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Die Bewandtnis mit Atlantis: 3. Der archäologische Befund - Amerika und der Pazifik

Die Bewandtnis mit Atlantis3. Der archäologische Befund
Weit, weit jenseits der „Säulen des Herakles“: Amerika und der Pazifik

Aber nicht nur wir Deutschen haben uns mit Peinlichkeit bekleckert: Immer wieder hat es auch nationale oder gar nationalistische Gründe gegeben, um Atlantis innerhalb des eigenen Machtbereichs zu lokalisieren. Das wird schon daraus klar, daß es zum Beispiel vorrangig griechische Forscher sind, welche mit Eifer und Vehemenz die Thera- Hypothese verfolgen.

 

Da können natürlich auch die US- Amerikaner nicht zurückstecken, obwohl Platos Europa noch keine Ahnung von einer Welt jenseits des Atlantik gehabt hatte.

Eine der beliebtesten Theorien geht ausgerechnet auf die „prophetischen“ Träume eines nur hier und da mal erfolgreichen „Wunderheilers“ zurück, „Edgar Cayce“ mit Namen. Auch seine Vorhersagen trafen nicht immer zu, so etwa von der Zerstörung großer Teile New Yorks, San Franciscos und Los Angeles‘ bis 1998. Für das Jahr 1969 hatte er die Entdeckung von Atlantis gesehen, und tatsächlich wurden in diesem Jahr vom Flugzeug aus Strukturen auf dem Meeresboden entdeckt, unweit des Bimini- Atolls (Bahamas), die wie die Überreste einer hochstehenden Zivilisation anmuteten. Bei diesen sogenannten „Bimini- Blocks“ handelt es sich um große und rechteckige Steine von bis zu 5 x 6 x 3 Metern Umfang, die vor der Küste auf dem Meeresboden liegen. Manche von ihnen bilden Strukturen, die an Mauern, Pfeiler und sogar eine große Straße erinnern (wobei Letztere allerdings mehr für Titanen, denn für Menschen gemacht zu sein scheint). Allerdings finden sich nahezu identische Felsformationen auch an Land, wo sich nahezu rechtwinklig verlaufende Klüfte nachweisen lassen, die natürlichen Ursprungs sind. Wo sie zu tief dringen, brechen Steinbrocken ab, die wie gemeißelt aussehen. Die sogenannte „Bimini- Road“ hat ergo ihre kleiner dimensionierten Gegenstücke oberhalb der Wasserlinie („Beach Rock“). Die Strukturen entstehen im Verlauf der Jahrtausende von selbst durch das Zusammenspiel von Wind, Wellen und Kalkablagerungen.

So bräuchte es noch andere Indizien, um eine mögliche Identität mit Atlantis zu bekräftigen... wenn da nur welche wären! Im Norden des Doppelkontinents kannte man den Bison, der den laut Plato verehrten Stier ersetzen mochte, nur kam er weder in den Dschungeln Mittelamerikas vor, noch auf den Inseln der Karibik. Ähnliches läßt sich auch von den Anden- Elefanten (Gattung Cuvieronius) sagen. Und schon gar nicht finden sich Spuren eines mächtigen Imperiums: Eine menschliche Besiedlung der Bahamas läßt sich erst ab etwa dem Jahr 1000 unserer Zeitrechnung nachweisen.

Im Fall von Kuba ist die Beweislage nur wenig besser. Hier sind unter Wasser Überreste einer Kultur entdeckt worden, die den Maya zugeordnet wird. Freilich gehören auch die in die Ära nach Christi Geburt.

Nichtsdestotrotz gehören die Maya zu den Lieblingen mancher Atlantis- Jünger. Dies liegt vor allem daran, weil sie selbst von vielen Geheimnissen umgeben sind. Sie haben uns gewaltige Bauten hinterlassen, eine Schrift, die erst nach und nach entziffert wird, und einen Kalender, der bis in die Neuzeit hinein der exakteste auf Erden gewesen ist. Auch ihre Hochkultur hat ein abruptes Ende gefunden, ohne daß wir mit letzter Sicherheit die Gründe hierfür kennen.

Mit ihnen werden einige der berühmten „Indianer- Legenden“ verknüpft, die immer wieder gerne zur Untermauerung von Theorien herangezogen werden, wenn sich anderweitig keine Hinweise mehr finden. In diesen Zusammenhang gehört auch der sogenannte „Troano- Codex“, auch wenn der Nachdruck in Bertram Kirchers Buch „Atlantis“ nichts mit dem Doppelkontinent zu tun hat. Dieser Text soll ungelogen um 2000 v. Chr. in chaldäischer Schrift auf einem nepalesischen Tempel in Lhasa verewigt worden sein. Allein die bereits erwähnten Angaben dürften klar machen, daß ich jeden Leser und mich selbst für dumm verkaufen würde, würde ich ihn ernst nehmen.

