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... Jens Lossau und Jens Schumacher über »Der Elbenschlächter«, Teamarbeit, Krimis und Fantasy

Jens Lossau und Jens Schumacher ... Jens Lossau und Jens Schumacher ...
... über »Der Elbenschlächter«, Teamarbeit, Krimis und Fantasy

Was kommt dabei heraus, wenn man die Genres „Krimi“ und „Fantasy“ miteinander kreuzt und das Ganze mit einer guten Portion Sex, Gewalt und Humor garniert? „Das kann gar nicht funktionieren, und wenn es doch jemand versucht, fällt er bestimmt gnadenlos auf die Nase.“, wird sich der ein oder andere jetzt denken. Dass es durchaus möglich ist, aus dem abgehoben anmutenden Mix einen exzellenten Roman zu fertigen, beweist das Autorenduo Jens Lossau und Jens Schumacher mit dem äußerst unterhaltsamen Fantasy-Thriller »Der Elbenschlächter«

Pünktlich zum Erscheinen des Romans wandte sich der Zauberspiegel an die beiden Autoren, um ihnen zu ihrem Machwerk ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Warum Krimi und Fantasy sich nicht zwangsläufig ausschließen und welche Freude das Erfinden von Namen doch sein kann – lest selbst. Viel Vergnügen mit dem Interview!

Der ElbenschlächterZauberspiegel: Hallo Jens, und hallo Jens. Es freut mich sehr, dass ihr dem Zauberspiegel einige Fragen zu Eurem neusten Roman »Der Elbenschlächter« beantworten wollt. Reden wir auch nicht lange um den heißen Brei herum, sondern kommen gleich zur Sache.
»Der Elbenschlächter« ist ja nicht euer erstes gemeinsam verfasstes Buch. Bislang hat sich Eure Zusammenarbeit allerdings abseits des klassischen Fantasy-Genres erstreckt. Was hat Euch auf die Idee gebracht, Euch auch mal an diesem Genre zu versuchen?

Jens Schumacher: Phantastische Themen waren eigentlich schon immer unser Ding: Unsere ersten beiden gemeinsam publizierten Storybände, »Kanon der Melancholie« und »Entitäten«, enthielten jede Menge Horror- und SF-Geschichten. Reinrassige Fantasy war damals aber noch nicht vertreten, das stimmt. Es folgten einige gemeinsame Krimis, sowie – bei mir – diverse Kinder- und Jugendtitel, darunter dann auch schon mehrere Fantasy-Stoffe …
Jens Lossau: … mit denen du Milliarden gemacht hast! Logisch, dass ich extrem heiß darauf war, auf diesem lukrativen Gebiet auch mal etwas gemeinsam zu machen. [lacht] Nein, im Ernst: Vor etwa einem halben Jahr kam uns während eines längeren Telefonats mehr oder weniger ungeplant die Idee für eine unkonventionelle Fantasyserie. Möglicherweise wurde der Prozess angeschubst durch die mediale Allgegenwart des Themas in den letzten Jahren …
Jens Schumacher:  … oder durch den Umstand, dass es innerhalb der zeitgenössischen Fantasy so wenig gibt, das uns gefällt. Wie dem auch sei, wir fassten unsere Gedanken in Worte, LYX kauften das Konzept, der Rest ist Geschichte.

