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Vergessene Größe - Homberg / Efze - An der Kreuzung von Langen und Kurzen Hessen

 Vergessene Größe - Große Geschichten kleiner StädteAn der Kreuzung von Langen und Kurzen Hessen...
Homberg/Efze ...

...ist eine nordhessische Kreisstadt, ein fachwerkbauliches Kleinod wie so viele Städte und Gemeinden in dieser Region. 2008 ist es Ort des Hessentages, eine CD hat sich einiger Schlaglichter der Stadtgeschichte angenommen. Als Kasselerin kenne ich Homberg natürlich, vor allem auch da ein mir verbundene Familie von dort stammte und ich im Rahmen der Ahnenforschung dort immer wieder „landete“.


Cover der CD: Stadtgeschichten Homberg/EfzeAber auch in doppelter anderer Hinsicht ist Homberg für mich eine beachtenswerte Stadt: Man braucht nicht immer eine große Stadt wie Cölln, Munich oder Bremen. Gerade auch die kleinen, heute manchmal fast vergessenen Städte an denen die Autobahnen vorbeirauschen, sind voll historischer Geschichte – und Geschichten. Ein ähnlich gutes Beispiel ist Stade und der Roman „Die Schwerter des Herzogs “ von Rolf Michael.

In den letzten Monaten hat man mit großer Anstrengung den Homberger Marktplatz renoviert um sich während des Hessentages attraktiv zu präsentieren. Und es ist in der Tat ein schöner Anblick, wenn man auf dem Marktplatz steht und über den Möbelwagen hinweg die Kirche hinauf blickt.

Bereits im Jahre 1162 wird erstmals der Name Homberg erwähnt, damals noch „Hohenberc“. Es ist der Name des Rentwicus de Hohenberc, durch den der Name erstmals belegt ist. Dieser Hinweis auf die Herkunft vom Hohenberg deutet darauf hin, dass zu der Zeit bereits eine Burg auf dem Berg bestanden hat. Als eine sogenannte „edelfreie“ Familie, die damit als von dynastischer Herkunft gekennzeichnet wird, ist die Familie von besonderer Bedeutung im damaligen Gefüge der Adelsfamilien. Bereits 1472 endet die Familienlinie mit Simon vom Hohen Berg.

Logo Hessentag 2008Im 12. Jahrhundert scheint jedenfalls eine bestehende Burganlage bestanden zu haben, sehr wahrscheinlich wurde bereits diese Burg auf einer Siedlung aus dem 7. Jahrhundert errichtet.

niederhessische SenkeDie Stelle an der die Siedlung, danach die Burg und die jetzige Ruine noch immer erhebt, nahm schon immer eine besonders interessante Stellung ein: Auf etwa 150 Metern über dem Flüsschen Efze gelegen ragt der Basaltkegel in die sogenannte niederhessische Senke hinein und bietet neben dem guten Überblick über die Siedlungsfläche einen strategisch hervorragenden Platz.

niederhessische SenkeDie niederhessische Senke war bereits in der Zeit des Frankenreiches besiedelt, gut gelegen und mit fruchtbarem Boden beschenkt war die Stelle attraktiv.
In der Zeit der Frankenherrscher wurde die Region durch ein Königsgut bei Mardorf verwaltet. Von Büraburg aus, einem Ort nahe Fritzlar, nordwestlich von Homberg, hatte Bonifazius seine Missionierungsaktivitäten gestartet. Dies machte Büraburg zu einem Hauptort fränkischer Machtausübung. Bereits 1231, dem Jahr in dem die Stadt das erste Mal urkundlich erwähnt wird, wird Homberg und die „burgenses von Homber“ als eine Doppelstadt genannt. Es gab die Altstadt, die direkt unterhalb der Burg als Oberstadt lag und die „Freiheit“ als Unterstadt.

Zu jener Zeit war zu der strategischen Bedeutung der Stadt noch eine strukturelle gekommen. Zwei große Handelsstraßen kreuzten sich hier: Die „Lange Hessen“ (die Straße von Frankfurt nach Leipzig) traf auf die „Kurze Hessen“ (Fritzlar nach Hersfeld). Die „Langen Hessen“ gehörten zu dem großen Fernhandelsweg Antwerpen – Nowgorod, eine der Hauptachsen des Abendlandes. Direkt über den Homberger Marktplatz verlief der Weg. Kein Wunder, dass an dieser Stelle eine für die damalige Zeit regional bedeutende Stadt entstand. Hinzu kam, dass diese Region eine Verbindung zwischen dem südwestlich gelegenen Oberrhein und der norddeutschen Tiefebene darstellte.

hessisches wappenFritzlar war als katholisch geschichtlich so bedeutende Stadt von Bedeutung, nochmal mehr da sie nicht in weltlicher Hand war sondern durch die kurmainzischen Bischöfe verwaltet wurde, die in der nordhessischen Gegend bis weit in den Kaufunger Wald und das thüringische Eichsfeld hinein ausgedehnte Besitzungen besaß. In Fritzlar hatte der Mainzer Erzbischof Konrad 1186 eine Burg auf dem Heiligenberg errichten lassen. Dem hessisch-thüringischen Landgrafen Ludwig III. war es darum sehr lieb, in so unmittelbarer Nähe zu Fritzlar eine prosperierende Stadt wie Homberg zu haben und förderten sie so gerne. Die Kirche der Stadt ist ein gutes Zeichen für das Selbstbewusstsein der Homberger Bürger.

