Wallander - Wenn ein Engländer Schwede wird
Wallander - Wenn ein Engländer Schwede wird
Sie haben nicht unwichtige Preise für die Folgen abgeräumt: Broadcasting Press Guild (BPG) Television and Radio Awards: Kenneth Branagh als "Best Actor" und die Gesamtserie den Phlips Audience Award for the Best Programme of 2008, British Academy Television Awards 2009.
Nun ist er also ein schwedischer Kommissar geworden. Er hat ein - meiner Ansicht nach - schweres Erbe angetreten. Krister Henriksson hat ihn gespielt, für mich ist die Figur des Kurt Wallander aber einfach untrennbar verbunden mit Rolf Lassgård, der ihn in insgesamt neun Filmen verkörpert hat.
Der Film vom Regisseur Philip Martin, im Oktober 2008 erstmals ausgestrahlt, bemüht sich um eine Mischung aus düsterer Stimmung, die Mankells Geschichten zwangsläufig hinterlassen, und der urlaubsschönen Szenerie, in der man schwelgen kann. Diese Mischung gelingt - wie in fast allen Skandinavien-Krimis. Dies wohl vor allem auch für uns Skandivnavienkrimi-Leser, die auf eine solche Kulisse warten, wie Kitschliebesfilmliebhaber auf handgestapelte Mauern in den idyllischen grünen Hügeln der Pilcher-Filme.
Dennoch ... irgendwie bleibt wenig Eindruck zurück.Der dritte Teil der Wallanderreihe mit Kenneth Branagh beginnt so verwirrend, wie es sein soll: Das Picknick der in herrliche Barockgewänder gehüllten jungen Menschen. Wallander betreibt fast gleichzeitig Routineermittlungen. Er sucht nach Autoschmugglern. Noch sind die drei Jugendlichen nicht "offiziell tot", es kommen Postkarten vom europäischen Kontinent, die eine Reise vorgaukeln.
Tom Hiddleston, der Hazeldine-Sohn aus "Suburban Shootout", ist einer der weiteren Engländer in der Verfilmung. Über 50% der Schauspieler sind Schweden, gemeinsam mit Branagh und Hiddleston gibt es noch Wallanders Assistentin Hoglund, die englisch besetzt sind.
Die Frage nach dem "Sinn" von Branagh als schwedischer Kommisar hat sich abgeschliffen. Sie tritt zurück hinter dem Eindruck, den die Art und Weise hinterlässt, wie Branagh den Wallander anlegt. Damit ist die Frage, ob Branagh als schwedische Kommisar "funktioniert", für mich mit einem "Jaaaeinnjaaa" beantwortet.
"One Step Behind" als dritter Teil ist eine gute Wahl für die Fortsetzung der Reihe. Gefragt nach den starken Romanen würde ich vermutlich spontan auch erst einmal diese drei (Falsche Fährte, Brandmauer und Mittsommermord) nennen.
Wallander ist ständig müde, er schläft auf dem Sofa ein, auf dem die Leiche seines Kollegen und Freundes gefunden wurde. Er ist schlapp, muss häufig zur Toilette und hat ständig Durst. Richtig - er hat Diabetes, aber noch weiß er es nicht, bis zu dem Moment, als er mitten auf dem Flur einfach umkippt.
Wieder fallen mir vor allem jene Szenen auf, in denen Branaghs Wallander so ausgesprochen hilflos und verwirrt herumsteht.
Jene Sequenz jedoch, nach dem Auffinden der Leichen, ist bemerkenswert. Hier ist Wallander im Gespräch mit der einzigen überlebenden Jugendlichen der Clique, die mehr durch Zufall überlebt. Wallander bedrängt das Mädchen, versucht aus ihr heraus zu bekommen, ob sie vielleicht doch mehr weiß als sie ahnt. Genau in diesem Moment zeigt sich meiner Ansicht nach Branaghs Können. Er wird sehr eindringlich, und mit der Aktion, die ab da passiert, kommt Branagh als Schauspieler voll zum Zug.
Wir sind am Diskutieren. Was ist es, was diesen Unterschied in Branaghs Wallander ausmacht? Fehlendes Können Branaghs sicherlich nicht. Dazu ist er zu gut. Offenbar ist es Branaghs Verständnis von Wallanders Charakter: Dieser ausgeprägte Unterschied zwischen verwirrter Hilflosigkeit und ermittlerischer Fastgenialität und Akkribie, wenn "es" losgeht. Der Kontakt zu den Menschen, die von den Verbrechen direkt betroffen sind, die persönliche schon fast Beziehung, die entsteht, das ist Wallanders Stärke, die Branagh an den Tag bringt. Mir persönlich ist diese Diskrepanz in Wallanders Wesen etwas zu stark angelegt.
