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Rebecca Gable - Hüterin des Hauses Lancaster

Rebecca Gablé

Rebecca Gablé
Hüterin des Hauses Lancaster
- Über eine Autorin und ihre historischen Romane - 

Wir haben drei Interviews mit der Autorin geführt. Zum 1. über die Waringham Saga, zum 2. über Zukunftspläne, zum 3. über den historischen Roman an sich

Rebecca Gablé, Jahrgang 1964 ist fast genauso alt wie ich, obwohl diese Feststellung an sich schon uncharmant ist, denn über das Alter einer Dame spricht man bekanntlich nicht.


Aber es macht ihr offensichtlich nichts aus, ihr Alter anzugeben. Sie ist eben eine Frau, die fest im Leben steht und ihren Platz gefunden hat. Da machen solche Äußerlichkeiten nichts aus.

Was uns trennt: Sie sieht zehn Jahre jünger aus, ich (dank meines Gesichts­pullovers, schwindenden Haupthaars und üppiger Leibesfülle in der Mitte) zehn Jahre älter (obwohl sie so nett war die Tatsache, ich sähe aus wie fünfzig im Gespräch zu bestreiten). Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen historischer Romane in deutscher Sprache, ich nur ein Gelegenheitsschrift­stel­ler. Ich begegnete als bekennender Anhänger ihrer histori­schen Romane der Autorin auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2005. Wir führten ein ausgesprochen angenehmes Gespräch, das jedoch bedauerlich kurz war Auf der Buchmesse 2007 in Frankfurt hatten wir dann anlässlich des Erscheinens des dritten Teils der Waringham Saga „Das Spiel der Könige“ Gelegenheit ein halbstündiges Interview zu führen, welches sich in drei Teile gliederte.

Erfreulich war es von Rebecca Gablé dabei wieder erkannt und mit einem unwiderstehlichen Lächeln begrüßt zu werden

Bei dem Gespräch im Jahr 2005 ging es um Fantasy, historische Romane und wie man sie schreibt. Ich bekenne mit dem Verfassen historischer Romane gewisse Schwierigkeiten zu haben (obwohl ich mehrfach mit dem Gedanken spielte, einen zu schreiben). Das liegt daran, daß ich nicht das richtige Maß zwischen Fiktion (sprich meiner Geschichte) und historischen Fakten finde. Bei Überfrachtung mit Geschichtswissen ist die unangenehme Nebenwirkung, daß die Geschichte nicht in Fluß kommt und der Leser von mir eingeschläfert wird. Nehme ich zu wenig davon, verliert die Geschichte das historische Flair und damit ein gewichtiges Element und könnte letztlich überall und zu jeder Zeit spielen.

 

Historische Romane sind beliebt – auch und gerade in Deutschland. Wir blicken auf eine lange Reihe erfolgreicher und beliebter Romane zurück. Dazu gehören Klassiker wie Felix Dahns "Ein Kampf um Rom", Lewis Wallace "Ben Hur", Henryk Sienkiewicz "Quo Vadis". In der jüngeren Vergangenheit haben Tanja Kinkels Romane Aufregung erregt (die mich nicht so begeistern), Iny Lorentz (manchem bekannt als Iny Klocke) ist erfolgreich (obwohl ich ihre Romane zum Teil mag, scheint sie doch einem Schema zu folgen) und auch Ken Folletts "Säulen der Erde" gehört zu den ganz großen Erfolgen des historischen Romans. Rebecca Gablé erklärt die Beliebtheit des Genres so:

"Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen, und für jede Leserin und jeden Leser sind sie anders gewichtet. Vergangenheit macht neugierig. Viele wollen wissen, wie es denn in früheren Zeiten zuging, nicht nur wann William der Eroberer in England eingefallen ist - das lernt man ja in der Schule - sondern warum und vielleicht auch, was für Schuhe er getragen hat etc. In einem historischen Roman kann man all das auf angenehme Weise erfahren, man lernt etwas und wird gleichzeitig unterhalten.

 

Von allen historischen Epochen ist wohl das Mittelalter die, mit der wir die romantischsten Vorstellungen verbinden. Obwohl jeder gute historische Roman natürlich möglichst schonungslos die (rekonstruierte) Wirklichkeit beschreiben muss, bleibt doch immer ein bisschen von dem Ritter-und-Burgen-Zauber übrig, der uns allen aus den Volksmärchen vertraut und lieb ist und von dem wir uns im historischen Roman gern wieder gefangen nehmen lassen.

