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... Gesa Schwartz über einen Erstling, »Grim« und Notwendigkeit

Gesa Schwartz ... Gesa Schwartz ...
... über einen Erstling, »Grim« und Notwendigkeit

Noch wird der Name Gesa Schwartz den meisten Phantastik-Fans weitestgehend unbekannt sein. Das dürfte sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans »Grim« allerdings rasch ändern. In ihrem Erstling schildert die deutsche Autorin den Kampf eines Gargoyles und einer jungen Frau gegen einen finsteren Schurken, der mit Hilfe eines uralten, mächtigen Artefakts das Antlitz der Welt dramatisch verändern möchte.

Anlässlich der Veröffentlichung von »Grim« trat der Zauberspiegel mit Frau Schwartz in Kontakt und stellte ihr einige Fragen bezüglich ihres Romans und ihres Faibles für Gargoyles.

Gesa Schwartz sagt über sich:

"Ich bin Schriftstellerin im Genre der Phantastik. Auf meiner  Homepage finden sich ausführlichere Informationen über mich und meine Geschichten."

Zauberspiegel: Hallo Gesa. Schön, dass du Zeit und Lust hast, dem Zauberspiegel einige Fragen zu deinem Roman »Grim« zu beantworten. Dein Erstling »Grim« ist ein Fantasyroman. Was verbindet dich mit dem phantastischen Genre?
Gesa Schwartz: Im Gegensatz zur mimetischen Literatur ist in der Phantastik alles möglich. Das Grenzenlose hat mich schon immer fasziniert.

Zauberspiegel: »Grim« umfasst beinahe 700 Seiten. Eine beachtliche Zahl für einen ersten Roman. Wie lange hast du an der Geschichte gearbeitet? Ist es dir schwer gefallen, so viele Seiten zu füllen, oder musstest du letzten Endes gar kürzen?
Gesa Schwartz: Ich habe etwa ein Jahr an der Geschichte gearbeitet und ich habe sie so erzählt, wie sie erzählt werden musste, daher hatte ich nie eine Seitenzahl im Kopf. Für mein Empfinden sind 700 Seiten auch nicht sonderlich beachtlich, sondern eher normal im Fantasybereich. Darüber hinaus ist »Grim« zwar meine erste Veröffentlichung, aber bei Weitem nicht mein erster Roman. Ich schreibe schon sehr lange Geschichten, die zum Teil um einiges umfangreicher wurden als »Grim«, und eines kann ich sagen: Die Länge ist in keinster Weise ein Hinweis auf die Arbeit, die in eine Geschichte investiert wurde. Generell muss jede Geschichte natürlich immer noch überarbeitet werden, dazu zählen dann auch eventuelle Kürzungen oder stärkere Konzentrationen auf Details in manchen Szenen. Im Großen und Ganzen bleibt die Seitenzahl, die nach der ersten Niederschrift erreicht wurde, bei meinen Geschichten aber meist bestehen.

Zauberspiegel: Damit auch schon zum Roman selbst. Nicht jeder Leser wird die Rezension gelesen haben, die parallel zu diesem Interview erschienen ist. Von daher: Schildere doch mal bitte kurz, worum es in dem Roman geht.
Gesa Schwartz: Die Geschichte handelt von Grim, einem Gargoyle und Schattenflügler. Er wahrt das steinerne Gesetz, das besagt, dass niemals ein Mensch von der Existenz seines Volkes erfahren darf. Doch eines Tages bricht seine alte Mentorin Moira dieses Gesetz, um ein rätselhaftes Pergament zu schützen. Obwohl er damit gegen alle Regeln der steinernen Gesellschaft verstößt, verbündet Grim sich mit dem jungen Mädchen Mia, einer Seherin des Möglichen, um das Geheimnis des Pergaments zu ergründen. Sie ahnen nicht, dass sie einem Rätsel auf der Spur sind, das nicht nur ihr eigenes Leben bedroht, sondern das Schicksal der ganzen Welt ...

