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... Jan Wielpütz über »Apocalypsis«, digitale Inhalte und ›learning by doing‹

Jan Wielpütz (Foto Olivier Favre) ... Jan Wielpütz ...
... über »Apocalypsis«, digitale Inhalte und ›learning by doing‹

Jan Wielpütz ist Chef des ›digitalen Lektorats‹ bei Bastei Lübbe. Unter seiner Ägide  entstand »Apocalypsis«. Das als digitale Trilogie in je zwölf Folgen angelegte Projekt hat Maßstäbe gesetzt. Die erste Staffel ist just als Taschenbuch erschienen.

Das war die Gelegenheit, Jan Wielpütz einmal ein paar Fragen zu stellen ...

 

Zauberspiegel: Bisher hat man von Bastei Entertainment als Außenstehender nur »Apocalypsis« gesehen. Das war ja bereits beeindruckend. Aber bislang war es eher ein Unikat – sonst gab es nichts aus dem neuen Zweig von Bastei Lübbe. Daher die Frage: Was und wer ist »Bastei Entertainment«, und was soll daraus werden?
Jan Wielpütz: Wir setzen uns bei Bastei Entertainment bereits seit zwei Jahren mit crossmedialer Vermarktung und E-Publishing auseinander. Wir entwickeln Inhalte und Produktformen, die über den reinen Text hinausgehen und speziell auf digitale Endgeräte zugeschnitten sind – also Tablets, E-Reader und Smartphones. Dabei können wie bei „Apocalypsis“ verschiedene Medienformen verschmelzen, etwa Spiele, Film, Illustrationen und Audio. Wir streben dabei eine 360-Grad-Verwertung an, bei der wir die Möglichkeit haben, alle Verwertungsstufen und Vertriebswege auszuschöpfen, die sich uns bieten – vom E-Book bis hin zum Film, Computerspiel und Buch. Neben „Apocalypsis“ haben wir bereits zahlreiche Enhanced E-Books, und Apps herausgebracht.

Zauberspiegel: Die Feuertaufe von Bastei Entertainment ist mit »Apocalypsis« erfolgt. Die erste Staffel des Serienromans ist abgeschlossen, das Buch zu Apocalypsis 1 ist gerade erschienen. Die zweite Staffel der Web-Novel ist ebenso aufwendig produziert und läuft derzeit, eine dritte Staffel ist geplant. War die Feuertaufe denn erfolgreich, oder hat man sich die Finger verbrannt, um im Bild zu bleiben?
Jan Wielpütz: „Apocalypsis“ begeistert als E-Book-Serie mit jeder Folge viele Tausend Leser, und das Taschenbuch ist gleich in der ersten Verkaufswoche auf die Spiegel-Bestsellerliste gesprungen. Insofern ist das Projekt also ein absoluter Erfolg. Man muss aber realistisch bleiben und darf gerade von den digitalen Publikationen noch nicht zu viel erwarten. Derzeit steckt der deutsche E-Book-Markt noch in den Kinderschuhen. Doch wir rechnen in den nächsten Jahren mit einem kräftigen Wachstum. Man sieht das am Beispiel der USA: Dort wird bereits ein erheblicher Teil des Umsatzes mit E-Books gemacht wird.

Zauberspiegel: „Apocalypsis“ als Web-Novel behauptet ja von sich, etwas ganz Neues zu sein. Können Sie schon ein Fazit zu den gewonnenen Erfahrungen ziehen?
Jan Wielpütz: Wir erschaffen bei Bastei Entertainment Inhalte, die sich speziell an die digitale Zielgruppe richten. Das bedeutet, dass wir es mit einem komplett anderen Nutzerverhalten als beim klassischen Buchleser zu tun haben. Wir stehen auch in einem anderen Konkurrenzumfeld: Auf einem Tablet oder einem Smartphone konkurrieren Texte mit einer Vielzahl anderer Angebote wie Spiele, Filme oder Musik. Der Markt entwickelt sich sehr schnell, daher wäre es vorschnell, schon ein abschließendes Fazit zu ziehen - außer der Feststellung, dass wir ständig Neues dazu lernen müssen und nicht stehen bleiben dürfen.