Auch in der Szene nach dem Tod der letzten Jugendlichen, als Wallander am Meer steht und sich seine ganze Wut in einem Schrei entlädt, bin ich wie geplättet von Branaghs Ausstrahlung. Nicht umsonst ist er ein Shakespeare-Darsteller. Was für eine starke Szene. Sie macht den Unterschied zu den anderen Aspekten in Wallanders Charakter noch deutlicher. Und man "erlaubt" Branagh noch eine, zwei weitere starke Szenen: Da sind die Momente mit seiner Tochter als er spürt wie dankbar er dafür ist, dass sie nicht in der Sucht versunken ist, die Szene nachdem der Mörder erschossen wurde und er sie in die Arme schließen kann, und schließlich die (fast schon heroische) Aufnahme als letzte Szene, in der er sich gemeinsam mit seinen Kollegen von Svedberg auf dem Friedhof verabschiedet hat. Er bleibt zurück, vor einem hellblauen Himmel stehend, im Halbprofil in die Ferne schauend, ein halb melancholisches, halb wissendes Lächeln auf den Lippen. Und man fragt sich unwillkürlich, was er wohl gerade denkt.
Nun sind sie also "durch", die drei Teile. Es war eine gute Sache, eine interessante Erfahrung zu erleben, wie sich die Einsortierung eines Schauspielers verändert und Branagh für mich eine weitere Facette hinzu gewinnt. Für mich hat sich die Einschätzung Branaghs als einem großartigen Charakterdarsteller bestätigt, dessen Stärke in den emotionalen, starken Momenten liegen und der meiner Ansicht nach bei der Differenzierung der beiden Aspekte in Wallanders Charakter ein wenig übertrieben hat. Und es ist eine neue Art, Wallander zu sehen, als sie Lassgård und Mankells Beschreibungen bisher geprägt haben. Und ... es ist gut, dass es nur drei Teile sind. Das macht es zu etwas Besonderem, und nicht einfach nur zu einer Serie.




Kommentare
Ich glaube, ich weiß mittlerweile, was mich wirklich am meisten gestört hat. Branagh "spielt" den Wallander, Lassgard "lebt" ihn. Nachdem ich das für mich entdeckt habe, bin ich mit Branagh zufrieden.
Eine enttäuschung in jeder Hinsicht war allerdings der dritte Krimi im Bunde, "Mittsommermord, den ich am Schluss nur mit einem Kopfschütteln quittieren konnte.
Was will man mit einem Kommissar, der nicht nur aussieht wie ein Zombie, sondern sich auch so verhält.
Der ständig müde und fertig ist und sogar am Steuer einschläft, und von seiner Umwelt und unmittelbaren Umgebung überhaupt nichts mehr mitbekommt.
Am Schluss des Krimis verursacht dieses körperliche und sellische Wrack sogar beinahe den Tod seiner eigenen Tochter, weil seine Waffe nicht geladen.
Nein, bei so einer übertriebenden Darstellung ist
Wallander nicht nur eine Gefahr für sich, sondern auch für seine Mitmenschen und seine unmittelbare Umgebung. Er sollte in Rente gehen.
Als Kommissar ist dieses körperliche und seelische Wrack vollkommen ungeeignet.
Hallo ihr Schlaumeier,
habe mit 'falsche Fährte' meinen ersten Wallander gesehen. Nur wegen
Branagh, bin sonst kein Fernsehkrimi-Freund. Teil zwei habe ich, wie
sollte es anders sein, verpasst. Den Dritten jetzt aber Gott sei
Dank auf der Festplatte. Und jetzt zum eigentlichen:
1. Ist Wallanders Leidensweg eine durchgehende Geschichte, auch
von den anderen Darstellern her?
2. Fehlt mir was, wenn ich jetzt Branagh Nummer Drei ansehe, ohne
die Zwei zu kennen?
Ewig zu Dank verbunden
(nur für eine Zeit lang)
Uwe
meiner Ansicht nach gibt es eingeschränkt einen Handlungsfaden. Der ist eher unterschwellig, zieht sich aber doch durch. Z.B. lernt Wallander in den Büchern im Band "Die Hunde von Riga" eine Lettin kennen und verliebt sich im Verlauf in sie. Sie haben über verschiedene Bände Kontakt, sie besucht ihn auch in Schweden, aber es wird nichts aus ihnen.
Es war irritiertend, als ich einen Band mit ihr erwischte ohne die Hintergrundinfo zu haben. Aber das tritt - meiner Ansicht nach - schon hinter der Handlung zurück.
Meiner Ansicht nach fehlt dir da gar nichts, wenn du die anderen Teile nicht gesehen hast.
Sag Bescheid, wenn du uns nicht mehr zu Dank verbunden bist :-).
Gruß,
Bettina
Insgesamt aber war mir das ganze zu langsam und zäh. Wobei mich mal interessieren würde in wie weit die Filme mit den Büchern übereinstimmen, sind die genau so?
Die Bücher sind imho in düsterer Darstellung der sozialen Fakten authentisch, die Morde gut dargestellt, die Fälle wirken in sich logischer und sinnhafter.
Langsam und zäh fand ich die Bücher nicht, da Wallander in den Büchern nicht so "lethargisch" wirkt, zumindest nicht auf mich.