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... Bernward Schneider über Todeseis, Spittelmarkt und Flammenteufel

Berndward Schneider… Bernward Schneider …
… über Todeseis, Spittelmarkt und Flammenteufel …

Durch eine Mail von Bernward Schneider wurde ich auf dessen intereressanten Romen "TODESEIS" aufmerksam. Ein Grund mehr, sich auch einen Überblick über die weiteren Werke des Autors zu machen.

Aus dieser Neugierde heraus entstand nachfolgendes Interview, das ich den Lesern des Zauberspiegels und den Krimi-Fans nicht vorenthalten möchte.

Zauberspiegel: Herr Schneider,  können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas über Ihre Person verraten? Wann und wo wurden Sie geboren, was machen Sie beruflich etc.?
Bernward Schneider: Ich bin 1956 in der Nähe von Hildesheim geboren und im Hauptberuf Rechtsanwalt

Zauberspiegel: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Bernward Schneider: Eines Tages hatte ich den Gedanken, dass es wohl ein paar Geschichten gibt, die ich zum Literaturgeschehen beisteuern könnte, und so fing ich mit dem Schreiben an. Das war Anfang der neunziger Jahre.

Zauberspiegel: Hatten Sie Vorbilder aus Ihrer Kinder- oder Jugendzeit, an denen Sie sich beim Schreiben orientieren?
Bernward Schneider: Nicht bewusst, aber wenn ich doch den Namen eines Schriftstellers nennen sollte, der mich wahrscheinlich beeinflusst hat, und der in meiner Jugend viel bedeutete, dann – Karl May. Er bedeutet mir auch heute noch viel, deshalb bin ich auch Mitglied in der Karl-May-Gesellschaft.

Zauberspiegel: 2010 gaben Sie mit „SPITTELMARKT“ Ihr Debüt als Kriminal-Schriftsteller im Gmeiner Verlag. Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Roman?
Bernward Schneider: Die Weimarer Republik und Zeit des Nationalsozialismus haben mich von jeher stark interessiert, und besonders die Ereignisse, die am 30. Januar 1933 zu Hitlers Machtergreifung führten, haben mich immer wieder beschäftigt. Die Idee zu „Spittelmarkt“ war dann eines Tages einfach da, und ich schrieb sie auf 5 oder 6 Papierblättern handschriftlich nieder. Alles Wesentliche des späteren Romans war in diesem Entwurf bereits vorhanden.

Zauberspiegel: Können Sie den Lesern kurz etwas zum Inhalt des Romans verraten?
Bernward Schneider: Der Anwalt Eugen Goltz reist im Auftrag des Bankiers Philipp Arnheim nach New York, um die Scheidung von dessen amerikanischer Ehefrau Florence zu regeln. Goltz reist mit der ›Bremen‹ und macht auf dem Schiff die Bekanntschaft der ebenso schönen wie undurchsichtigen Artistin Irene Varo. In New York erfährt von einem mysteriösen „Pharao“, dem Oberhaupt einer okkulten Geheimgesellschaft in Berlin, die mit der nationalsozialistischen Bewegung in Verbindung zu stehen scheint. Kurz darauf kommt Florence Arnheim auf rätselhafte Weise ums Leben. Als Irene spurlos verschwindet, kehrt Goltz nach Berlin zurück. Er muss herausfinden, dass er selbst im Visier des Geheimbundes steht. Angewidert und fasziniert zugleich nähert er sich der Geheimgesellschaft der „Brüder und Schwestern vom Licht“ und macht eine furchtbare Entdeckung … Das ist der Klappentext, mehr möchte ich nicht verraten.