Zauberspiegel: Im Mittelpunkt von »Grim« steht die Titel gebende Hauptfigur, die, entgegen allgemeiner Trends, kein Vampir, Werwolf oder Halbdämon ist, sondern ein Gargoyle. Woher kommt dein Interesse gerade an diesen phantastischen Kreaturen?
Gesa Schwartz: Es ist, wie ich in anderen Interviews bereits sagte: Ich habe mich schon früh bemüht, hinter und in der Realität, wie wir sie kennen, das Geheimnisvolle und Wunderbare zu sehen und es häufig gerade in scheinbaren Alltäglichkeiten gefunden. Ich habe mich immer gefragt: Was liegt hinter den Dingen? Gargoyles sind da besonders dankbare Objekte. Man findet sie an unzähligen Kirchen und anderen Gebäuden, sie sind Teil unserer Kultur und unseres Lebens und doch fallen sie den wenigsten Menschen noch auf. Sie sind wie steinerne Schatten, deren Vergangenheit wir vergessen haben, die blass geworden sind, weil der Regen ihnen die kräftigen Farben, die mittelalterliche Exemplare noch trugen, abgewaschen hat und uns ihre einstige Bedeutung nicht mehr bewusst ist. Mitunter ist es sogar schwer, sie in der Fülle der Ornamente an gotischen Kathedralen überhaupt zu erkennen – und doch sind sie da und scheinen aus steinernen Augen die Menschen zu beobachten, die keinen Blick für sie übrig haben. Somit sind Gargoyles in ihrer Schattenhaftigkeit ein Sinnbild für die Existenz des Geheimnisvollen in unserem Alltag, das mich schon immer fasziniert hat. Hinzu kommt noch eine gewisse Düsternis, ein Hauch des Unheimlichen und Bösen oder zumindest Ambivalenten, der in der Geschichte der Gargoyles begründet liegt. Die Funktion der Speier hatte besonders im Mittelalter ja hauptsächlich abwehrenden Charakter, was auch durch das Ausspeien des Wassers verdeutlicht wird: Nicht nur das Speien an sich, auch das fließende Wasser besaß nach mittelalterlichem Glauben die Kraft, das Böse zu vertreiben – zumal dann, wenn es sich um Regen, also „Himmelswasser“ handelte. Zahlreiche Wasserspeier wurden als Apotropaika, Dämonenabwehrer, dargestellt, wie beispielsweise die meist menschlichen Bartweiser-Speier oder Tiere, die bereits im Physiologus als Kämpfer gegen das Böse beschrieben werden. Darüber hinaus zeichnen sich die meisten Wasserspeier jedoch durch eine Dämonisierung aus (so wurden Tieren artfremde Attribute hinzugefügt, ihre Gesten wurden der Natur entfremdet und deuten so auf ein Dämonenwesen hin, oder einst majestätische Geschöpfe wurden ihrer Erhabenheit beraubt und so dem dämonischen Reich zugeordnet, wie beispielsweise der Schlappohrengreif am Kölner Dom), um nach dem Grundsatz similia similibus curantur – Gleiches wird geheilt durch Gleiches – Dämonen durch ihr Spiegelbild zu vertreiben. Aus diesem Grund handelt es sich übrigens bei mittelalterlichen Speiern ausschließlich um Unikate: Durch die zahlreichen Variationen wurde gewährleistet, möglichst viele Dämonen in die Flucht zu schlagen.
Und noch heute personifizieren die Gargoyles für viele Menschen das Böse. An der Washington National Cathedral prangt zum Beispiel ein ganz besonderer Wasserspeier, nämlich der Kopf von Darth Vader. Im Rahmen eines Wasserspeier-Design-Wettbewerbs wurde er mit der Begründung vorgeschlagen, dass Darth Vader in der heutigen Zeit als Verkörperung des Bösen die ideale Besetzung für einen Wasserspeier wäre.
In »Grim« verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse. Es gibt keine Eindeutigkeit und ich habe einige Beschränkungen aufgebrochen, die durch Einordnungen in der Forschung bestehen. Die Gesellschaft der Gargoyles reicht in meiner Geschichte weit über die Wasserspeier hinaus. Zwar gibt es beispielsweise die Sputatores, den vornehmsten Wasserspeierclan von ganz Paris, oder den Clan der Mephisti, deren Mitglieder den dämonischen Gargoyles an Kirchengebäuden am ehesten entsprechen, wobei ich den Grund für die oftmals abschreckend verzerrten Gesichter neu gedeutet und auf andere Füße gestellt habe. Aber der Begriff der Gargoyles beschränkt sich in »Grim« nicht auf Wasserspeier, sondern umfasst steinerne Figuren im Allgemeinen. Denn nicht nur Wasserspeier sind umgeben von einer Aura des Geheimnisvollen und Unnahbaren. Wer jemals den Apollo von Belvedere gesehen, den barberinischen Satyr im Schlaf berührt oder die Hand auf die steinernen Finger des Sterbenden Galliers gelegt hat, der spürt, dass unter der Haut dieser Statuen mehr liegen könnte als Stein. Dieses MEHR ist es ja, das die Phantasie und auch die phantastische Literatur begründet. Und wenn man das einmal gefühlt hat, kann man nicht mehr über einen Friedhof gehen, ohne sich aus steinernen Augen beobachtet zu fühlen, oder unter der Nike von Samothrake stehen, ohne ein leichtes Flügelrauschen zu hören.

