Als "Hong Kong Cadet" war er nach den ersten Jahren in Hong Kong 1906 zum Verwalter einer Sektion in China geworden und hatte um Demission gebeten, als ein Privatlehrer für Pu Yi gesucht wurde. Pu Yi beschreibt, dass er beim ersten Zusammentreffen mit Johnston sehr nervös gewesen sei. Die Eunuchen hatten ihm allerhand Geschichten über den Fremden und seinen Schnurrbart erzählt, darunter zum Beispiel, dass der Schnurrbart des Fremden so steif sei, dass man eine Laterne an jedem Ende aufhängen könnte. Auch Johnstons blaue Augen trugen dazu bei, dass Pu Yi sich zu Beginn unwohl in der Gegenwart des Fremden fühlte.
In den folgenden fünf Jahren war Johnston Pu Yis Englischlehrer und zunehmend Vertrauter. Außer ihm gab es nur noch eine weitere westliche Person, der der Aufenthalt im Innersten der Verbotenen Stadt erlaubt war. Es handelte sich dabei um Isabel Ingram, die Tochter eines amerikanischen Missionars, die als Gesellschafterin und Tutorin für die Kaiserin fungierte. Die Kaiserin von Pu Yi war Wan Rong, die er 1922 zur Frau nahm.
1924 zeigt sich die Schwäche der chinesischen Regierung. In Wirklichkeit waren es Warlords, die über das Land herrschten. Als das chinesische Parlament aufgelöst wird und der Staatspräsident fliehen muss, dringen Soldaten auch in die Verbotene Stadt ein.
Am 5. November 1924 verlor Pu Yi mit dem Wohnrecht in der Verbotenen Stadt auch seine letzte Heimat. General Lu Zhonglin, seines Zeichens Oberster Offizier der Garnison in Beijing, sorgte dafür, dass Pu Yi in aller Eile den Palast verlassen musste. Zunächst kam er im Hause seines Vaters Prinz Chun unter, der ihm Obdach gewährte.
Von dort aus floh Pu Yi in die japanische Botschaft. Als nichtwestliche Herrschaft erhoffte er sich wohl von dort die meiste Hilfe. Man brachte ihn aus Beijing weg nach Tientsin, wo er die kommenden Jahre verbrachte. Ähnlich wie später Berlin war Tientsin zwischen verschiedenen Mächten aufgeteilt. Österreich-Ungarn, Italien, Russland und Belgien, Frankreich, England, Deutschland und nicht zuletzt Japan hatten ca. die Hälfte der Stadt in verschiedene Viertel aufgeteilt, in denen sie die Verwaltungs- und Polizeihoheit besaßen. Diese Bezirke waren aus kleinen Verwaltungshoheiten entstanden, die den verschiedenen Staaten für Handelsbeziehungen zur Verfügung gestellt worden waren.
Ihre Residenz wurde die Villa des Stillen Gartens, wo Pu Yi lebte und "Hof hielt". Sowohl Miß Ingram als auch Johnston begleiteten die drei nicht auf ihrem Weg.
Als Pu Yi 16 Jahre alt geworden war (1922), war Pu Yi verheiratet worden und hatte neben Xiao Ke Min eine zweite junge Frau namens Wen Xiu als Konkubine genommen. Die Beziehung (oder auch Nichtbeziehung) des Kaisers mit seinen Frauen war immer wieder Anlass für Spekulationen. Ob es wirkliche eheliche bzw. erotische Beziehungen mit Pu Yi gegeben hat, ist umstritten. Es heißt, Pu Yi sei asexuell, homosexuell oder auch zeugungsunfähig gewesen.
Die beiden Frauen verließen ebenfalls die Verbotene Stadt und gingen gemeinsam mit Pu Yi nach Tientsin.
Wan Rong, die Kaiserin, hatte schon als Teenager eine Affinität zu Opium entwickelt. Pu Yi schreibt, dass es damals modern gewesen sei, Zigaretten zu rauchen und eine Spur Opium beizufügen, vorgeblich aus Gründen der Schmerzstillung. Diese Neigung, der auch Pu Yis Mutter verfallen war, verstärkte sich offenbar während des Aufenthalts in Tientsin,
Wen Xiu, die Konkubine des Kaisers, lebte bis 1931 mit den beiden in Tientsin.