Zauberspiegel: 2011 folgte mit „FLAMENTEUFEL“ ihr zweiter Kriminalroman, in dem der Berliner Anwalt Eugen Goltz ein weiteres Mal die Hauptrolle spielt. Worum geht es in diesem Roman?
Bernward Schneider: Der Roman spielt vor dem Hintergrund des Reichstagsbrandprozesses im Herbst 1933, nachdem der Reichtstagsbrand selbst ja schon in „Spittelmarkt“ eine Rolle gespielt hat. Anwalt Eugen Goltz erhält einen Telefonanruf. Eilig sucht er seine Mandantin, die Tänzerin Alice Resow, in einem Hotel in der Lietzenburger Straße auf. Doch als er ihr Zimmer betritt, ist sie bereits tot. Goltz beschleicht sofort das Gefühl, in eine Falle gelockt worden zu sein. Im nächsten Moment stürmt die Gestapo in das Hotel, hat aber zu Goltz’ Überraschung nur Interesse daran, Alice’ Tod wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Das ist auch das Anliegen des Bankiers Arnheim, der Goltz am nächsten Tag in seiner Kanzlei aufsucht. Noch brisanter sind die Informationen, die Goltz von einer Kollegin der Toten erhält. Der Anwalt beschließt, die Hintergründe des mysteriösen Falls aufzuklären. Eine heiße Spur führt ihn zurück in die Nacht des Reichstagsbrands vom 27. Februar 1933. Aber es gibt auch Spuren, die in eine ganz andere Richtung führen.

Zauberspiegel: Wie würden Sie Eugen Goltz Charakter beschreiben? Warum tut er das, was er tut? Ist Goltz ein ‚typischer‘ Ermittler?
Bernward Schneider: Goltz ist ein anwaltlicher Ermittler. Dieser Ermittlertypus steht dem privaten Ermittler und dem Privatdetektiv näher als dem Kommissar. Er unterscheidet sich von dem polizeilichen Ermittler vor allem dadurch, dass er eine größere Nähe zum Täter aufweist. Abgesehen von meiner eigenen beruflichen Nähe zu diesem Ermittlertypus kam ein polizeilicher Ermittler für mich auch deshalb nicht in Frage, weil er dem öffentlichen Interesse zu sehr verhaftet ist. Der anwaltliche Ermittler hat einen großen Vorteil, der ihn vor allen anderen Ermittlertypen auszeichnet: Er unterliegt der anwaltlichen Schweigepflicht und kann dadurch Dinge erfahren und berichten, die einem Kommissar, aber auch einem privaten Ermittler, niemals anvertraut werden würden.

Zauberspiegel: Schlittert er ‚gezielt‘ oder eher ungewollt in seine Kriminalfälle herein?
Bernward Schneider: Er schlittert ungewollt in seine Fälle hinein, merkt aber schnell, dass er sich der Herausforderung nicht entziehen kann, weil sie auch ihn selbst etwas angeht. Er hilft sich also selbst, wenn er sich der Aufgabe stellt. Zumal es sich bei der Unternehmung von Goltz um Fälle handelt, die nicht einzeln dastehen, sondern die durch ein großen Ganzes miteinander verbunden sind, also letztlich ein einziger Fall, der sich über mehrere Jahre erstreckt.

Zauberspiegel: 2012 erschien mit „TODESEIS“ Ihr dritter Roman im Gmeiner Verlag. Können Sie den Lesern des Zauberspiegels kurz etwas zum Inhalt des Romans verraten?
Bernward Schneider: Hauptperson des Krimis ist Gladys, die Geliebte eines Londoner Unterweltkönigs. Dieser Mann wird umgebracht. Gladys ist Zeugin des Mordes und muss außer Landes fliehen. Das nächste Schiff, dass sie nach Amerika bringen kann, ist die Titanic, und so kommt es, dass Gladys an Bord ist, als die Titanic am Morgen des 10. April 1912 von Southampton aus in See sticht.

Zauberspiegel: Warum ein Kriminalroman ‚über‘ den Untergang der Titanic?
Bernward Schneider: Die Idee zu einem Titanic-Krimi hatte mein Verlag, und das hatte natürlich mit dem 100. Jahrestag der Katastrophe zu tun, aber die Idee stieß bei mir sogleich auf eine große Resonanz. Ich konnte mit dem Thema etwas anfangen.