Erwähnt werden mag nur, daß in diesem am 17. November 1912 im „Weekly Budget“ behandelten Text ein „Mu“ auftauchte, Priester eines „Ra- Mu“. Ein pensionierter britischer Colonel namens James Churchward wollte dann zwischen den Weltkriegen vom Hohepriester eines indischen Tempels in die Schrift und Sprache alter und geheimer Tafeln eingeführt worden sein. Darin wäre von einem Kontinent „Mu“ die Rede gewesen, der sich von den Fidschi- Inseln bis Hawaii erstreckt hätte, und auf dem eine „weiße“ Rasse dominiert hatte. Man mag sich denken, daß niemand sonst die angeblichen Dokumente je zu Gesicht bekommen hat.

Bei Christoph Wagenseil ist der Kodex Troano allerdings eine mit viel Phantasie erstellte Übersetzung eines Buches der Maya. Das Indio- Volk würde ihm zufolge von einer versunkenen Insel im Pazifik stammen, die aufgrund zweier nicht entzifferter, wie „M“ und „U“ aussehender Zeichen „Mu“ genannt wurde.

Vielleicht hat er sich auf das Popol Vuh bezogen, das zwischen 1554 und 1558 aufgezeichnet worden ist. Diese enthält aber nur eine Sintflut- Legende in Verbindung mit Feuer; zumindest in der mir bekannten Version fehlen geographische Angaben völlig.

Der Name „Mu“ ist selbstredend kein Beleg dafür, daß es auf dem Eiland einen ausgeprägten Stierkult gegeben hätte.

Von den zahlreichen Indianerlegenden, die immer wieder gern mit Mu und Atlantis in Verbindung gebracht werden, nimmt der Schöpfungsmythos der Hopi eine besonders prominente Rolle ein. Diesem zufolge waren die Menschen zunächst Geistwesen in einem Tokpela genannten Jenseits. Sie wurden körperlich in einer ersten Welt, entfernten sich aber immer mehr vom göttlichen Willen, und wurden schließlich von einer großen Feuersbrunst dahingerafft. Auf der zweiten Welt lief es ähnlich, nur beendete hier eine Art Eiszeit das Treiben der Menschen. Die dritte Welt dann hatte den Namen „Kasskara“ (nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Schwerttyp), und versank im Pazifik. Die vierte schließlich ist die heutige, und auch ihre Tage sind gezählt.

Sagen, in denen ein Gott die Sünder bestraft, kennen nahezu alle Götter. Sie dienen dazu, die Stammesmitglieder zu disziplinieren, wenn die eigene Autorität dazu nicht ausreicht. Über die Wut der kleinen Schwester, der man einen Apfel klaut, mag man noch lachen. Der Zorn eines Gottes jedoch, der für diese Tat Sühne fordert, kann selbst den kräftigsten und beliebtesten Krieger vor Angst zittern lassen. Schon bei den reinen Sintflut- Erzählungen haben wir gesehen, daß sich solche Themen über viele Generationen hinweg einer großen Beliebtheit erfreuen. So auch bei den Hopi, und wo die Geschichte eine vollständige Vernichtung des Landes fordert, kann es keine im Anschluß zurückweichenden Fluten geben. Darum also muß Kasskara in einem Ozean plaziert werden, und nicht etwa in der Arizona- Wüste.

Es versteht sich von selbst, daß Mu und Kasskara in den Spekulationen vieler „Geheimwissenschaftler“ gleichgesetzt werden. Hinzu kommt noch ein Land namens „Lemuria“. Das hat seinen Namen tatsächlich von den Lemuren (gemeint sind die Primaten, nicht die alt- römischen Geister). Die bekannten Zoologen Philip L. Sclater und Ernst Heinrich Haeckel haben im neunzehnten Jahrhundert überlegt, ob die Verbreitung der Halbaffen in Madagaskar und Südindien von einem im Indischen Ozean untergegangenen Inselkontinent herrühren mochte. Eine antike Überlieferung zu einem Eiland dieses Namens gibt es nicht, genauso wenig wie irgendwelche Eingeborenenfolklore. Trotzdem entspann sich auch um Lemuria ein ganzer Wust an Prophezeiungen und Hypothesen, konnte man sich doch nun auf namhafte Forscher berufen, die für seine einstige Existenz eintraten. Dabei wanderte es immer mehr in den Pazifik, wo es sich mit Mu und Kasskara vereinte, und natürlich herrschte dort ebenfalls wieder einmal eine „weiße Rasse“.