Die Nähe zu der westlichen Welt brachte es mit sich, dass sie von der Möglichkeit der Scheidung erfuhr - eine Undenkbarkeit am Kaiserhofe. Sie stellte in der Tat einen Antrag auf Scheidung von Pu Yi, dem 1931 entsprochen wurde.
Sie kehrte Pu Yi und allen kaiserlichen Privilegien den Rücken und kehrte nach Beijing zurück. Ihr Leben nach der Scheidung war vergleichsweise unspektakulär: Sie arbeitete als Grundschullehrerin und starb dort 1950.
In jener Zeit in Tientsin entstand die Bezeichnung "Mr. Henry Pu Yi" für den Kaiser. Er vertrieb sich und seinem Hof die Zeit vor allem mit aufwändiger Hofhaltung, Gesellschaften und dem Versuch, ein westliches Leben zu führen. Zunehmend wurde Pu Yi immer ruheloser. Gemeinsam mit Runqi, dem Bruder seiner kaiserlichen Gattin, begann er davon zu träumen, China zu einem neuen Land zu machen - einem "neuen alten" China, mit einer Wiederherstellung der Qing-Dynastie.
Runqi sagt in seiner Biographie:
We were thinking very simply when we spoke of bringing back the Qing. But we realized we needed an army to do so.
Bereits 1928 begannen die beiden damit sich Gedanken zu machen, wie man einen solchen Umsturz herbeiführen könnte. Zunächst, berichtet Runqi weiter, hatten sie an England gedacht, aber die Vorstellung, so weit von der Familie getrennt zu sein, sei ihnen zu unbehaglich gewesen. Also beschloss Pu Yi, dass Runqi und sein eigener Bruder Pu Jie nach Japan gehen sollten, um dort alles Notwendige für einen Neuanfang zu lernen, nicht ahnend, dass es eine eklatante Fehlentscheidung sein würde. Erst 1944 kehrte Runqi an Pu Yis Seite zurück.
1931 veränderte sich Pu Yis Welt erneut entscheidend. Im September 1931 war es in der Umgebung der Stadt Mukden in der Mandschurei, heute Shenyang, zu einem Zwischenfall gekommen. Ein Teil der Eisenbahnstrecke, die Japan gehörte, wurde durch einen Anschlag mit Dynamit in die Luft gejagt. Die kaiserliche japanische Armee war davon überzeugt, dass chinesische Abweichler in der Mandschurei dafür verantwortlich waren. Tokyo, in dem Bemühen den Vorfall als eine örtlich begrenzte Angelegenheit zu behandeln, forderte den dortigen Kommandeur dazu auf, die Lage zu sichern und nichts weiter zu unternehmen. Als dieser dann - in klarem Gegensatz zum Befehl seiner Vorgesetzten - doch damit begann in der ganzen Region militärisch zu operieren, gab es kein Zurück.
Noch bevor der Befehlshaber gestoppt werden konnte, hatten seine Truppen alle Städte entlang der Bahnlinie (immerhin fast 1.200 Kilometer) eingenommen. Überall brachen Unruhen aus, und die japanischen Truppen fühlten sich dazu "genötigt", zur Beruhigung der Region einzugreifen. Als Ergebnis war noch im Laufe des Jahres 1931 die Mandschurei unter japanische Herrschaft geraten.
Nachdem die Mandschurei erobert war, rief die japanische Regierung ein neues Kaiserreich aus: Manchukuo. Es war eine konstitutionelle Monarchie, mit einem Premierminister und Pu Yi ab 1934 als Kaiser.
Der Bericht einer Augenzeugin der Inthronisation von Pu Yi schreibt:
Am ersten Tag des Monats März 1934, stand die gebrechliche Gestalt von Pu Yi, in den kaiserlichen Staatsroben der Qing-Dynastie gekleidet, vor einem Altar am östlichen Stadtrand von Chang Chun, der Stadt des ewigen Frühlings. Eine rote Sonne war gerade über die umliegenden Berge und Wälder gestiegen und breitete nur widerstrebend ihren Schein über der frostigen Mandschure aus, als Pu Yi mit einem alten Ritual begann. Die Liturgie war einfach: Das Verbrennen des Weihrauchs, ein kurzes Gebet in den Himmel, eine Verbeugung vor dem Altar und die rote Sonne hinter sich und Kaiser Pu Yi war Kaiser der Mandschurei. (...)