Zauberspiegel: »Grim« lässt sich ja durchaus in die Sparte „Urban Fantasy“ einordnen, womit der Roman voll im gegenwärtigen Trend liegt. Doch, wie gesagt, die Hauptperson ist ein Gargoyle, was ziemlich ungewöhnlich ist. Hat diese Tatsache es schwerer (oder auch leichter?) gemacht, das Romankonzept an einen Verlag zu verkaufen?
Gesa Schwartz: Das kann ich nicht beurteilen, da für die Vermittlung von »Grim« meine Agentur zuständig war.

Zauberspiegel: Dein Roman spielt vorwiegend in Paris und Rom. Warum gerade diese beiden Städte?
Gesa Schwartz: Paris und Rom sind sehr besondere Städte für mich und daher war ich froh, dass sich Ghrogonia, die anderweltliche Hauptstadt in »Grim« unterhalb von Paris angesiedelt hat, und die Geschichte auch Rom einen Platz einräumte. Die Wahl der Städte wurde nicht von vornherein von mir getroffen, sondern hat sich – wie alles sonst – aus der Notwendigkeit der Geschichte heraus ergeben. Besonders Paris war da als Geburtsstadt der gotischen Wasserspeier natürlich ein ideales Setting.

Zauberspiegel: Grim ist zu Beginn des Romans für eine Art Polizeiorganisation tätig, die du, meiner Meinung nach zumindest, reichlich augenzwinkernd und mit einer guten Portion Humor in Szene setzt. Beschreibe mir doch mal bitte die so genannte OGP. Was hat dich dazu bewogen, die Organisation so zu gestalten, wie sie nun einmal beschrieben ist?
Gesa Schwartz: Die OGP ist die Oberste Gargoyle Polizei von Paris, ein bürokratisches Monstrum, das die Anderwelt regiert. Grim gehört als Schattenflügler zu den hochrangigen Mitgliedern, denn die OGP ist hierarchisch aufgebaut, und er passt gleichzeitig aufgrund verschiedenster Dinge überhaupt nicht in dieses System. Seine Abscheu gegenüber (in seinen Augen) sinnfreien Gesetzen und Regeln oder sein Verhältnis zu Menschen sind dabei nur zwei Aspekte. Das System der OGP spiegelt den Charakter Ghrogonias, aber auch die Ausgangssituationen und Entwicklungen zahlreicher Figuren wie Grim, Mourier [Leiter der OGP; Anm. d. Red.], der alten Schattenflügler oder Thoron [König Ghrogonias; Anm. d. Red.] und trägt so einen wesentlichen Teil zur Vielschichtigkeit und Tiefe der Geschichte bei. Humor und Ironie sind da natürlich ungemein wichtige Werkzeuge.