Nun kennen die Geologen auch einen zumindest hypothetischen Kleinkontinent namens Avalonia. Geomagnetische Daten deuten darauf hin, daß er sich früh im Erdaltertum (Paläozoikum) von der nordwest- afrikanischen Küste des Südkontintents Gondwana gelöst hat. Teile Schottlands, Irlands und des Appalachengebiets von Nordamerika sollen zu ihm gehört haben. In den erdgeschichtlichen Epochen des Ordovizium und Silur hätte er recht isoliert im Japetus- Ozean (benannt nach dem Titanen Iapetos, Vater des Riesen Atlas, von dem bekanntlich der Atlantik seinen Namen hat) gelegen, bis er im Devon bei der Formung des „Old Red Kontinents“ zwischen Nordamerika (Laurentia) und Nordeuropa (Baltica) geriet. Hier haben wir also eine abgeschiedene, heute so nicht mehr existente Landmasse, größer als jede gewöhnliche Insel, die zudem noch von respektablen Wissenschaftlern anerkannt ist. Zudem heißt sie nicht nur so wie das sagenumwobene Avalon, es gehörten auch einige der bei Keltentümlern beliebtesten Regionen zu ihr. Zwar hat es zu ihrer Zeit noch keine Menschen gegeben, aber das ist im Falle von Lemuria ja auch kein Hindernis gewesen. Dementsprechend bleibt es eigentlich nurmehr abzuwarten, bis auch hier die ersten Medien und Propheten Visionen haben von Geistern aus dem Hofstaate König Arthurs, die von ihrem „entrückten“ Dasein auf jenem Kleinkontinent erzählen werden. Mag sein, daß Elvis auch dort gelandet ist, und die Ritterschar mit Hot Dogs versorgt…

 

Kommentare  

#1 Christoph Wagenseil 2010-05-07 18:51
Mein alter Text bezog sich auf den Codex Troano, hier im Faksimile:
www.famsi.org/research/graz/madrid/thumbs_0.html

Dieser ist heute mit einem anderen Teilstück wieder verbunden. Er enthält astronomische Tafeln der Venus, elf Seiten über Bienen, Magisches und religiöse Feste und Opferzeiten.

Der Codex ist Maya (und hat nichts mit dem Popul Vuh zu tun) und tauchte erst 1866 wieder auf. Dort wurde - in Unkenntnis der Zeichen - die MU-Legende geboren, weil zwei Zeichen M und U ähnelten. Tatsächlich entzifferte die Maya-Schrift erst ein sowjetischer Ägyptologe im 20. Jh.
#2 Edi 2010-05-17 00:22
Ich hatte mich bezogen auf etwas abenteuerlichere Spekulationen (Churchward, Sykes, Paul Schliemann), die sich auf eine vor etwa einem Jahrhundert gängige Interpretation des Troano-Codex berufen haben. Im wesentlichen gestützt habe ich mich dabei auf den Abdruck, der zu finden ist in der Quellensammlung "Atlantis" (S. 42), herausgegeben von Bertram Kircher (ISBN- Nr.: 978-3-491-96185-2. Albatros Verlag. Düsseldorf, 2007). Darin ging es um sieben Städte mit goldenen Toren und "transparentem" Tempel, die ein herabstürzender Stern namens Bal vernichtet haben soll. In den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts ist da viel mystifiziert und auch vermischt worden (Churchwards berühmte Chaldäer, die um 2000 v. Chr. in Nepal Tempelwände bekritzelt haben sollen), und mir war es darum gegangen, diese Blüten aufzuzeigen. Churchward tritt dabei - nebenbei bemerkt - in die Fußstapfen Auguste LePlongeons und dessen Interpretation des Troano- Codex.
Herrn Wagenseil habe ich angeführt, um der Darstellung Churchwards eine andere Sichtweise entgegen zu stellen. Freilich führt Ersterer Dinge an, die sich in meiner Übersetzung des Troano- Codex nicht finden, so dass bei mir die Frage aufkam, ob wir uns beide auf die selbe Quelle berufen haben.
Oder zusammengefasst: Es ging mir um die Interpretationen des Codex in Bezug auf Mu und Atlantis, nicht um dessen tatsächlichen Inhalt. Was Letzteres angeht, da möchte ich Herrn Wagenseil gar nicht widersprechen.
Mit freundlichen Grüßen: Edi

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