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Mädchen, Händler und Zuhälter »Matrioshki« – Die Mädchenhändler

MatrioshkiMädchen, Händler und Zuhälter
»Matrioshki« – Die Mädchenhändler

Belgien ist - in Krimihinsicht - für uns Deutsche eigentlich nur durch Hercule Poirot (den trotzdem viele immer noch für einen Franzosen halten und der von einer Engländerin erfunden wurde) mit diesem Genre verbunden.
Belgien, das ist ein Land mit einem König, drei verschiedenen Sprachen, Brüssel, (Bettina: Schokolade), der EU und ihren Bürokraten und dem ›Manneken Pis‹.

 

Matrioshki Aber das dortige Fernsehen und der dortige TV-Krimi? – Gibt es das? Das sind für Deutsche böhmische Dörfer (Bettina: In dem Fall eher russische) ... Und dann bringt edel:motion „Matrioshki« heraus. Eine Krimi-Serie aus Belgien...

Wie gesagt: Belgische TV-Krimis sind mir eher nicht bekannt (Bettina: Gibt es überhaupt welche? - Außerdem: „Matrioshki« ist auch keine Krimi-Serie im klassischen Sinn). Kein Detektiv verfolgt einen Täter und überführt ihn. Es handelt sich dabei um eine Serie, die gar von Amnesty International zur Aufklärung eingesetzt wird (Bettina: Aufklärung darüber, wohlgemerkt, über die Gefahren, denen junge Frauen sich in Bezug auf Mädchenhandel ausgesetzt sehen).
 
Eine belgische Krimi-Serie also? Doch.
 
Was hat es denn mit dieser Serie nun auf sich?

„Matrioshki« erzählt in 10 Folgen die Geschichte einer Gruppe von Mädchen aus der ehemaligen Sowjetunion (Bettina:
Sie stammen teilweise aus Russland, der größte Teil von ihnen stammte aus Litauen) und ihren Händlern aus Belgien, die sie als »Frischfleisch« für ihre Puffs brauchen. Neue Ware für die Freier – so was braucht der Zuhälter.

Die Mädchen (Promofoto) Bettina: Das Ganze beginnt mit der Rekrutierung der Mädels im ehemaligen Ostblock. Die Mädchen werden mit falschen Versprechungen angeworben. Man verspricht ihnen eine glänzende Karriere als Tänzerinnen in einer Tanzgruppe. Die Mädchen, voller Träume von Geld, Karriere und der großen Welt des Westens, haben wenig Bedenken. Nicht nur eine von ihnen handelt entgegen Ratschlag von Familie oder Freunden, fälschen Unterschriften oder "besuchen" die Manager, die ihnen einen Platz in der Truppe versprechen, auch schon mal privat auf den Zimmern.
 
Horst: Dann führt sie ihr Weg über eine Art Zwischenlager auf Zypern (wo die Mädchen mit Arbeitsverträgen in Griechisch ausgestattet werden) bis nach Belgien, wo sie in Clubs als Nacktänzerin und (entgegen den Versprechungen) als Prostituierte arbeiten müssen. Gewalt wird ihr Alltag. Und doch führt der Weg für einige Frauen wieder zurück – und doch nicht zurück...

Das ganze in insgesamt 10 Folgen á 45 Minuten erzählt. Im Großen und Ganzen ist die Serie sehr gelungen. Es gibt beeindruckende Momente, wenn die Mädchen unter Druck gesetzt werden. Eas wird eindringlich geschildert, die Schauspielerinnen spielen ihre Rolle vollkommen überzeugend. Es gibt Szenen von beeindruckender Intensität, mit roher Gewalt, die aber nie um des Schauwerts willen überzogen dargestellt wird. Das Ausgeliefertsein an die Mädchenhändler und Zuhälter kommt sehr gut rüber. Ebenso das Mitrauen der Mädchen gegen die Polizei, die oft genug untätig oder erfolglos bleibt, weil entweder bestochen oder wegen nicht ausreichender Beweise oder auch mangelnder Motivation...

Bei der Arbeit Bettina: Und genau da liegen dann auch die Stärken der Serie. In der Schilderung des Leidesweges der Mädchen bei ihrer ›Arbeit‹. 
 
Anders sieht es aus, wenn man sich die Gangster vor Augen führt. Es werden so manche Stereotypen vorgeführt, die stellenweise schon ins Alberne abgleiten. Das beginnt mit dem harten Geschäftsmacher, der in eine Prostituierte verliebt ist und sich nur mit großer Mühe dazu durchringen kann, sie dann doch zu "opfern" - für seine eigenen Karriere.
 
 Horst: Ebenso der wahnsinnige Mörder, Sohn des großen Kopfes hinter den ganzen Aktionen, der hier und da mal jemand umbringen darf und immer töten will. Er fühlt sich von seinem Vater zurückgesetzt und wittert immer und überall eine Intrige der anderen Ganoven. Bei diesen - zentralen Rollen und tragenden Momenten - verliert die Serie von ihrer Eindringlichkeit. Dazu mag auch die Synchro beitragen, denn der "irre Killer" hat in Deutsch eine etwas überzogene, leicht vom Wahnsinn angehauchte Stimme bekommen.