Zauberspiegel: Was fasziniert Sie persönlich an dieser Thematik?
Bernward Schneider: Der Untergang der Titanic bedeutete für 1507 Menschen einen schrecklichen Tod im eisigen Atlantik, und das Motto »Frauen und Kinder zuerst«, das an den Rettungsbooten ausgegeben wurde, verstellt den Blick darauf, dass keineswegs alle Frauen und Kindern gerettet wurden. Auf der Titanic waren nicht nur Millionäre der ersten Klasse unterwegs, die sich bei ihrem Pokerspiel vom Untergang des Schiffes nicht stören ließen, sondern die Mehrzahl der Passagiere reiste in der dritten Klasse, es waren sehr arme Menschen, die nach Amerika auswanderten. Unter den Menschen, die mit der Titanic untergingen, waren ganze Familien, von denen niemand überlebte, darunter auch allein reisende Frauen mit mehreren kleinen Kindern.
Die Tragödie der Titanic ist ein Beispiel dafür, wie Sicherheit und Vernunft sich den Zwängen der Ökonomie beugen müssen. Daran hat sich ja nichts geändert - im Gegenteil. Der Terror des Geldes wird immer schlimmer. Die Geschichte der Titanic ist daher keine Vergangenheit, sondern ein Mythos, der von Jahr zu Jahr aktueller wird. Die Titanic rast mit zunehmender Geschwindigkeit auf den Eisberg zu, genauso wie – vielleicht – die ganze Menschheit auf das kollektive Verderben. Nirgendwo ist ein Kapitän zu sehen, der besonnener handeln würde als Kapitän Smith.

Zauberspiegel: Die Protagonistin Gladys muss in „Todeseis“ mit ansehen, wie ihr Freund Phil Ryland vor ihren Augen ermordet wird, und muss dabei selbst befürchten, dass sie umgebracht wird. Wie würden sie Gladys Charakter beschreiben? Was für ein Typ Mensch ist sie?
Bernward Schneider: Eine starke und selbstbewusste Frau. Außerdem ist sie unkonventionell, was sich auch durch ihre Herkunft aus dem Milieu des Londoner Ostens erklärt. Ihre Schönheit ist ihr Lebensunterhalt. Sie ist der Typus „Edelprostitiuierte mit gefährlichen Freunden“, eine Fleisch gewordene Männerphantasie, die aber aufgrund ihrer starken Persönlichkeit auch bei Frauen gut ankommt.

Zauberspiegel: Nach der Ermordung ihres Freundes gerät sie in die Fänge von Frank Jago, der für Phils Tod verantwortlich ist. Wer ist dieser Frank Jago? Ein Londoner Unterweltboss?
Bernward Schneider: Ja, ein Konkurrent ihres Freundes Phil.

Zauberspiegel: Gladys flieht auf die Titanic. Als sie merkt, dass die Koffer in ihrer Kabine durchwühlt wurden, weiß sie, dass sie verfolgt wird. Wie haben die Verbrecher Gladys gefunden?
Bernward Schneider: Gladys` ermordeter Freund wollte mit John Jacob Astor ins Geschäft kommen und hat sich zu diesem Zweck mit Astor auf der Titanic verabredet. Astor brauchte seinerseits Unterstützung von Londoner Freunden, um sich im New Yorker Vergnügungsgeschäft zu behaupten. Durch Astor erfuhr ein Konkurrent von dem Treffen, der enge Verbindungen zu Phils bestem Londoner Partner unterhielt. Nachdem Phil ausgeschaltet worden war, trat dieser an dessen Stelle, um selbst mit Astor ins lukrative Geschäft zu kommen, und er erfuhr so auch von Gladys, und welche Rolle sie spielte. Sie wird zu einer Gefahr für die Bande und soll sterben.

Zauberspiegel: Im Verlauf der Handlung wird Gladys von einem Maskierten angegriffen und mit einer Krawatte fast erwürgt. Doch ihr kommt Roger Carran zu Hilfe. Ist Carran eine Art Detektiv?
Bernward Schneider: Ein ehemaliger britischer Offizier und nunmehriger Versicherungsdetektiv.

Zauberspiegel: Warum befindet sich Carran an Bord der Titanic und welchen Auftrag hat er?
Bernward Schneider: Er reist im Auftrag der Lloyds Versicherung in London, bei der die Titanic gegen Schäden versichert ist, und soll acht geben, dass es auf der Jungfernreise, die zu einem ungünstigen Zeitpunkt und unter ungünstigen Bedingungen stattfindet, nicht zu Fahrlässigkeiten seitens der Schiffsführung kommt.