Zauberspiegel: Bevor wir näher auf das Buch zu sprechen kommen, vielleicht eine allgemeine Frage vorweg: Wie gestaltet sich eure Zusammenarbeit? Anders gefragt: Wenn ihr gemeinsam an einem Roman sitzt und ihn schreibt, wie habe ich mir den Arbeitsprozess dann vorzustellen, und was macht ihr, wenn mal Uneinigkeit bzgl. des Handlungsverlaufs herrscht?
Jens Lossau: Wir kennen uns quasi seit unserer Geburt und arbeiten schon seit Anfang der 90er literarisch zusammen. Das gemeinsame Ausdenken von Geschichten entwickelte sich lange vor dem Entschluss, als Autoren unsere Brötchen zu verdienen. Als Folge sind die Abläufe zwischen uns seit Jahrzehnten sehr eingefahren. Die meisten Bücher – so auch den »Elbenschlächter« – denken wir uns während langer gemeinsamer Spaziergänge aus. Anschließend wird zunächst ein knapper inhaltlichen Abriss erstellt, auf Basis dessen das Projekt verkauft wird, gefolgt von einem weitaus detaillierteren Verlaufsexposé. Und irgendwann setzen wir uns dann hin und schreiben das Buch … spätestens, wenn der Vorschuss verprasst und die nächste Miete fällig ist.
Jens Schumacher: Uneinigkeiten, also unterschiedliche Ansichten zum Handlungsverlauf, werden bereits vor der ersten Verschriftung ausdiskutiert, meist unter Zuhilfenahme des besten aller Problemlöser: Alkohol. Ab dem Zeitpunkt des erwähnten Verlaufsexposés gibt es dann keine Diskussionen mehr: Jeder weiß, was in welchem Kapitel, in welcher Zeile des Buches passiert. Dies wird von vorne nach hinten abgearbeitet, nicht viel anders, als es ein einzelner Autor tut – mit dem Unterschied, dass jeder von uns nur die halbe Arbeit hat! [lacht]

Zauberspiegel: Vergleicht doch mal bitte »Der Elbenschlächter« mit euren »gewöhnlichen« Krimis. Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit an den entsprechenden Romanen? Inwiefern gibt es Gemeinsamkeiten?
Jens Lossau: In all unseren Kollaborationen kommen wir um die Themen Humor, Gewalt und Schrecken nicht herum. Wahrscheinlich ist das einfach unsere gemeinsame Schnittmenge. So sind die Romane um unser Krimi-Ermittlerduo Grosch & Passfeller stilistisch wie auch inhaltlich nicht allzu weit entfernt von Jorge & Hippolit in »Der Elbenschlächter«. Das liegt vor allem daran, dass uns beide eine ganz bestimmte Personenkonstellation besonders reizt: von Grund auf gegensätzliche Figuren aufeinandertreffen und gemeinsam agieren zu lassen. Das bietet Raum für charakterliche Spannungen und nicht zuletzt etwas Klamauk. Neben einer schlüssigen Story legen wir den meisten Wert auf die Charaktere – am liebsten solche, die etwas außerhalb der Norm stehen.
Jens Schumacher: Bei genauerer Betrachtung stelle ich gerade fest, dass es – abgesehen vom Vorhandensein von Magie in den Romanen um das IAIT [das Institut für angewandte investigative Thaumaturgie, eine Art Polizeiorganisation, die kriminelle magische Machenschaften untersucht; Anm. d. Red.] – eigentlich überhaupt keine Unterschiede zwischen unseren Krimis und unserer Fantasy-Thrillern gibt! In beiden Fällen pfeifen wir auf die Konventionen des jeweiligen Genres und machen, worauf wir Lust haben.

Zauberspiegel: Gleiche Frage, aber jetzt ganz spezifisch auf die Krimi-Aspekte des Romans bezogen: Inwiefern machen die Möglichkeiten, die phantastische Einflüsse bieten (allen voran das Vorhandensein von Magie), es leichter bzw. schwerer, einen glaubwürdigen und spannenden Plot zu entwerfen?
Jens Lossau: Es wird letztendlich schwerer, weil ja auch innerhalb eines fiktiven Kosmos immer noch alles schlüssig und durchdacht sein muss. Besondere Beachtung verlangte z.B. die Legitimation eines kriminologischen Instituts in einer von Magie durchsetzten Welt. Oder, um es einfach auszudrücken: Wozu überhaupt Ermittler, wenn jeder einfach die Lösung des Falls herbeizaubern könnte? Das ist zuweilen etwas knifflig, vor allem Schumacher verbringt damit schlaflose Nächte: Einmal rief er mich morgens um vier Uhr an, um über die exakte Wirkungsweise eines ganz bestimmten Zaubers zu diskutieren. Der Mann ist fraglos krank, aber einem Buch tut so was gut.
Jens Schumacher: Im Gegensatz zu dir mache ich mir halt Gedanken über so irrelevante Dinge wie Logik und Konsistenz! Mich haben doofe Denkfehler schon als Kind gestört. Ich meine, mal unter uns: Wieso sitzt die beste Freundin von Bibi Blocksberg immer noch im Rollstuhl, wo die Alte doch zaubern kann? Kann mir das mal einer erklären?
Jens Lossau: Die sitzt im Rollstuhl? Echt?