Nichts ist so sicher wie die Vergangenheit. Dieser scheinbar banale Satz ist in vieler Hinsicht wahr, nicht nur soweit er sich auf die sichere Faktenlage abgeschlossener Ereignisse bezieht. Das Mittelalter kannte keine Globalisierung und keinen Treibhauseffekt und erscheint aus unserer Sicht als eine einfache, beinah unschuldige Weilt, in die wir uns gerne mal für ein paar Stunden flüchten. Umgekehrt sind die alltäglichen Bedrohungen vergangener Epochen - Seuchen, Hungersnöte, willkürliche Verfolgung durch weltliche oder kirchliche Obrigkeit - uns Westeuropäern gänzlich fremd. Wir schaudern, wenn wir darüber lesen, aber gleichzeitig stellt sich die wohlige (und natürlich trügerische) Gewissheit ein, dass wir vor so etwas vollkommen sicher sind. Diese "Auszeit von der Realität", die man sich nimmt, indem man es sich mit einem historischen Roman auf dem Sofa gemütlich macht, wird gern als Flucht, als "Eskapismus" bezeichnet, oft mit einem abfälligen Unterton, scheint mir. Ich persönlich halte sie für ausgesprochen gesund. " (1)

Rebecca Gablé ist auf Umwegen zum Schreiben gekommen. Zunächst lernte sie den ehrbaren und einstmals auf alle Ewigkeiten sicher scheinenden Beruf der Bankkauffrau und übte diesen in der Folge auch aus. Nach ihrer Heirat studierte sie Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte und Mediävistik (Schwerpunkt: mittelalterliche Sprachen und Kultur Englands) in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. Dort war sie auch Dozentin für mittelalterliche Sprachen, was sie aber mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu Gunsten von Übersetzungen und dem Schreiben aufgegeben hat. Als Leser und Anhänger begrüße ich diese Entscheidung ...

 

Mit ihrem Mann lebt sie in einer Kleinstadt nahe Düsseldorf. Begonnen hat sie ihre schriftstellerische Karriere mit dem Schreiben von Krimis, bei denen insbesondere die Romane um Malecki einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Rebecca Gablé schließt nicht aus, diese Romane noch einmal fortzuführen. Dazu in einem andern Artikel mehr.

 

Historische Romane lassen sich grob in drei Arten aufteilen, um mal einen Exkurs zu machen. Einmal gibt es jene, bei denen Herrscher, Heerführer oder große Persönlichkeiten der Vergangenheiten in den Fokus gerückt werden. Aus den historischen Figuren werden die Helden aus deren Perspektive erzählt wird. Damit nimmt er Autor sich das Recht, die Motive und Handlungen der Großen der Geschichte zu kennen und uns deren Gedankengänge näher zu bringen. Wir als Leser folgen direkt den historischen Figuren und ihren Taten. Dieser Typ historischer Roman gefällt mir persönlich in der Regel nicht, denn der Autor maßt sich an, die Gedanken der Großen zu kennen.

 

Die zweite Methode, einen historischen Roman zu schreiben hat einen Vorteil. Motive und Gedanken der großen bleiben interpretationsfähig. Dazu kommt: Die historischen Figuren (gerade Herrscher und/oder Feldherren) haben Dinge getan, die sie aus heutiger Sicht ausgesprochen verwerflich sind und auf Unverständnis beim Leser treffen können (zum Beispiel: Richard Löwenherz und die Hinrichtung von fünftausend Gefangenen auf dem Kreuzzug; William der Eroberer und seine Taten im Norden Englands). Die erfundenen Figuren können daran unbeteiligt sein oder gar dagegen opponieren. Die Bandbreite der Reaktionen ist vielfältig. Im Idealfall erläutert der Autor damit das Geschehen aus dem historischen Kontext heraus und macht sie für den Leser aus dem Zeitalter der Menschenrechte und der Genfer Konvention begreiflich, ohne sie zu glorifizieren.

 

Die dritte Form hat zum Beispiel Ken Follett für „Die Säulen der Erde“ gewählt. Seine Handlung siedelt er zeittypisch vor einem historischen Hintergrund an, stellt aber seine fiktiven Figuren in den Mittelpunkt. Er erzählt eine Geschichte vor dem geschichtlichen Hintergrund. Seine Figuren agieren so, wie historische. Ihre Alltagssituation ist historisch, aber bis auf gelegentliches Durchscheinen des Hintergrunds ist der Roman fiktiv.