Zauberspiegel: »Apocalypsis« kommt mir vor wie der ›Rolls Royce unter den Web-Novels‹. Musik, Film, grafische Gimmicks … Ansprechend, unterhaltsam aufwendig. Wird es mit dieser Luxusausführung bei anderen Serien weitergehen? Wenn ja, in welcher Frequenz darf der Leser damit rechnen (oder sollte man User sagen? Denn allein lesen tut man da ja schon gar nicht mehr)?
Jan Wielpütz: Bislang waren E-Books die virtuelle Simulation herkömmlicher Bücher. „Apocalypsis“ bieten wir in verschiedenen Produktvarianten an, die die Möglichkeiten der digitalen Endgeräte voll ausschöpfen. „Apocalypsis“ schafft so ein völlig neues Leseerlebnis. Als App verbindet sie zum Beispiel multimediale Inhalte wie Film, Game und Animation mit klassischem Text. Und in der read&listen-Fassung für den iBook-Store ist die komplette Audiospur integriert, so dass man als Leser jederzeit zwischen Lesen und Vorlesen lassen wechseln kann. Es ist für uns die Chance, Geschichten auf eine neue Art zu erzählen und so auch hoffentlich neue Zielgruppen für das Lesen zu begeistern. Das werden wir auch bei anderen Serien machen. 

Zauberspiegel: Der Heftroman ist die Wurzel des Bastei Verlages. Stefan Lübbe sprach 2010 im Interview mit dem Handelsblatt von »Urheberrechts-Goldstaub«. Aber dieser Goldstaub hat ne gewaltige Patina in Inhalt und Form angesammelt und ist in Inhalt und Form eher der Adenauer-Ära verpflichtet denn dem neuen Jahrtausend. Wie muss also nach der Ansicht von Bastei Entertainment, eine moderne Romanserie für den Leser von heute und morgen aussehen?
Jan Wielpütz: Seien wir ehrlich: Welcher normale Leser schafft es heute denn noch neben dem Alltagsstress einen Roman in einem Rutsch komplett durchzulesen. Dazu fehlt uns schlicht die Zeit. Unsere E-Book-Serien sind daher das perfekte Format für verknappte Zeitbudgets und verkürzte Aufmerksamkeitsspannen: Mit 50 bis 100 Seiten haben die Folgen einen Umfang, den man auch an einem Abend in der Woche schaffen kann. Stilistisch bewegen wir uns auf dem Niveau moderner Unterhaltungsliteratur und legen damit die Patina ab, die dem Heftroman nachgesagt wird. Wir werden allerdings nicht nur ausschließlich auf Serien setzen, sondern in Zukunft auch weitere neue Formate entwickeln.  

Zauberspiegel: Was kann man aus dem hauseigenen »Urheberrechts-Goldstaub« machen?
Sind Sie vielleicht schon dabei, das Gold zu polieren? Wenn ja, welche der Goldstücke von Bastei-Lübbe könnten denn in neuer Form auferstehen?

Jan Wielpütz: Was die Urheberrechtsfrage betrifft, geht es für uns darum, Autoren zu finden, die unsere E-Book-Konzepte umsetzen wollen. Durch solche Eigenproduktionen wollen wir das Rechteproblem lösen, das im digitalen Segment oft besteht. Es gibt zwar interessante Stoffe für eine digitale Vermarktung, aber oft liegen nur die Print- und vielleicht noch die Hörbuchrechte beim Verlag. Wir wollen aber die gesamte Verwertungskette vom E-Book bis hin zu Film und Computerspiel ausschöpfen – was ja auch ganz im Sinne des Autors ist. Dennoch werden wir im digitalen Lektorat nicht nur Eigenproduktionen entwickeln. Wir wollen unser Know-how auch Autoren zur Verfügung stellen, die nach einem starken Partner für die Umsetzung digitaler Projekte suchen.