Interessant sind die Berufe, denen die Bewohner Hombergs nachgehen. Laut Landau gibt es nur 25 Familien, die allein von der Landwirtschaft leben. Alle anderen haben zusätzlich noch andere Gewerbe. Darunter finden sich erstaunlicherweise 120 Schuhmacher. Eine Erklärung für diese ausgesprochen hohe Zahl ist wohl, dass Homberg an wichtigen Handelswegen lag. Für den Zeitraum 1345-1428 gibt es Zunftbriefe für Homberg, die deutlich machen wie bedeutend und reich die Stadt damals gewesen sein muss.

Homberg, verm. 30er JahreDie Tuche waren begehrte Exportartikel und gingen nach England oder weit in den Osten. Gemessen wurde das Tuch – und das nicht nur in Homberg – mit der sogenannten „Homberger Elle“, einem Maß, von 57,4cm, das sich heute noch in eine Wand des Homberger Rathauses eingelassen findet.

Nach dem 30jährigen Krieg war im ganzen Amt Homberg nicht mehr ein einziges Schaf zu finden. „Auf wenige Städte unseres Vaterlandes hat der 30jährige Krieg zerstörerischer gewirkt als auf Homberg“ schreibt Landau in seinem Buch „Beschreibung des Kurfürstenthums Hessen“. Am 17. Juli 1637 war die Stadt eingenommen worden, das Schloss jedoch wurde weiterhin von den hessischen Truppen verteidigt. Nach einer erfolglosen Belagerung mit 600 Toten auf Seiten der kaiserlichen Truppen zogen sich diese zurück und begangen damit die Burg auszuhungern.

Erst als den Verteidigern das Wasser ausging gelang es den katholischen Truppen die Burg einzunehmen.
Am 3. August übergaben die Hessen die Burg. Verantwortlich für diese Niederlage war eine junge Magd, den in den Brunnen gefallen war und deren Leiche denselben verunreinigte. Präsentation der Homberger StadtgeschichtenOb es nun ein Unfall war oder doch – wie eine der Sagen sagt - der Schlosstürmer, der die Magd ermordete - genau diese Geschichte ist auf der CD mit Homberger Stadtgeschichten enthalten.

Obwohl die Stadt bereits vor der Einnahme schwer unter Belagerungen, Plünderungen, Einquartierungen zu leiden hatte die im 30jährigen Krieg gang und gäbe waren, war dies noch nicht das Ende. Bei ihrem Abzug im November setzten die kaiserlichen Truppen Burg und Stadt in Brand. In der Stadt waren nach diesem Feuer nur noch 800 Bewohner zurück geblieben. Alle anderen waren entweder tot oder geflohen. 1640 wurde die Stadt endgültig in Schutt und Asche gelegt, sogar der Kirchturm wurde gesprengt.Dies bedeutete auch das Ende der Burg, sie wurde nicht wieder aufgerichtet. Es ist kaum vorstellbar, dass die Stadt faktisch nicht mehr existierte. Einige Menschen lebten in den wenigen Häusern, die sich entlang des Burgberges erhalten hatten.

1655 - Merian Abbildung HombergWie hartnäckig die Menschen in Homberg waren sieht man, wenn Matthäus Merian der Jüngere in seiner „Topographia Hassiae et regionum vicinarum“ 1655 schreibt: „Homberg / in Nider Hessen / Schloß / Statt / und Ampt / ist aus den vornembste Oertern Einer. Das Schloß belangend / ligt es auff einem hohen freyen Berg / und ist / neben dem Hause Boyneburg / das älteste Schloß im gantzen Fürstenthumb Hessen / von Landgraff Herman / werlcher auch Bischoff zu Cölln gewesen / anfänglich erbawet.“

Im Buch von Galletti „Allgemeines geographische Wörterbuch“ von 1822 werden in Homberg 2869 Einwohner genannt, Landau zählt 3756. Zu Zeiten Landaus wurden in Homberg jährlich sieben (!) Jahrmärkte abgehalten, darunter drei Viehmärkte, die als die belebtesten der Region bezeichnet werden.Für Hessen von Bedeutung war die Homberger Synode vom 20. bis 22. Oktober 1526. Sie ist nicht nur ein Höhepunkt der Homberger Geschichte, sondern für ganz Hessen – wurde doch auf dieser Synode beschlossen, dass in Hessen die Reformation eingeführt wird. Landgraf Philipp dem Großmütigen betrieb auf diesem Weg die Loslösung von der katholischen Kirche. Die Marienkirche, in der die Synode stattfand, hatte einige Vorgängerbauten, darunter eine romanische Hallenkirche, die einstürzte und abgerissen werden musste. Errichtet wurde die bestehende Kirche in Form einer hessisch-westfälischen Hallenkirche.