 

Rebecca Gablé wählte bisher immer die Alternative, ihre historischen Romane mit fiktiven Helden im Schatten der Großen zu schreiben. Dabei charakterisiert sie ihre Romane folgendermaßen:

"Die Romanhandlung steht im Vordergrund. Ich erzähle in erster Linie die Einzelschicksale einer Hand voll Figuren, die idealerweise exemplarisch für ihre Zeit und ihre gesellschaftliche Schicht sein sollten, aber es sind erfundene Individuen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass man es sehr genau mit den geschichtlichen Fakten nehmen muss, wenn man historische Fiktion schreibt. Alltag, Mode, Kochrezepte und Tischmanieren sollten ebenso richtig und verlässlich sein wie die Taten der Könige und der Ausgang der Schlachten. Ich möchte meiner Leserschaft ein möglichst zuverlässiges Bild vergangener Zeiten zeigen, die Vergangenheit so originalgetreu rekonstruieren, wie ich kann. Und ich habe nichts dagegen, wenn jemand aus meinen Romanen etwas über Geschichte lernt. Aber vor allem will ich unterhalten." (2)

 

Rebecca Gablés erster historischer Roman war Das Lächeln der Fortuna (1997). Ein Roman, der es durch Mundpropaganda zum Bestseller gebracht hat (ich wurde auch durch zwei begeisterte Leser auf diesen Roman aufmerksam) und inzwischen in mehreren Editionen und etliche Male aufgelegt wurde. Die Abbildung links zeigt ein Kuriosum. Denn Das Lächeln der Fortuna hat als Bastei Lübbe Taschenbuch begonnen und ist einer der wenigen Titel der Verlagsgruppe Lübbe, die dann in Hardcover noch einmal herausgeben wurde. Inzwischen dürfte sich die Auflage von Das Lächeln der Fortuna der Milliongrenze nähern. Für eine deutsche Autorin ein mehr als bemerkenswerter Erfolg.

 

Insbesondere das Haus Lancaster hat es der Autorin angetan und das zeigt sie gleich in ihrem Erstling sehr deutlich. Erzählt wird die Geschichte des jungen Robin of Waringham, dessen Leben von einem zum anderen Tag umgekrempelt wird, als sein Vater wegen (angeblichen) Hochverrats getötet wird. Dabei war Robins Vater einer der treuesten Diener Königs Edward III. und seines ältesten Sohns und Erben, des Schwarzen Prinzen. Aber der König ist alt geworden und fiel auf falsche Beweise herein.

 

Robin reißt aus der Klosterschule aus (diese Sequenz hatte die Autorin als Erstes im Kopf, als sie mit der Arbeit begann und sie bildet das zweite Kapitel des Romans). Der Junge verdingt sich auf dem Gut seines Vaters (das nun seinem neuen Herrn harrt) als Pferdeknecht (er hat eine emphatische Begabung für Pferde). Später verdingt er sich im Krieg gegen Frankreich (dem 100jährigen) und tritt letztendlich in die Dienste des Hauses Lancaster, dessen Berater er über Jahre hinweg ist. Gleichzeitig kämpft er um das Erbe seines Vaters, die (fiktive) Baronie Waringham, die er letztlich auch zurückgewinnt. Er krönt schließlich sein Lebenswerk, als das Haus Lancaster die Krone erringt.

 

Das Lächeln der Fortuna wird zum Ende hin etwas hektisch, als habe sich Rebecca Gablé vor dem Umfang, den der Roman mittlerweile hatte, erschreckt und ihn dann etwas übereilt abgeschlossen. Der Schluß wirkt fast episodenhaft und fällt gegenüber der epischen Breite des Gesamtwerkes ab. Etwas, daß ihr bei den weiteren Romanen nicht mehr passiert ist. Andererseits sagt sie selbst, daß "und der Roman war in der ursprünglichen Fassung auch viel umfangreicher als die folgenden"(3). Die Autorin und das Verlagslektorat kürzten den Roman auf das gewünschte Maß. Welch ein Glück, dass der historische Roman traditionell umfangreich ist.

