Vergessene Größe - Von Wanfried hinaus in die Welt
Von Wanfried hinaus in die Welt
Da war Wanfried, heute "nur noch" eine eher stille Kleinstadt im östlichsten Zipfel Nordhessens / Werra-Meißner-Kreis, von einer Bedeutung, die man heute kaum noch ermessen kann.
Im 16. Jahrhundert war Leipzig eine Handelsmetropole im Osten des Reiches geworden, es war Hauptstapelplatz Sachens, über Leipzig führte die große Handelsstraße (genannt "Hohe Straße") von Prag aus bis hinein nach Deutschland und vor dort aus in alle Himmelsrichtungen. Gold, Silber, Kupfer, Getreide und Wolle, Holz, Mühlsteine. Es gab fast nichts, das nicht von Leipzig aus transportiert werden wollte. Unter August dem Starken ergab sich eine enge wirtschaftliche Bindung Kursachsens in Richtung Holland, und auch aus den Regionen um Thüringen, dem östlichen Nordhessen und dem Eichsfeld wollten Menschen und Waren hinauf in Richtung Nordsee beziehungsweise in die andere Richtung.
Dies machte Wanfried zu einem idealen Umschlagsort, schließlich war es dieses Wanfried, das wirtschaftlicher Vorposten der Reichsstadt Mühlhausen war, und - von wirklich entscheidender Bedeutung: Es war der Endhafen der Weser-Werra-Schifffahrt. So wurde Wanfried zu einem Drehkreuz des Handels der östlichen Lande mit der Nordsee.
Im Laufe der Zeit verschoben sich die Handelswege und man fand andere, schnellere und einfachere Wege, die Waren zu transportieren, bis zum Siegeszug der Eisenbahn im 19. Jahrhundert jedoch war Wanfried ein bedeutender Ort.
Bis zu seiner großen Zeit als Weser-Werra-Hafen war Wanfried nicht viel mehr als ein kleines Fischerdorf, allerdings offensichtlicht mit einer langen Geschichte. Bereits um 800 wird Wanfried - damals noch als Uuanenreodum - erstmals in einer Urkunde genannt. Damals ging es um eine Neuregelung von Besitzverhältnissen der Gegend Werratal und Eichsfeld. Es gibt jedoch vorgeschichtliche Funde mit deutlichen Hinweisen darauf, dass die Region um Wanfried bereits in der Stein- und Bronzezeit besiedelt war. 
Im Jahre 1608 erhielt Wanfried von Landgraf Moritz von Hessen die Stadtrechte und Stapelrechte - eine Tatsache, die Wanfried in diesem Jahr mit einer Vielzahl von Festlichkeiten erinnernd begeht.
Ein bestimmt sehr bunter Teil der Feierlichkeiten anläßlich der Stadterhebung werden im Werra-Meißner-Kreis und darüber hinaus schon seit einer ganzen Weile beworben - das große Renaissance-Fest, das am Wochenende vom 23.-24. August 2008 in der Stadt stattfinden wird. Ausgerichtet wird es von der Stadt Wanfried und der Mittelalter-Eventgruppe Fogelvrei (beim Klick auf das Logo verlässt man die Zauberspiegel-Seite und gelangt zu den Seiten von Fogelvrei.de ).Marktfreyheit, die Freyheit eines Ortes, einen öffentlichen Markt haben zu dürfen, die Marktgerechtigkeit, das Marktrecht. Was dazu gehört s. im Art. Meßfreyheit.2
Galletti3 beschreibt Wanfried in seinem großen Werk noch 1822 als Ort mit einer damals durchaus nicht unerheblichen Einwohnerzahl von 2683 Personen und 4 Jahrmärkte - eine stattliche Zahl an Märkten für diese Einwohnerzahl. Aus Gallettis Beschreibung wird auch deutlich, dass sich außer dem Handel auch Handwerk angesiedelt hatte. Leineweber, Tabakanbau und -verarbeitung, Weinhandel - in einem abgelegenen niederhessischen Ort. Hinzu kam - von Galletti nicht (oder nicht mehr) erwähnt das Töpferhandwerk. Mit diesen Handelswaren gelang es der Stadt in ganz Süd- und Ostdeutschland, sogar bis Polen und Russland Geschäfte zu machen. Wanfried hatte in seiner Geschichte immer wieder mit massiven Rückschlägen zu kämpfen. Der 30jährige Krieg, der diesen Ort wie ganz Deutschland nicht verschonte, die Pest (nur knapp vierzig Jahre nach dem offiziellen Kriegsende gab es an verschiedenen Orten um Wanfried herum und schließlich in der Stadt selbst die ersten Toten) und der allgemeine Niedergang des Handels durch die Entvölkerung großer Landstriche, immer wieder Kriege, die ganz direkte Auswirkungen hatten, wie zum Beispiel die Kontintentalsperre. Weniger spektakulär als Seuchen und Kriege war das Aufkommen des Handels per Eisenbahn, letzendlich war dies jedoch einer der Gründe für das Vergehen von Wanfrieds Ruhm und wirtschaftlicher Bedeutung.
Der Verkehr auf der Oberweser mag in der nächsten Zeit durch das vervollständigte Netz der Eisenbahnen einen nicht unbedeutenden Abbruch erleben (wie schon jetzt bemerkbar)4.
Diese Beurteilung der Situation des Oberweserhandels ab Hannoversch-Münden galt in sehr ähnlicher Weise für die Werra.
Quellen:
1 Gefunden auf Wanfried.de - Stadtrundgang
2 J. G. Krünitz: Oeconomischen Encyclopädie (1773 - 1858)
3 Galletti, Johann Georg August: Allgemeines geographische Wörterbuch. Oder alphabetische Darstellung aller Länder, Städte, Flecken, Dörfer, Ortschaften, Meere, Flüsse u.s.w., 1822
4 Meidinger, Heinrich: Die deutschen Ströme in ihren Verkehrs- und Handels-Verhältnissen mit statistischen Übersichten, Teil 1-4, 1861
Abbildung "Der Schiffer": Sachs, Hans: Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden, hoher und nidriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten, Handwercken und Händeln ..., 1568
Heller, Friedrich Hermann: Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16., 17. und 18. Jahrhundert und ihre Beziehung zu Leipzig, 1884, Dresden
Wikipedia
Abbildung Wanfried: Merian: Topographia Hassiae, 1655





Kommentare
meiner Treu - Ihr recherchiert ja äußerst genau und arbeitet umfassend ...
Mein Kompliment!
Ciao,
Johannes