Der Mann ohne Gedächtnis

Der Mann ohne GedächtnisDer Mann ohne Gedächtnis
(L'Uomo senza memoria)
 
Edward leidet nach einem schweren Verkehrsunfall an einer anhaltenden Amnesie. In der Psychiatrie trifft er einen Mann, der behauptet, Edward von früher zu kennen - und dass Edward mit einer in Italien lebenden Amerikanerin verheiratet sei. Als kurz darauf der "alte Bekannte" von einem Killer mit einem Kopfschuss hingerichtet wird, fliegt Edward nach Italien, um den Dingen auf den Grund zu gehen.

Duccio Tessaris Werk aus dem Jahre 1974 ist einerseits ein waschechter Giallo, der sich allerdings trotzdem ziemlich grundlegend von den meisten anderen Genre-Vertretern abhebt, was in allererster Linie schon einmal in der etwas anderen Erzählstruktur begründet liegt.


Denn bekommt man hier doch nicht die ansonsten oft an den Haaren herbeigezogene Geschichte eines Serienmörders zu sehen, sondern vielmehr ein äußerst raffiniertes Puzzlespiel, das aus dem Gedächtnisverlust der Hauptfigur Edward entsteht und in dem man auf dessen nur langsam wiederkehrende Erinnerung angewiesen ist, um die Gesamtzusammenhänge der Ereignisse zu erkennen. Diese werden zwar über größere Teile der Geschichte einigermaßen im Dunkeln gehalten, jedoch erhält man immer wieder recht deutliche Hinweise, die einen schon frühzeitig eigene Vermutungen anstellen lassen, die sich dann letztendlich auch bewahrheiten sollen. Nun könnte man aufgrund dessen eventuell zu der Meinung gelangen, dass es vorliegendem Film erheblich an Spannung mangeln könnte, was aber keineswegs der Fall ist. Denn obwohl man in vorliegender Geschichte viel füher auf die Lösung des Geschehens kommen kann als in vielen anderen Giallos, so beinhaltet das Szenario einen dennoch sehr konstanten Spannungsbogen, der für ein ganzzeitig interessantes und abwechslungsreiches Filmerlebnis Sorge trägt, in dem zu keiner Zeit so etwas wie Langeweile aufkommt.

Dafür sorgen allein schon die recht unterschiedlichen Charaktere, die "Der Mann ohne Gedächtnis" zu bieten hat, sind da einerseits mehrere ziemlich dubiose Figuren dabei, mit denen man zu Beginn noch nicht viel anfangen kann, die aber im weiteren Verlauf der Story einen nicht gerade unwesentlichen Stellenwert einnehmen, andererseits wartet der Film aber auch mit Charakteren auf, die von Beginn an sehr viele Symphatiepunkte beim Zuschauer sammeln können. Zu diesen zählen hauptsächlich Sara (Senta Berger) und selbst der unter Amnesie leidende Edward (Luc Merenda), der trotz seiner anscheinend kriminellen Vergangenheit, die sich immer mehr herauskristallisiert, einen äußerst symphatischen Eindruck hinterlässt. Weiterhin wird der Betrachter auch noch durch diverse Personen etwas hinters Licht geführt, da die zu Beginn der Geschichte scheinbar positiven Charaktereigenschaften sich am Ende als leere Fassade darstellen und sich regelrecht umkehren. Man sieht also ziemlich deutlich, dass nur in diesem einen Aspekt schon eine extreme Vielschichtigkeit zum Tragen kommt, die dem Film insgesamt sehr gut zu Gesicht steht und für ein abwechslungsreiches Szenario sorgt.

Dabei sollte man nicht unerwähnt lassen, dass gerade das hier gezeigte Schauspiel der gesamten Darsteller-Riege einen absoluten Höhepunkt darstellt, ist es in vielen anderen Giallos oft der Fall, dass die einzelnen Figuren eher etwas farblos gezeichnet werden und auch die Darsteller nicht unbedingt sehr ausdrucksstark agieren, so nimmt "Der Mann ohne Gedächtnis" in diesem Punkt fast schon eine kleine Ausnahmestellung ein, die ihn sehr wohlwollend von anderen Vertretern seiner Art abhebt. Doch auch ansonsten unterscheidet sich Tessaris Werk ganz erheblich von vielen anderen Filmen dieser Gattung, fehlen doch beispielsweise fast gänzlich die handelsüblichen Nacktszenen von hübschen Frauen, und auch das fast schon obligatorische Liebesspiel eines Paares sucht man hier vergebens. Ich persönlich habe das keineswegs als negativ empfunden, hat man sich doch in vorliegendem Fall vielmehr auf die wesentlichen Punkte der Geschichte fokusiert, was den Film in meinen Augen enorm aufwertet. Dazu zählen auch die wunderbaren Schauplätze, an denen sich das Geschehen abspielt; der Zuschauer wird mit herrlichen Kulissen konfrontiert und bekommt eine Kameraarbeit geboten, die einen wahrlich mit der Zunge schnalzen lässt. Da kann man es auch als Giallo-Liebhaber jederzeit verschmerzen, dass die Geschichte fast gänzlich ohne die üblichen blutigen Passagen auskommt, und dass man nicht mit einer Reihe von Morden konfrontiert wird, die man ansonsten geboten bekommt.

So kann man Regisseur Duccio Tessari ohne Übertreibung attestieren, dass er mit "Der Mann ohne Gedächtnis" eine wahre Perle des Sub-Genres geschaffen hat, die sich sehr wohlwollend von vielen anderen Giallos abhebt und sich qualitätsmäßig auf einem äußerst hohen Level ansiedelt. Nicht die ansonsten übliche Mörder-Story, sondern ein intelligentes Puzzle-Spiel, das sich rückwärtig zusammensetzt, zieht den Zuschauer in seinen Bann und übt eine unglaublich starke Faszination auf ihn aus, der man sich beim besten Willen nicht entziehen kann. Besetzt mit erstklassigen Schauspielern und einer herausragenden Senta Berger, die hier sogar zur Kettensäge greift, um ihr Leben zu verteidigen, bietet der Film absolut hochklassige Unterhaltung, die sich kein Liebhaber des italienischen Kinos entgehen lassen sollte. Herrliche Kulissen und eine absolut hervorragende Kameraarbeit runden ein nahezu perfekt geschnürtes Gesamtpaket ab, das man sich immer wieder gut anschauen kann, ohne dass es langweilig wird.
 
Fazit: "L'Uomo senza memoria", wie das Werk im Original heißt, zieht den Betrachter von der ersten Minute an in seinen Bann und präsentiert eine intelligente Geschichte, die fast gänzlich ohne Härte und blutige Passagen auskommt und dennoch jede Menge Spannung bietet. Auch die handelsüblichen Nacktszenen bekommt man hier nicht geboten, was allerdings keineswegs eine negative Kritik darstellen soll, sondern das Gesamtwerk noch zusätzlich aufwertet. So kann man sich insgesamt an einem herrlichen Film erfreuen, der mit einer grandiosen Senta Berger zu einem echten Erlebnis wird.
 
 
Daten zum Film
 
Darsteller: Senta Berger, Luc Merenda, Umberto Orsini, Anita Strindberg, Bruno Corazzari, Rosario Borelli, Manfred Freyberger, Tom Felleghy, Carla Mancini, Vittorio Fanfoni, Duilio Cruciani
Regie: Duccio Tessari
Drehbuch: Ernesto Gastaldi
Kamera: Giulio Albonico
Musik: Gianni Ferrio
FSK 16
Italien / 1974
 
 

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