 

Insgesamt aber ein wundervoll erzählter Roman, der Spaß machte. Die Irrungen und Wirrungen der Waringhams verknüpfte sie geschickt mit der wechselvollen Geschichte des hundertjährigen Krieges, den Intrigen im Kampf um den Thron und dem Hause Lancaster.

 

Der Hüter der Rose (2005) ist die lang erwartete Fortsetzung von Das Lächeln der Fortuna. Die Geschichten des (historischen) Hauses Lancaster und des (fiktiven) Hauses Waringham werden weitergesponnen. Robin of Waringham stirbt. Seine Söhne (leiblich wie angenommen), insbesondere der Jüngste, John, tragen nun die Handlung fort und folgen den Lancasters im Kampf um die Macht in England und im nicht enden wollenden Krieg mit den Franzosen. John of Waringham nimmt unter anderem an der berühmten Schlacht von Agincourt teil, die die Blüte der französischen Ritterschaft dahinrafft. Aber jedesmal wenn man glaubt, der Krieg wäre entschieden, geht er auf diplomatischen Parkett und auf dem Schlachtfeld in die nächste Runde.

 

In Der Hüter der Rose behandelt Rebecca Gablé auch das Thema Jeanne d'Arc, die sie – trotz ihrer eingestandenen Abneigung und trotz ihrer Perspektive (die englische Sicht) – sehr einfühlsam beschreibt. Sie schont, trotz ihrer Sympathien dabei auch nicht die Rolle der Engländer und wieder zeigt sich deutlich, welche Vorteile es hat, wenn der Autor bzw. die Autorin seine/ihre Helden im Schatten der Herrschenden agieren läßt.

 

Aber auch die Familiengeschichte der Waringhams geht weiter und Rebecca Gablé versteht es einfach glänzend diese mit den historischen Ereignissen zu verweben. Die beiden Häuser sind miteinander auf Gedeih und Verderb verbunden.

 

Rebecca Gablé sagt, ob sie weiter den Waringhams und Lancasters folgen, sprich einen weiteren Roman zu diesem Thema schreiben will:

 

"Ich habe mit der Arbeit am dritten Teil begonnen, der, wie angekündigt, in der Zeit der Rosenkriege angesiedelt sein wird. Aber über Inhalt und möglichen Erscheinungstermin möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen, dafür ist es zu früh." (3)

 

Im Herbst 2007 ist die Zeit der Antworten gekommen. Die Autorin legt den dritten Roman um die Waringhams vor. Aus den bescheidenen Anfängen von 1993 ist nun die „Waringham-Saga“ geworden.

 

Das Spiel der Könige stellt in gewisser Hinsicht einen Schlusspunkt da. Das Ende der Rosenkriege 1485 ist zugleich das Ende des Mittelalters in England.

 

Bei der Schlacht bei St. Albans im Mai 1455 beginnen nicht nur die Rosenkriege, auch John of Waringham fällt. Der ‚Hüter der Rose’ und jüngster Sohn von Robert (Robin) of Waringham verflucht mit seinem letzten Atemzug das Haus York.

 

In seine Fußstapfen tritt nun sein Sohn Julian, der aber an sich selbst zweifelt, denn er hatte sich mit seinem Wunsch in die Dienste des Hauses York zu treten, in Gestalt des Earl of Warwicks, zu treten, mit seinem Vater überworfen.

 

Aber das Haus York macht Julian mit seinen Intrigen und Taten den Weg zurück in die Reihen der Lancasterianer leicht. Obwohl Henry (Heinrich) VI. mit seiner geistigen Schwäche, es nicht leicht macht, ihm Loyalität zu zeigen.

 

Die Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster zieht sich mit seinem wechselnden Kriegsglück über dreißig Jahre. Julian of Waringham schlüpft in die Rollen, in die erschlüpfen muss, um dem Haus Lancaster zu dienen. Er ist Soldat, Ränkeschmied, Bote und Botschafter, Pirat und noch manch anderes.

 

Als dann Richard III., ehemals Duke of Gloucester, den Thron besteigt wird es richtig eng für die Waringhams. Geldquellen versiegen. Der Titel und damit die Baronie gehen auf die Devereux über.