Zauberspiegel: Fantasy und Krimi. Zwei Genres, die man üblicherweise ja nicht miteinander in Verbindung bringt. Was hat Euch zu gerade diesem Genre-Mix bewogen, und woran habt ihr Euch beim Schreiben orientiert?
Jens Schumacher: Oh, dass bisher noch niemand diese beiden Genres miteinander verquickt hat, heißt nicht, dass sie potentiell nicht gut zusammenpassen würden! Im Gegenteil, als wir damals vom Horror zum Krimi wechselten, stellten wir fest, dass die grundlegenden Techniken, etwa Spannungsaufbau, Erzählperspektiven oder eben die Nutzung humoristischer Elemente in nahezu allen Sparten der Unterhaltungsliteratur ähnlich funktionieren. Und da wir beide nicht ausschließlich Fans eines einzigen Genres sind, mischen sich in dem, was wir schreiben, logischerweise all unsere unterschiedlichen Einflüsse. In der Literatur ist es doch wie in der Musik: Je mehr verschiedene Stile ein Künstler rezipiert, desto vielschichtiger, respektive: interessanter wird das, was er selbst hervorbringt.
Jens Lossau: Schön gesagt. Dem kann und will ich nichts hinzufügen.

Zauberspiegel: Kommen wir zum Roman selbst. Schauplatz der Handlung ist die Stadt Nophelet, ein gewaltiger Moloch, in dem es mitunter reichlich unmoralisch zur Sache geht. Woran habt ihr euch bei der Erschaffung Eures Schauplatzes orientiert, oder habt ihr hier einfach eurer Kreativität freien Lauf gelassen?
Jens Lossau: Die Frage trete ich an Schumacher ab, er ist der Weltenbau-Nerd von uns beiden.
Jens Schumacher: Nophelet als Sitz der IAIT-Zentrale, also ein Ort, an den wir in den folgenden Romanen noch des Öfteren zurückzukehren gedenken, sollte in möglichst wenigen Belangen anderen Fantasy-Metropolen ähneln. Deshalb u.a. die krakenartige Anlage mit den unzähligen Armen/Stadtvierteln, deshalb die absurde, politisch motivierte Integration der verschiedenen Völker, die nicht minder absurde Regierungsform, etc. Ein aufgeweckter Journalist hat die Stadt kürzlich als Mischung aus Ankh-Morpork und Lankhmar bezeichnet. Eine treffendere Beschreibung hätten wir uns selbst nicht ausdenken können!
Jens Lossau: Wer zum Henker ist Ankh-Morpork?

Zauberspiegel: Eine Sache, die mir beim Lesen sofort ins Auge gesprungen ist, sind die ausgefallenen, mitunter reichlich augenzwinkernd gewählten Namen, die ihr Personen und Orten verpasst habt. Auffälligstes Beispiel ist hier wohl der Name der Hauptstadt selbst, der rückwärts gelesen Telephon ergibt (na, zumindest fast). Ich weiß, dass Autoren insbesondere in phantastischen Genres mitunter reichlich Mühe mit der Namenswahl haben. Euch hingegen scheint das Spiel mit Worten richtig Spaß gemacht zu haben. Erzählt doch mal ein wenig darüber.  
Jens Schumacher: Der Prozess der Namensfindung ist tatsächlich etwas, dass mir sowohl bei Solo-Titeln als auch bei unseren gemeinsamen Romanen um das IAIT verdammt viel Spaß macht. Ich verstehe Kollegen nicht, die das Austüfteln von Namen und deren klanglicher Implikationen nicht schätzen oder sich aus Faulheit auf sichere (und mittlerweile unsäglich ausgelutschte) Bänke wie das Klonen der Tolkien’schen Phonetik zurückzuziehen. Für mich ist das definitiv einer der kreativsten Aspekte beim Schreiben. Und glücklicherweise sind ja nicht alle unsere Wortschöpfungen Anagramme …
Jens Lossau: Ich will dazu nur Folgendes sagen: Irgendwer hat mal behauptet, dass, wenn Lossau & Schumacher zusammen ein Buch schreiben, das so sei, als würden zwei große, hässliche Affen in einem Sandkasten spielen. Eine Weile dachten wir irrsinnigerweise, das wäre etwas Negatives! [lacht]