Aber auch andere Zuhältern kommen rüber, wie ›Klein Fritzchen‹ sich den typischen Gangster vorstellt. Dazu kommen dann noch der Machtkampf und die Intrigen des psychopathischen Killers. Dazu dann eben die Klischees. Die Gangster sind fast ein wenig überzeichnet.

Die Zuhälter und MädchenhändlerBettina: Genau in dieser Überzeichnung verliert die Serie ein wenig ihren Fokus, der auf den Mädchen und ihre Behandlung liegen sollte. So stark die Wirkung der Ängste und Wünsche der Mädchen ist, so schwach werden die Kriminellen und ihre "Welt" stellenweise herausgearbeitet. Das liegt aber nicht nur an den Gangstern. Die Serie, derzeit eine Staffel, bedient noch andere Klischees. Da wird eine (natürlich zum Scheitern verurteilte) Liebesgeschichte von einem der Mädchen und einem Freier erzählt, die den Bahnen folgt, die man erwartet.

 Es wirkt, als habe man sich verschiedene mögliche Schicksalsstränge für Frauen in der Zwangsprostitution überlegt, für die man dann entsprechende Rollen geschaffen hat. Die Zögerliche, die sich am Ende zur Rückkehr nach Vilnius entscheidet - und am Ende nicht weiß, ob nicht Prostitution besser wäre als das Leben in ihrem trostlosen Zuhause, die Geschäftstüchtige, die auf keinen Fall in ihr "altes Leben" zurück will und Prostitution als Geldeinnahmequelle sieht, die Skeptische, die ermordet wird weil sie zu gefährlich wird ... Als  Zuschauer kommt trotz aller Eindringlichkeit der Gesamtserie dann zu dem Schluss, dass eine Konzentration auf das Schicksal der Mädchen ohne Seitenblicke und Nebengeschichten aus einer ohnehin schon faszinierenden Serie eine nahezu einmalige Serie gemacht hätte. Das ganze in fünf oder sechs Folgen statt in zehn hätte eine Essenz abgegeben, die wirklich beeindruckend gewesen wäre.
 
Horst: Und doch: Das Gesamtbild ist immer noch mehr als überzeugend und ohne jeden Zweifel deutlich faszinierender und realistischer als der Wedel-Mehrteiler ›Der König von St. Pauli‹.

Bettina: Ich weiß nicht ... Realismus hin oder her, die Serie verliert massiv durch die Unausgewogenheit.
 
Horst: Obwohl die Serie nicht umsonst eine ›FSK 18‹ bekommen hat und schon sehr gewalttätig ist, wäre schon noch möglich gewesen, den Gewaltlevel durchaus noch schwerer erträglich anzusetzen. Aber ob dann noch viele Menschen zugeschaut hätten. Die Ausbrüche gegen die Mädchen sind oft explosionsartig und drastisch. Dazu gehört zweifellos die Szene, als eines der Mädchen durch Vergewaltigung für ihren Job gefügig gemacht werden soll, wehrt sie sich gegen diese absolute Demütigung und ersticht den Peiniger. So verständlich das ist und der Zuschauer innerlich aufjubelt, wirkt die gewaltsame Eigenwehr und die Flucht der Frau so schon wieder sehr konstruiert, und um des Realismus der Serie willen wäre das Unterliegen und Zerbrechen der Frau deutlich wahrscheinlicher und besser gewesen.

ArbeitDennoch bleibt auch ohne die Konsequent des Zerbrechens der Frau durch Vergewaltigung jede Menge Gewalt übrig und ihre Hilflosigkeit wird mehr als deutlich.
 
Bettina: Bedrückend ist hierbei die Tatsache, wie wenig wirkliche Aktivitäten die Polizei in dem Ganzen zeigt. Sie ist "unterwandert" - einer ihrer Mitarbeiter ist der Bande eng verbunden und trägt alle Pläne und Ermittlungen weiter. Die Kriminellen scheinen immer mindestens einen Schritt weiter und schneller zu sein als die Polizei. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass dies der Realität nicht allzu fern ist. 
 
Horst: Eine in letzter Konsequenz - trotz zu vieler unrealistischer Nebengeschichten und fragwürdiger Gestaltung - immer noch ein beeindruckendes und emotional berührendes Stück Fernsehen. Sehenswert...

Daten zur DVD-Box
Matrioshki Matrioshki
(Matrioshki – Mädchenhändler)
mit Peter Van den Begin, Mark Van Eeghem, Wim Opbrouck, Luk Wijns, Axel Daeseleire, Frank Aendenboom, Tom Van Dyck, Stany Crets, Hilde Heijnen, Lucas van den Eijnde, Veerle De Jonghe, Manou Kersting, u. a.
Buch / Regie: Guy Goosens, Marc Punt
Kamera: Michel van Laer
Musik: David Julyan, Hans Mullens
Belgien 2005

Genre: TV-Serie / Krimi
Erschienen: 11.06.2010
EAN-Code: 4029759047124
Format (cm): 19.2 x 13.7 x 2
Laufzeit: 07:30:00
edel:motion
 
Episodenführer:
Folge 1 – Straße der Illusionen
In der belgischen Unterwelt regiert das Schwerverbrechen: Schlepperbanden beliefern die Sex-Industrie mit wehrlosen Frauen aus Osteuropa. Wenn diese sich gegen ihre Peiniger wehren, bezahlen sie nicht selten dafür mit dem Tod. - Die schockierenden Bilder der zehnteiligen Serie werden von Amnesty International in Osteuropa als Mittel zur Aufklärung eingesetzt.