 

Doch es gibt noch einen weiteren Handlungsstrang. Blanche, Zwillingsschwester Julians, ist mit der Erziehung des Earl of Richmond, des späteren Heinrich VII. befasst. Sie ist an der Seite von Jasper Tudor zu finden. Dabei verwebt sie geschickt – wie gewohnt – die tatsächliche Geschichte mit der Fiktion. Die Autorin erklärt hierzu im Nachwort von Das Spiel der Könige:

 

"Warum er (Jasper Tudor) erst im Alter von 54 Jahren und hartnäckiges Drängen seines Neffen heiratete und warum aus der Ehe keine Kinder hervorgingen, obwohl er und seine Frau Kinder aus früheren Beziehungen hatten, ist nicht bekannt. Wie schon gelegentlich in der Vergangenheit habe ich mir erlaubt, diesen weißen Flecken im Geschichtsbuch mit meiner Phantasie auszumalen." (4)

 

Jedenfalls stellt Das Spiel der Könige einen fulminanten (möglicherweise vorläufigen) Schlusspunkt unter die Waringham-Saga dar. Die Autorin deutet sowohl im Interview mit dem Zauberspiegel als auch im Nachwort des Buches an, sich vorstellen zu können, die Waringhams noch einmal in den stürmischen Zeiten der Herrscherfiguren Heinrich VIII. und Elisabeth I. agieren zu lassen.

 

Edward III. hat es der Autorin angetan. Dieser charismatische englische Herrscher ist einer ihrer erklärten Favoriten. Dabei glorifiziert sie ihn nicht. Im Gegenteil, sie bezichtigt in im Roman Der König der purpurnen Stadt (2000) gar der Vergewaltigung, was im Nachwort auch überzeugend darlegt. Laut Rebecca Gablé gäbe es dafür nur eine Erklärung bzw. Entschuldigung. Zu Zeiten Edwards handele es sich bei einer Vergewaltigung nur um ein Kavaliersdelikt. Dennoch, der König hat England aus einer Lethargie gerissen, aber auch in seinem Übermut den hundertjährigen Krieg eingebrockt. In Das Lächeln der Fortuna war Edward aber zu alt, um dessen Dynamik zu demonstrieren. So war es für sie wohl Ehrensache, diesem König in ihrer gewohnten Manier ein Denkmal zu setzen.

 

In gewisser Weise stellt Der König der purpurnen Stadt den Prolog zu Das Lächeln der Fortuna und Der Hüter der Rose dar, denn Gervais of Waringham, der Vater Robins spielt in diesem Roman eine Rolle. Aber im Gegensatz zu ihren anderen Romanen stellt die Autorin nicht den Adel und ihre Ränkespiele in den Mittelpunkt des Geschehens. Vielmehr rankt sich der Roman um Jonah Durham, einen Londoner Kaufmann, der es bis zum Mayor (Bürgermeister) von London bringt.

 

Jonah Durham hat eine besondere Beziehung zu Edward III., der ihm das Leben rettete und in dessen Königin in die er rettungslos verliebt ist. Und so verwebt sie wieder einmal das Schicksal ihrer (fiktiven) Protagonisten mit dem Schicksal des Herrscherhauses Englands und zeugt die Probleme bei der Finanzierung eines Krieges auf. Gleichzeitig macht sie einen erstauntem Publikum klar, daß selbst im feudalistischen System in den Städten demokratische Nischen waren, wie in Kaufmannsgilden.

 

Mit Der König der purpurnen Stadt zeigt Rebecca das London des Mittelalters, wirft ein Schlaglicht auf teure Bündnissysteme und wie der mittelalterliche Kapitalmarkt funktioniert. Diese andere Perspektive ist richtig erfrischend. Dazu das geschäftliche Auf und Ab Jonah Durhams und die Risiken, denen ein Kaufmann sich aussetzt, wenn es keine Versicherungen gibt und der Willkür eines Feudalsystems ausgeliefert ist. Ein wahrlich gelungener Roman, der die auch die sich langsam auflösenden Standesunterschiede im ausgehenden Mittealter aufzeigt. Der wachsende Einfluß des reichen Bürgertums (Kaufherren) in Zusammenhang mit der auf Landbesitz und Geburtsrechten basierenden Macht des Adels. Dabei ist der (historische) William de la Pole ein wunderbares Beispiel, welche Macht Reichtum verleihen kann.

 

Das zweite Königreich (2000) ist mein persönlicher Lieblingsroman von Rebecca Gablé. Diesmal erzählt die Autorin uns die Geschichte der letzten erfolgreichen Invasion Englands. Dabei verwebt sie die Geschichte William the Conquerors oder Bastards (je nach Sichtweise) mit der ihres (fiktiven) Helden Cædmon of Helmsbys, Sohn eines Angelsachsen (Engländers) Vaters und einer Normannin.