Zauberspiegel: Die Verbrecher, insbesondere der Maskierte, sind ja ziemlich kranke Typen. Warum tun sie das, was sie tun, und das mit einer solchen krankhaften und brutalen Leidenschaft?
Bernward Schneider: Was alle bösartigen Verbrecher eint, ist die Ansicht, dass der Zweck die Mittel heiligt und jeder sich selbst der Nächste ist. Das Leben ist ein Kampf (oder auch eine Art Krieg), in dem es zwangsläufig Sieger und Verlierer gibt. Daher ist alles erlaubt, was zielführend ist. Verzichtet man darauf, unerlaubte Mittel zu benutzen, ist man selbst der Verlierer. Noch schlimmer als dieser Typus sind diejenigen, die glauben, dass die Welt menschliche Opfer braucht. Natürlich nicht sie selbst, sondern andere. Zu dieser Sorte gehört auch der Hauptverbrecher.

Zauberspiegel: Im Roman spielt der Kabinensteward Nevil Boyes eine sehr fragwürdige Rolle. Er verrät Gladys an die Verbrecher. Ist Nevil der Typ Mensch, der auch seine eigene Mutter für ein paar Cent verkaufen würde?
Bernward Schneider: Für ein paar Cent sicher nicht, und vielleicht auch nicht die eigene Mutter, aber die meisten Menschen ganz sicher schon, sofern der Preis stimmt.

Zauberspiegel: Was für eine Rolle spielt der deutsche Reporter Raubold in dem Roman?
Bernward Schneider: Raubold ist ein Berichterstatter, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Er erlebt nicht nur den Untergang der Titanic, sondern er hat auch Gladys kennengelernt, sodass er von ihrem Schicksal berichten kann. Durch Raubold hat – in einem übertragenen Sinne natürlich – auch der Autor von Gladys erfahren, sodass er ihre Geschichte erzählen kann, und nur die paar Details, die auch Raubold nicht kannte, entstammen der Phantasie des Autors.

Zauberspiegel: War es von Anfang an geplant den Roman „Todeseis“ nicht unbedingt mit einem Happy-End enden zu lassen oder entwickelte sich dieses Ende erst im Verlauf des Schreibens des Romanes?
Bernward Schneider: Das Ende wäre wahrscheinlich anders ausgefallen, wenn die Geschichte nicht auf der Titanic gespielt hätte. Ich habe mit dem Gedanken an ein anderes Ende gespielt, aber schließlich schien mir nur das Ende, wie es sich dann herausgebildet hat, als stimmig.

Zauberspiegel: Nach welchen Kriterien suchen Sie grundsätzlich die Themen für Ihre Kriminalromane aus? Spielen dabei auch bestimmte Vorlieben eine Rolle?
Bernward Schneider: Es gibt keine bestimmten Vorlieben. Wenn mich eine Geschichte fasziniert, ist es egal, ob sie in der Vergangenheit oder der Gegenwart (oder vielleicht auch einmal in der Zukunft) spielt.

Zauberspiegel: Sind bereits weitere Buchprojekte für die nahe Zukunft geplant? Können Sie uns darüber schon etwas verraten?
Bernward Schneider: Im Frühjahr 2013 wird der 3. Krimi um den Berliner Anwalt Goltz erscheinen, und wahrscheinlich gibt es irgendwann einen 4. Goltz-Krimi. Außerdem spukt mir die Idee zu einem in meiner Heimatstadt Hildesheim spielenden Kriminalroman im Kopf herum. Mal sehn!

Zauberspiegel: Herr Schneider, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Kommentare  

#1 Marlene Wieland 2012-05-16 08:30
Nachdem ich die beiden Bücher "Spittelmarkt" und "Flammenteufel"
bereits gelesen habe, bin ich durch das gelesene Interview sehr gespannt auf das neue Buch. Mein Freund liest es gerade - und ich muss warten....
#2 Valerius 2012-05-16 14:13
Solltest Du die Spannung auf "Todeseis" verkürzen wollen, kannst Du gerne die Rezension dazu unter dem Link

www.zauberspiegel-online.de/index.php/-krimi-und-thriller-unter-der-lupe-341/9800-todeseis

lesen.

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