Folge 2 – Böses Erwachen
In Zypern erhalten die aus Litauen angeheuerten Frauen Tanzunterricht. Schon hier zerplatzen ihre Träume, denn sie werden von Van Mechelen gezwungen, in einem Strip-Lokal aufzutreten. Olga und Deborah gelingt die Flucht. Mike Simons, der ehemalige Gehilfe von Van Mechelen, hat sich an die Polizei gewandt und ist bereit gegen die Mädchenhändler auszusagen.

Folge 3 – Gefangen im Paradies
Die Polizei beendet auffällig schnell die Ermittlungen im Mordfall von Mike Simons. Laura verdächtigt Inspektor Clem De Donder, ein Informant von Van Mechelen zu sein. Der macht den jungen Frauen aus Osteuropa unterdessen unmissverständlich klar, was er von ihnen erwartet. Schon in der ersten Nacht geraten die Dinge außer Kontrolle, als Deborah einen der Kunden attackiert.

Folge 4 – Gegen jede Regel
Die Schlepperbande greift die Russin Inga in einer Bar in Limburg auf und bringt sie in das Studio 69 zurück. Daria überredet den Journalisten Nico Maes, einen Brief aus dem Club zu schmuggeln. Bei dem Versuch wird er erwischt. Unterdessen wird Deborah weiter im Keller gefangen gehalten. Der Pate John Dockx erfährt, dass Jan Verplancke eines seiner Mädchen für sich arbeiten lässt und erteilt ihm eine Lektion.

Folge 5 – Ausgeflogen

Die Schlepperbande will sechs der jungen Frauen an einen Clubbesitzer aus Holland verkaufen. Eine Razzia der Polizei im Studio 69 führt zu keinem Erfolg. Offenbar hatte jemand die Mädchenhändler gewarnt. Inspektor Clem De Donder ist unterdessen nicht mehr länger tragbar, selbst seine direkten Kollegen vertrauen ihm nicht mehr. Esther muss sich in Acht nehmen. Jan Verplancke plant Rache, weil sie ihn verlassen hat.

Folge 6 – Falsches Spiel
Irina versteckt sich in dem Haus von Peter Jones, einem Handwerker aus dem Club. Dessen Frau kontaktiert die Polizei. Inspektor Clem De Donder wird vom Dienst suspendiert. Der Journalist Nico Maes schreibt einen weiteren Artikel über die Mädchenhändler. Die Bande wird langsam nervös und setzt Esther auf den Journalisten an.

Folge 7 – Unter Beobachtung
Die Polizei beobachtet das Treiben im Club 69 mit gesteigertem Interesse. Da die Beamten jeden Kunden überprüfen, laufen die Geschäfte der Mädchenhändler zunehmend schlechter. Van Mechelen beauftragt Jan Verplancke, einen Escortservice zu eröffnen, um die Verluste aufzufangen. Einer der Kunden verliebt sich in Eva und will sie aus ihrem Vertrag freikaufen.

Folge 8 – Machtkämpfe
Darias Ersparnisse sind verschwunden. Die Mädchen verdächtigen Deborah. Wim Wilson hat Eva freigekauft und stellt sie seinen Eltern vor, die wenig begeistert sind. Ray und Vincent geraten immer öfter aneinander. Als Vincent gegenüber Kalinka gewalttätig wird, bricht der Konflikt zwischen ihm und Ray offen aus.

Folge 9 – Nichts geht mehr
Drei Monate sind vergangen: Der Journalist Nico Maes kann Eva zu einer Aussage bei der Polizei überreden. Doch im letzten Moment zieht sie ihre Zusage zurück. Nach einer weiteren Razzia werden mehrere der osteuropäischen Frauen verhaftet, weil es Probleme mit ihrer Aufenthaltserlaubnis gibt. Eddy und Ray werden wegen Menschenhandels, schwerer Körperverletzung und Betriebs eines Prostituiertenrings verhaftet.

Folge 10 - Wer erntet den Sturm?

Nach der Beerdigung von John Docks führen Vincent und Ray eine heikle Unterhaltung, in der Ray Vincent einen sehr überraschenden Vorschlag macht. Auch Eddys Situation wird immer brenzliger, während Verplancke in seiner Rolle als eiskalter Intrigant immer mehr aufgeht. Unterdessen schmeißt Ray Kalinka raus. Die sinnt auf Rache. Und in der Tat weiß sie genau über die Praktiken des Gangsters Bescheid.

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