 

Cædmon wird von Dänen, die sporadisch England überfallen angeschossen und sein Bein ist gefühllos. Sein Vater stellt ihn als Übersetzer in die Harold Godwinsons und begleitet ihn die Normandie, wo er als Geisel zurückgelassen wird. Sein einziger Trost ist der Wulfnoth Godwinson, Bruder Harolds und ebenso Geisel an Williams Hof. Und seine Nemesis ist Jehan, der militärische Ausbilder junger normannischer Adeliger. Aber seine Roßkur läßt Cædmon seine Lähmung fast überwinden.

 

Als 1066 Harold Godwinson als der zweite seines Namens den englischen Thron als Nachfolger Edwards besteigt, obwohl Edward William dort sehen wollte und Godwinson versprochen hatte, den Anspruch zu stützen, kehrt Cædmon dann mit Invasionstruppen nach England zurück, aber nur als Bebachter und später tritt er halb gezwungen als Ohr, Auge, Berater und Mahner in die Dienste Williams und begleitet den König bei der Eroberung und der Konsolidierung seiner Macht in England.

 

Dabei entfernt sich Rebecca Gablé weitestgehend von Hollywood'scher Robin Hood-Romantik, sondern beschreibt vielmehr wie Eroberer und Eroberte sich verstehen lernen und wie Angelsachsen und Normannen zusammenwachsen. Wie die einen – teilweise widerwillig – von den anderen lernen und umgekehrt.

 

William wird weder zum weisen König noch zur blutgierigen Bestie stilisiert, sondern die Autorin schildert ihn in all seiner Grausamkeit und Willkür, ohne seine Leistungen außer acht zu lassen. Mit den Augen Cædmons kann der Leser ein Blick auf diesen König erhaschen, ohne daß sich die Autorin anmaßt sein Handeln völlig zu verstehen. Durch ihre Hauptfigur liefert Rebecca Gablé zwar Erklärungsansätze für die Taten Williams und seine Grausamkeiten, aber ohne ihn mit der Genfer Konvention in der einen und den Menschenrechten in der anderen Hand zu verdammen.

 

Ein großartiger historischer Roman, der mich immer wieder begeistern kann, weil er eben versucht nicht nur die Schlachten bei Stamford Bridge und Hastings zu thematisieren, sondern auch die Konsolidierung der Eroberung, ohne Partei für Angelsachsen oder Normannen zu ergreifen. Cædmon, der Protagonist der Autorin ist dabei eine Figur, die ständig hin und her gerissen wird und die verdeutlicht, daß das veraltete System Englands ohnehin dem Untergang geweiht war und die normannische Eroberung den Weg in die Zukunft wies, aber ohne diese dann dabei in einen Glorienschein zu hüllen.

 

Leider ist eine Fortsetzung von Das zweite Königreich immer noch nicht in Sicht, obwohl Rebecca Gablé sagt:

 
 

"Es wird mir kaum etwas anderes übrig bleiben, weil ich das im Nachwort ja so gut wie versprochen habe, woran meine Leserinnen und Leser mich regelmäßig erinnern.
Das Problem ist, Henry I. war ein relativ guter König, der seinem Reich eine einigermaßen friedliche Zeit bescherte. Gute Könige und friedliche Zeiten sind miserable Romanstoffe. Ich erwäge , eine Generation zu überspringen und zu erzählen, was passierte, nachdem das Weiße Schiff auf dem Ärmelkanal mit Mann und Maus unterging (Die Leser von Folletts Säulen der Erde werden sich erinnern, dass Henrys einziger legitimer Sohn dabei ertrank und ein fürchterlicher Erbfolgekrieg, die "Anarchy", entbrannte). Vielleicht werde ich darüber schreiben. Aber es wird noch ein paar Jährchen dauern."
(5)

 