Zauberspiegel: Die vielleicht interessanteste Figur des Romans ist der Kartenmann, ein finsterer Geselle, den Grim im Laufe der Geschichte um Rat fragen muss. Kannst du den Lesern dieses Interviews diese Figur vielleicht einmal kurz beschreiben und dich zu etwaigen Vorbildern für den Kartenmann äußern?
Gesa Schwartz: Der Kartenmann hat kein Vorbild. Er ist aus der Geschichte entsprungen und ich lernte ihn gemeinsam mit Grim kennen, als dieser zu ihm ging, um eine alte Schuld zu begleichen. Hier ein Zitat aus dem Buch, das den Kartenmann in Ansätzen beschreibt:
Die Hände des Kartenmanns bewegten sich rasend schnell, während er drei ebenhölzerne Becher auf seinem Tisch hin und her schob. Plötzlich hielt er inne und Grim konnte die Hände sehen – Hände mit schwarzen Nägeln und einer Haut wie uraltes Pergament. In dem weißen Fleisch waren Brandnarben, sie zeigten die Farben eines Spielkartensatzes: Kreuz, Pik, Herz, Karo. Mit unnatürlich schneller Bewegung riss die rechte Hand den mittleren Becher zurück. Darunter lag ein menschliches Auge. Die linke Hand schoss vor, spießte das Auge mit knackendem Geräusch auf den Nagel des kleinen Fingers und schob es unter den Zylinder. Sofort hörte Grim genüssliches Schmatzen. Langsam hob der Kartenmann den Kopf.
Ein breiter Mund mit schmalen, blutigen Lippen schob sich zuerst aus dem Schatten, gefolgt von einer schmalen Nase und hellen, farblosen Augen. Auch im Gesicht trug er die Zeichen eines Kartenspiels, und rings um sein linkes Auge prangte das schwarze Pik. Er starrte Grim an, während er kaute, und seine Augen veränderten sich. Sie füllten sich wie ein sich vollsaugender Schwamm mit Farbe, bis sie vollständig schwarz waren. Wenn Grim seinem Gegenüber nun in das linke Auge schaute, war es, als stürzte er in die Dunkelheit. Kaum hatte er das gedacht, entfachte sich im Blick des Kartenmanns ein Feuer. Zwei lodernde Flammen ersetzten seine Pupillen und ließen Grim nicht los. Mit genüsslichem Schmatzen schluckte er die Reste seiner Mahlzeit hinunter und entblößte für einen Moment messerscharfe Zähne.
»Du hast von Schuld gesprochen«, sagte er mit leiser, warmer Stimme. »Ich bin ganz Ohr.«

Zauberspiegel: Um bei den Charakteren zu bleiben: Meiner Meinung nach ist dir keine Figur im Roman so gut gelungen wie die mysteriöse, dunkle Gestalt des Kartenmanns. Neben diesem gibt es in »Grim« aber noch eine Vielzahl charakterlich vollkommen anders gearteter Figuren. Welche Art von Charakter empfindest du persönlich am interessantesten? Welche Charaktere sind am schwierigsten zu zeichnen?
Gesa Schwartz: Alle meine Charaktere sind für mich interessant, ich würde niemals auf die Idee kommen, da eine Hierarchie zu erstellen, gerade auch, weil sie so unterschiedlich sind. Am intensivsten habe ich mich natürlich mit Grim beschäftigt, dessen vielschichtiger und jahrhundertealter Charakter mich noch immer sehr fasziniert, gerade auch, weil es bei ihm mehr zu bewundern gibt als den schönen oder auch bösen Schein. Schwierig zu zeichnen war keine Figur für mich – sie haben sich mir so vorgestellt, wie sie in der Geschichte vorkommen wollten – und so habe ich sie dann eingebunden.

Zauberspiegel: »Grim« trägt den Untertitel »Das Siegel des Feuers«. Lässt das darauf schließen, dass das Buch eine Fortsetzung nach sich ziehen wird? Falls ja, kannst du schon etwas darüber erzählen? Falls nein, welche anderen Projekte hast du derzeit in Planung?
Gesa Schwartz: Zurzeit arbeite ich an einem weiteren Abenteuer Grims, in dem einige alte Bekannte, aber auch zahlreiche neue Figuren auftreten werden. Die Geschichte wird voraussichtlich noch düsterer und actionreicher als ihr Vorgänger, denn meine Protagonisten werden mit Gegenspielern konfrontiert, die Seraphin [Grims Widersacher im Roman; Anm. d. Red.] in mancherlei Hinsicht um einiges überbieten werden.

Zauberspiegel: Vielen Dank, Gesa, für das Interview! Ich hoffe, wir lesen bald wieder etwas von dir.

Kommentare  

#1 Laurin 2010-03-07 14:03
Neu ist die Idee mit den Gargoyles ja nun nicht (da gab es sogar mal eine Zeichentrickserie), aber selten und interessant durchaus.
Die Sache hat Potential und der Auszug aus dem Roman bezüglichst des "Kartenmann" macht Lust auf mehr! ;-)

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