Zauberspiegel: Keine Schlachten und kein blumiger Sprachstil, der Killer begibt sich nicht auf die Jagd nach den Ermittlern – in »Der Elbenschlächter« schert ihr euch absolut nicht um Konventionen, ganz egal welchen Genres. Ich persönlich war begeistert, doch wenn man bedenkt, wie gut gerade klischeetriefende Filme und Bücher bei der Masse des Publikums ankommen, könnte sich das durchaus als Problem erweisen und bei der Leserschaft für Unmut sorgen. Wie steht ihr dazu? Wo seht ihr Probleme, wo echte Chancen?
Jens Lossau: Nun, ein Klischee kann durchaus nützlich sein, im Fantasy-Genre sind die meisten aber bis zum Erbrechen ausgereizt. Mal ehrlich: Wer will denn heute noch den zehnten Roman über Zwerge lesen? Es gab in den letzten Jahren ein Revival des Fantasy-Genres, ausgelöst durch den Boom um die »Herr der Ringe«-Filme; im Zuge dessen wurde einiges Frisches publiziert, aber leider auch verdammt viel Ödes. Was gibt es Langweiligeres, als eine Schlachtenszene über 100 Seiten, bei der man am Ende nicht mehr weiß, wer wer ist? Wir haben uns schon immer stärker für unsere Figuren als für Politik interessiert. In welchen Genre wir auch unterwegs sind, wir haben keine Lust, auf ausgetretenen Pfaden zu wandeln. Wir wollen unterhalten, das ist das Einzige, was wir können. Und das klappt nicht mit Aufgewärmtem!
Jens Schumacher: Ich habe irgendwem mein künstlerisches Ideal als Autor mal im Zustand der Volltrunkenheit folgendermaßen erklärt: Falls ich irgendwann tatsächlich reich und berühmt werden sollte, dann möchte ich das mit etwas schaffen, das ich selbst geschaffen habe, nicht mit Dingen, die andere vor mir schon genau so gemacht haben.

Zauberspiegel: Ist eine Fortsetzung zu »Der Elbenschlächter« angedacht? Und wenn ja, habt ihr dahingehend vielleicht schon erste Ideen, worum es thematisch gehen könnte/ wird?
Jens Schumacher: Am zweiten Band (Titel: »Der Orksammler«) arbeiten wir zur Zeit, er wird im Herbst erscheinen. Der weitere Verlauf der Serie hängt, wie so oft im Buchmarkt, von der Resonanz des Publikums ab. Im Vertrauen: Gedanklich sind wir schon bei Band sechs! Mal abwarten, wie viele es im Endeffekt werden …

Zauberspiegel: Vielen Dank für eure Zeit und eure Antworten, und viel Erfolg mit eurem Fantasy-Thriller!

Einige Worte zu den Autoren:
Jens Lossau und Jens Schumacher, geboren 1974, veröffentlichen seit Mitte der 90er Jahre zusammen und solo in unterschiedlichen Genres. Lossau legte zuletzt den Thriller »Dunkle Nordsee« vor, Schumacher hat sich als Verfasser zahlreicher Kinder- und Jugendbücher einen Namen gemacht. Als Autorenduo haben Lossau und Schumacher eine Reihe von Krimis und Kurzgeschichtenbänden verfasst. »Der Elbenschlächter« ist ihr erster gemeinsamer Ausflug in die Fantasy.
(Vita © Lyx Verlag, 2010)

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