Eine Frage drängt sich auf. Wird Rebecca Gablé die komplette Ära der Plantagenets erzählen, die da von William, dem Eroberer bis hin zu Elisabeth I. reicht? Zu Wünschen wäre es. Wie aber auch gleich ihre Einlassung zeigen wird, gibt es da schon sehr ausgereizte Momente. Dazu gehört Heinrich II und seine Frau Eleanore (Ellinor, Elinor) von Aquitanien (die Eltern von Richard Löwenherz und Prinz John), denen schon sehr viele Romane, Bühnenstücke und Filme gewidmet wurde (Ich erinnere nur an "The Lion in Winter" (dt. Der Löwe im Winter) mit einem großartigen Peter O'Toole, einer hervorragenden Katherine Hepburn und Sir Anthony Hopkins, Timothy Dalton und anderen in den Hauptrollen. Richard Löwenherz und Prinz John wurden auch schon diverse Male thematisiert, gleichzeitig aber auch verfälscht oder romantisiert. Daher würde mich brennend interessieren, wie Rebecca Gablé diese Themen verarbeitet. Oder es gab eben Phasen wie bei Heinrich I., die nicht den Stoff hergeben, um wirklich tausendseitige Romane zu tragen. Man wird es einfach abwarten müssen. Rebecca Gablé beantwortete die Frage so:

 

"Nein. Es wäre gut möglich, dass ich mich in absehbarer Zeit dem 12. Jahrhundert zuwende, aber über Henry II. und Eleanore von Aquitanien etwa ist schon mehr als genug geschrieben worden." (6)

 

Doch diese Äußerung wird mittlerweile relativiert. Im Interview mit dem Zauberspiegel am 12. Oktober 2007 auf der Frankfurter Buchmesse, klang das schon anders. Da sagte Rebecca Gablé auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne mit Heinrich II, Eleonore und ihren Söhnen Richard (Löwenherz) und John (ohne Land) auseinanderzusetzen:

 

"Ja theoretisch auf jeden Fall. Das würde mir auch Spaß machen. Also, ich habe jetzt gerade ein Sachbuch über das englische Mittelalter abgeschlossen. Da bin ich natürlich vielen Herrscherfiguren begegnet bin, wo ich gemerkt habe wie es mir in den Fingern kribbelt, einen Roman zu schreiben." (7)

 

Und zum Thema Richard Löwenherz, der vermutlich homosexuell war, fügt sie an:

 

"Auch das (Richards Homosexualität, Anmerkung hva) würde es für mich ganz besonders reizvoll machen über ihn mal einen Roman zu schreiben. Er war der absolute Kriegerkönig. Er hat ganz schreckliche Dinge getan, darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten. Er war schon ein Raubein. Aber Richard Löwenherz war schon ein großer Held, ein großer Ritter. Also man könnte da schon mit diesen schrecklichen, hartnäckigen Tuntenklischees aufräumen. Das würde mir Spaß machen." (8)

 

Was auffällig ist: Es gibt zwar starke Frauen in den Romanen von Rebecca Gablé, die durchaus glaubwürdig geschildert sind und sich als tragfähig erweisen. Aber die Helden sind immer Männer (Robin und John und Julian of Waringham in Das Lächeln der Fortuna, Der Hüter der Rose und Das Spiel der Könige, Jonah Durham Der König der purpurnen Stadt und Cædmon of Helmsby in Das zweite Königreich). Iny Lorentz und Tanja Kinkel setzen da eher mal mehr auf die weibliche Hauptrolle. Wobei man festhalten muß, daß Rebecca Gablé ihre männlichen Charaktere durchaus glaubwürdig gelingen, während Männer oft mit Frauen in ihren Romanen Probleme haben. Warum die Autorin sich überwiegend männlicher Hauptpersonen bedient, erklärt Rebecca Gablé folgendermaßen:

 

"Das Mittelalter - wie überhaupt die Vergangenheit - wurde von Männern beherrscht, darum ist es in vieler Hinsicht leichter und glaubhafter, einen Mann zum Protagonisten einer Geschichte zu machen, in der eine politische, von Aktion und Reaktion bestimmte Handlung erzählt wird. Es geht natürlich auch anders, wie etwa Donna Cross mit der Päpstin bewiesen hat. Tatsache ist: Ich schreibe lieber über Männer. Ich tue es auch in meinen Krimis - ohne die historische Ausrede."(9)

 

Bliebe noch zu klären, vielleicht in dem angepeilten Interview, weshalb die Autorin lieber über Männer schreibt. Doch sie kann es. Aber zumindest die "historische Ausrede" ist plausibel.