Außerhalb seines Palastes wurden Edikte verlesen, die das neue mandschurische Reich ausriefen. Einiger gehorsamer Jubel kam von den Koreanern und Japanern in den Straßen, aber nur wenige Chinesen schlossen sich an, und nannten Pu Yi bereits einen Marionetten-Kaiser.2
Pu Yi, in der Hoffnung auf ein Leben, zu dem er berufen war, willigte ein. Nur einige wenige Staaten darunter Deutschland erkannten Manchukuo diplomatisch an.
Im Zuge seiner Herrschaft den japanischen Marionettenstaat nahm Pu Yi den Namen Kang Teh an.
Obwohl offiziell ein unabhängiger Kaiserstaat, war Manchukuo und ihr Kaiser unter ständiger Boebachtung der Japaner. Pu Yi, fasziniert von der japanischen Lebensweise, dem Buddhismus und vermutlich auch von der Machtfülle des japanischen Kaisertums vor dem Ende des 2. Weltkrieges, war anlässlich eines Besuchs in Tokio vollkommen begeistert.
Tokyo tat das Seine, um seinen Einfluss auf den Kaiser zu erhöhen. Zunehmend wurden alle Berater in der Umgebung des Manchukuo-Kaisers durch japantreue Anhänger ersetzt.
Die Ehe von Pu Yi mit Wan Rong war schon lange eine Farce gewesen. Schon während ihrer Zeit in der Verbotenen Stadt, mehr noch in der Zeit des Exils in Tientsin und letztendlich in Manchukuo waren die beiden sich aus dem Weg gegangen. Zunächst hatte sich Wan Rong wohl mit ihrem Schicksal arrangiert. Man nimmt an, dass sie in späteren Jahren mehr und mehr erkannte, dass Pu Yi niemals wirklich Kaiser sein würde, sondern immer eine Marionette der Kräfte, die ihn kontrollierten.Im Laufe der Zeit nahm die Opiumabhängigkeit von Wan Rong, der Kaiserlichen Gattin, immer weiter zu.
Vor allem als 1940 ein Kind, das sie kurz zuvor geboren hatte, unter bis heute offiziell ungeklärten Umständen ums Leben kam, verlor sie mehr und mehr den Kontakt zur Realität.
Angesichts der Tatsache, dass Pu Yi und seine Frau mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit keine sexuelle Beziehung miteinander hatten, bleibt die Frage, wer der Vater dieses Kindes war. Die allermeisten Forscher nehmen an, dass es ein Fahrer aus dem kaiserlichen Hofstaat war.
Wan Rong versank in ihrer Sucht und starb 1945 in Gefangenschaft.
Mit dem sowjetischen Einmarsch in seinem Reich endete die glorreiche Herrschaft Pu Yis 1945. Der Kaiser geriet in Gefangenschaft und wurde zuerst in Tschita und danach in Chabarowsk eingesperrt. und wurde 1950 an China ausgeliefert.- Pak-Wah Leung, Political leaders of modern China: a biographical dictionary, Oryx book, Greenwood Publishing Group, 2002
- Pamela Kyle Crossley, Orphan warriors: three Manchu generations and the end of the Qing world, Princeton University Press, 1991
- Alfons von Mumm, Ein Tagebuch in Bildern, verm. entstanden 1902 (http://dsr.nii.ac.jp/toyobunko/La-161/#La-161/V-1)
- Brian Power, The ford of heaven: a childhood in Tianjin, China, Signal Books, 2005
- New-York tribune, Feb 28, 1909
- Time Magazine, 16. Juli 1945
- Isaac Taylor Headland, Court Life in China, 1909
- Mia Turner, The Odyssey of a Chinese Imperial Favorite, New York Times, 8.2.2000
- www.indopedia.org
- www.culturalcompass.org
- www.ww2db.com
- www.chinaknowledge.de
- Wikipedia Dt und Engl.