Zauberspiegel: Nennt man »Apocalypsis« den Rolls Royce (also die ›Luxusklasse‹), dann geht ja einiges mit einer weniger üppigen Ausstattung. Gibt es da Planungen einer Art ›Golf-Klasse‹ von Serienromanen, sprich eine Art moderner Variante des Heftromans?
Jan Wielpütz: Ja, wir planen in der Tat auch Serien, die ohne Zusatzgimmicks auskommen und nur aus Text bestehen. Wir starten im Mai mit der Mystery-Serie „Survivor“, die ihre Faszination aus einem ungewöhnlichen Genremix und spannenden Charakteren bezieht. Im Laufe des Jahres werden weitere neue Reihen folgen.

Zauberspiegel: Welche Zusatzausstattungen sind für eine solche ›Golf-Klasse‹ von Serienromanen denkbar? Gibt es auch da multimediale Ansätze. Ergänzungen auf der Homepage, zum Beispiel? Welche Elemente erscheinen da passend, um nicht nur einfach digital zu publizieren, sondern auch den multimedialem Ansatz umzusetzen?
Jan Wielpütz: Wir arbeiten gerade an mehreren Projekten, die einen völlig anderen Ansatz verfolgen als „Apocalypsis“ – hier soll nicht das Multimediale im Vordergrund stehen. Wir haben andere Wege gefunden, die Geschichten und Charaktere für unsere Leser noch lebendiger zu machen. Ich fürchte aber, dass ich dazu noch nichts verraten darf …

Zauberspiegel: Stefan Lübbe hat den Gedanken geäußert, dass es nicht mehr reicht, als Verlag nur Bücher zu machen. Wo wird da der Platz von Bastei Entertainment sein? Speerspitze, Versuchslabor oder Trendsetter?
Jan Wielpütz: Die Inhalte, die wir bei Bastei Entertainment produzieren, werden zunächst ausschließlich in digitaler Form erscheinen. Physische Produkte wie Taschenbuch oder Hörbuch können danach eine weitere Verwertungsstufe sein. Unsere Aufgabe ist es also, Inhalte zu entwickeln, die die Möglichkeiten von E-Readern, Tablets oder Smartphones voll ausschöpfen. Wir sind also Versuchslabor, aber auch Speerspitze bei der Gestaltung der Zukunft des Verlages.

Zauberspiegel: Wie unterscheidet sich die Entwicklung digitaler Inhalte von der Entwicklung eines Buches oder einer Buch-/Heftroman- oder Hörspielserie?
Jan Wielpütz: Hier ist die schriftstellerische und redaktionelle Leistung nach wie vor der wesentliche Bestandteil unserer Arbeit, der sich allerdings um viele neue Facetten erweitert hat: Wenn wir einen multimedialen Roman produzieren, arbeiten wir beispielsweise mit App-Entwicklern, Spieledesignern oder Filmemachern zusammen. Das ist ein neuer Prozess, anders als man ihn vom klassischen Buch kennt. Natürlich ist das auch für unsere Autoren eine neue spannende Herausforderung, da sie beim Schreiben überlegen müssen, wie sich die Geschichte multimedial umsetzen lässt.

Zauberspiegel: Konnten Sie und ihr kleines Team dabei auf Erfahrungswerte zurückgreifen? Oder ist das, was sie da tun, ›learning by doing‹ und ›try and error‹? Gab es schon gravierende Fehleinschätzungen, oder auch schon das Gefühl, komplett richtig zu liegen?
Jan Wielpütz: Bastei Lübbe war einer der ersten deutschen Verlage überhaupt, der sich aktiv mit dem Thema E-Book befasst hat. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren natürlich sehr viel Erfahrung sammeln können. Dennoch lernen wir auch heute noch jeden Tag etwas Neues und stellen uns ständig auf neue Entwicklungen ein. Wir betreten ein völlig neues Feld, und da ist es ganz normal, dass man mal einen Fehler macht und das Meiste durch „learning by doing“ herausfindet.

Zauberspiegel: Was sollen wir Ihnen und Bastei Entertainment für das Jahr 2012 wünschen?
Jan Wielpütz: Eine spannende Zeit!.

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