 

Warum England? Warum nicht unsere deutschen Herrscher im Mittelalter. Es gäbe genug. Barbarossa und sein Widersacher Heinrich der Löwe. Heinrich IV, der nach Canossa ging, Otto, der Große. Da ließen sich durchaus interessante historische Romane gestalten. Allerdings weiß ich nicht, ob und wie diese Romane beim Leser ankommen würden. Immerhin würde der Name Rebecca Gablé, der ja mittlerweile ein eingeführtes Markenzeichen ist, dafür sorgen, daß der eine oder andere einen Blick riskieren würde Doch für Rebecca Gablé hat andere Gründe sich Englands Mittelalter zuzuwenden:

 

"Die mittelalterliche Literatur und Sprachen Englands waren mein Studienhauptfach. Zwangsläufig habe ich dadurch auch vieles über die mittelalterliche Geschichte dieses Landes erfahren, denn wie will man die Literatur einer vergangenen Epoche verstehen, wenn man nicht weiß, was der politische oder sozio-kulturelle Hintergrund dieser Literatur ist? Ich schreibe über Englands Vergangenheit, weil ich glaube, dass man über das schreiben soll, was man am besten kennt. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht vielleicht irgendwann noch einer anderen Epoche oder einem anderen Land zuwenden werde. Wenn ich glaube, dass ich genug darüber weiß." (10)

 

Das Studium und die anschließende Lehrtätigkeit liefern Rebecca Gablé eine gute Grundlage für die Arbeit an ihren historischen Romanen. Dennoch recherchiert sie insbesondere in der Universitätsbibliothek von Düsseldorf, auf Reisen und letztlich auch im Internet. Bereitwillig räumt die Autorin ein, daß gerade das Reisen, den angenehmsten Teil der Recherche ausmachen. Das möchte ich gern glauben. Leider steht einem Fantasyautor dieser Weg nicht offen. Es sei denn, er siedelt seine Geschichten in der realen Welt, möglicherweise im realen Mittelalter an, was durchaus eine Möglichkeit wäre, wenn man das denn verkaufen könnte. Aber das ist das Thema eines anderen Artikels in einem anderen Zauberspiegel.

 

Aber, um fürs erste die Ausführungen über diese Autorin zum Abschluß zu bringen (das Interview, etwas über Fantasy und historische Romane und ein Bericht über ihre Krimis sollen folgen), möchte ich Rebecca Gablé noch einmal zitieren. Dabei geht es um die Arbeit an einem Buch.

 

"Vermutlich kann man sagen: Die Recherche ist zeitaufwändiger, das Schreiben die härtere Arbeit."(11)

 
 

Quellen:

 
 
 
 
 
  • Die Romane
  • Die Homepage der Autorin
  • Gespräch auf der Buchmesse 2005 (21.10.2005), Interview auf der Buchmesse 2007
  • e-Mail Verkehr mit Rebecca Gablé
 
 
 
 

Zitate
1-3, 5 9-11 von der Homepage der Autorin
4 aus dem Nachwort zu „Das Spiel der Könige“, Ehrenwirth Verlag
6 aus dem e-Mail Verkehr zwischen Verfasser und Autorin
7,8, Interview vom12.10 2007 mit Zauberspiegel-online.de

 

 

Organisationen:

 

                      Quo Vadis ...

 

                      ... ist der Name des Autorenkreises deutschsprachiger historischer Romane. Die erst 2001 gegründete Vereinigung zählt bereits über 50 Mitglieder, und ihr Name lehnt sich nicht nur an den großen Klassiker des historischen Romans von Henryk Sienkiewicz an, sondern er ist auch Programm: Auf ihren jährlichen Treffen (jeweils in einer anderen, geschichtsträchtigen Stadt) finden die Autorinnen und Autoren Gelegenheit zu diskutieren, wohin der historische Roman generell und wohin jeder Autor individuell sich entwickelt.

 

                      Weitere Informationen unter www.akqv.org

 

                      Das Syndikat ...

 

                      ... Das SYNDIKAT, auch "ehrenwerte Gesellschaft" genannt, ist ein Verband von über 300 AutorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Kriminalromane, -geschichten, -hörspiele oder -drehbücher verfassen. Sinn dieser Organisation ist die Förderung deutschsprachiger Kriminalliteratur.

 

                      Was wir zu diesem Zweck tun, wie man Mitglied werden kann und viele weitere interessante Informationen erfahren Sie unter

 

                      www.das-syndikat.com


 

 

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