Hinrichtung von Aufständischen durch franz. TruppenIm Jahr 1809 wurde es ein weiteres Mal spektakulär in Homberg: Unter der Führung des Wilhelm von Dörnberg ging ein Aufstand gegen Jerome Bonaparte aus. Jérôme Bonaparte, spöttisch genannt „König Lustik“, war ein Bruder von Napoleon Bonaparte. In dieser Zeit war Kurhessen in den Französisch-preußischen Krieg hineingezogen worden. Der damalige hessische Kurfürst Wilhelm I. hatte - offiziell neutral - Preußen ein Durchmarschrecht gen Westen eingeräumt. Darüber nicht erfreut, hatte Napoleon im Oktober 1806 Kurhessen mit seiner Hauptstadt Cassel durch französische Truppen besetzen lassen.

Wappen Königreich WestphalenNach dem Frieden von Tilsit (1807) formte man aus Braunschweig, Kurhessen, hannoverschen und preußischen Gebietsteilen das „virutelle“ Königreich Westphalen geschaffen. Als einstige Residenz der Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel machte man Kassel zur Hauptstadt.

Am 22.4.1809 kam es zu dem Dörnberg-Aufstand, der breite Erwähnung in Geschichtsbüchern zur Zeit des Königreiches Westphalen findet. Versammlungsorte der Verschwörer waren das Wallensteinische Damenstift, ein Stift in der Freiheit gelegen, und ein halbverfallenes Biedermeierhäuschen an der Homberger Stadtmauer. Dieses Stift war eine Einrichtung für protestantische Damen des Adels, die sowohl auf Seite des Vaters wie der jeweils 8 adlige Ahnen nachweisen konnten. Zudem mussten sie eine Einstandssumme von mindestens 1.000 Gulden einlegen. Eine Schwester des preußischen Ministers Freiherr vom Stein, Marianne vom Stein, war eine der Einwohnerinnen des Stifts – und eine der Verschwörerinnen, ebenso Karoline von Baumbach. Von ihr stammte die handgestickte Fahne, die den Aufständischen voran getragen wurde: 'Sieg oder Tod im Kampf für das Vaterland' in rot und weiß.Unter der Führung des hessischen Adeligen Wilhelm Caspar Ferdinand Freiherr von Dörnberg versammelten sich am 22.4.1809 mehrere tausend bewaffnete Männer aller Schichten aus der Region Homberg, Frielendorf, Melsungen und Felsberg auf dem Homberger Marktplatz und zogen von da aus in Richtung Kassel. Offensichtlich hatte von Dörnberg etwas „Großes“ vor. Er hatte eine breite Erhebung iKönig Jerome von Westhalen und seine Ehefrau Katharinam gesamten Norddeutschland im Sinn und war bereits mit Preußen in Kontakt getreten. Es kam wie es kommen musste: Noch weit vor den Toren Kassels und weit entfernt von ihrem Ziel, der Residenz Jeromes, wurden die Aufrührer von den Soldaten gestellt. In der Nähe der heutigen Knallhütte, einer Brauerei an der Grenze zwischen Kassel und Baunatal, kam es zum Gefecht. Die Aufständischen hatten gegen die gut bewaffneten Soldaten keine Chance – sie unterlagen. König Jerome kochte. Auf keinen Fall war es hinnehmbar, dass man sich gegen ihn auflehnte. Seine Pläne gingen weit. Homberg sollte dem Erdboden gleich gemacht werden, alle Aufständischen hingerichtet. Nur wenige Tage später, am 3.5.1809 waren dann wieder Männer von Homberg aus nach Kassel unterwegs. Es waren Honoratioren der Stadt, die nach Kassel wollten und darauf hofften bei Jerome vorgelassen zu werden um für ihre Stadt zu bitten. Tatsächlich durften sie dem König von Westphalen ihre Bittschrift überreichen.

Marianne vom Stein wurde der Verschwörung angeklagt und kam erst nach Kassel in Haft, dann nach Mainz und von da aus sogar nach Paris. Als Schwester des preußischen Politikers war sie eine wertvolle Beute für Napoleon. Erst 1810 wird sie entlassen.

Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Homberg_(Efze)
http://regiowiki.hna.de/Homberg_(Efze)http://www.boelling.de/homberg/bilderbuch/index.htm
Karl Heinemeyer, Homberg in Hessen, Kassel 1986
Historische Stadtansicht von Matthäus Merian, 1655,
Münster, Sebastian, Cosmographei Basel:1550
Landau, Georg Beschreibung des Kurfürstenthums Hessen
Kassel: Fischer 1842
Ein sehr lesens- und erlaufenswertes PDF findet sich auf einer der besten Webseiten zu Homberg / Efze. Es ist der „Stadtspaziergang“

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