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... Gaby Wurster über Jules Verne und die Arbeit einer Übersetzerin

Gaby Wurster... Gaby Wurster ...
... über Jules Verne und die Arbeit einer Übersetzerin

Es ist unglaublich wo man Gaby Wurster überall findet - wenn man denn sucht. Die Mühe, sich mit den Übersetzern der Bücher auseinander zu setzen, die man so tagaus - tagein in Händen hält, macht man sich in der Regel nicht. Zumindest kann ich mich kaum daran erinnern, mich wirklich für die Person zu interessieren, die dafür sorgt, dass ich isländische Krimis lesen kann, etwas mit spanischen Thrillern anfangen kann - oder dazu in der Lage bin, bei allen Französisch-Halb-Kenntnissen die wirklich nicht ausreichen würden um einen Jules Verne in seiner Muttersprache zu würdigen.

Schon gar, wenn es um ein Buch geht, auf das ich mich schon gefreut habe, seit ich das erste Mal davon hörte: "Das Geheimnis des Wilhelm Storitz".

In unseren Diskussionen und Artikeln geht es ja immer wieder eher darum, warum viele von uns Bücher lieber im Original lesen - dieses Interview ist mit einer jener "vernachlässigten Spezies" - einer Übersetzerin.

Zauberspiegel: Frau Wurster, Sie haben das Buch von Jules Verne, "Das Geheimnis des Wilhelm Storitz" übersetzt. Wie kamen Sie zu dem Auftrag, dieses Buch zu übersetzen?
G. Wurster: Mit dem Piper-Verlag verbinden mich mittlerweile über zehn Jahre Zusammenarbeit. Ich nehme an, dass mich das Fantasy-Lektorat angefragt hat, weil ich in der Vergangenheit auch seitenstarke Titel innerhalb eines gegebenen Zeitfensters zur Zufriedenheit der Lektoren bewältigt habe.

Zauberspiegel: Und gleich danach die Frage: Wie kamen Sie ganz allgemein dazu, als Übersetzerin tätig zu sein?
G. Wurster: Ich hatte von 1989 bis 1994 einen Kleinverlag für griechische Literatur und habe auch selbst übersetzt. Angebot und Nachfrage in dieser Sprachnische sind jedoch sehr begrenzt, also muss man sich als hauptberuflicher Übersetzer ein wenig nach dem Markt richten und sich auf seine anderen Zweitsprachen besinnen, das sind bei mir Englisch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch.
 
Zauberspiegel: Was für ein Gefühl ist es, wenn man der Erste ist, der das Buch eines solch bekannten und berühmten Autoren übersetzt? Ist es etwas anderes als ein Buch von Jaques Toutlesmondes zu übersetzen?
G. Wurster: Auch aus dem Griechischen habe ich relativ bekannte Autoren übersetzt. Kostoula Mitropoulou etwa oder Demosthenes Kourtovik. Ich hatte die Chance und das Glück, die Autoren persönlich kennenlernen und mit ihnen zusammen an der Übersetzung arbeiten zu können.
Das ging mit Jules Verne nun nicht, insofern war die Verantwortung selbstverständlich größer, zumal der Anspruch der Herausgeber der Originalfassung auch ein anderer war als bei den Fassungen von Michel Verne. Aber ganz ungeachtet dessen, gehe ich mit derselben Achtung an ein Werk von Monsieur X oder Missis Y und trage für die Übersetzung nicht weniger Sorge. Übersetzen ist für mich ein Entweder-Oder. Wenn ich es mache, dann mache ich es richtig und ohne Ansehen der Person.
 

Zauberspiegel: Wie haben Sie sich auf die Übersetzung des Buches vorbereitet? Haben Sie die Version des Sohnes vorab gelesen?
G. Wurster: Als Vorbereitung habe ich die Vorlage gelesen und die nötige Recherche betrieben. Die Fassung von Michel Verne habe ich nicht gelesen, denn, wie gesagt, es ist ein ganz anderes Buch, und ,,jener“ Jules Verne, für den der Sohn zeichnet, interessiert mich nicht so sehr wie der sozialkritische, düstere, leidenschaftliche Autor, der er am Ende seines Lebens war.

Zauberspiegel: Wie geht man als Übersetzerin mit diesem Widerspruch zwischen Authentizität durch wörtliche Übersetzung und der notwendigen Übertragung im Sinne der Verständlichkeit um?
G. Wurster:
Es gibt, grob gesagt, zwei Herangehensweisen: Entweder man hält sich in seinen Formulierungen an die Ausgangssprache oder an die Zielsprache. Ich bin zielsprachlich orientiert, also darauf bedacht, dass man bei der Lektüre der Übersetzung nicht ins Stocken gerät, weil man einen linear übersetzten Ausdruck nicht richtig erfasst oder weil die Syntax verdreht ist. Immerhin soll es Unterhaltungsliteratur sein.
Außerdem würde ich sagen, die Bilanz ist am Ende eines Buches wohl immer ausgeglichen. Die eine oder andere Formulierung ist eben in der Ausgangssprache präziser, prägnanter oder pointierter, dafür kann man wiederum im Deutschen einen anderen Sachverhalt besser auf den Punkt bringen.

Zauberspiegel: Gibt es Situationen, in denen man als Übersetzer feststellt, dass man eigentlich nicht die geeignete Person ist, um ein Werk zu übersetzen? Was macht man da?
G. Wurster: Bislang musste ich eine Übersetzung aus inhaltlichen oder idiolektalen Gründen noch nicht ablehnen. Zum Glück habe ich wohl ausreichend Einfühlungsvermögen, um mich sprachlich in einen Text einzufinden.

Zauberspiegel: Wie geht man als Übersetzerin eigentlich mit der Tatsache um, dass man zwar an exponierter Stelle des Buches genannt wird, aber doch eigentlich nicht wirklich Beachtung findet? G. Wurster: Das ist ein weites Feld. Ohne Übersetzer gäbe es keine Weltliteratur; kein Homer, kein Shakespeare, kein Verne wäre je außerhalb seiner Sprachgrenzen bekannt geworden. Dass die Übersetzer daher mit jedem Recht der Welt um mehr Anerkennung kämpfen, die sich in der Namensnennung auf dem Cover und schließlich auch im Honorar ausdrücken soll, kann man in den Medien immer wieder verfolgen. Es wurden ja auch schon einige kleinere Fortschritte erzielt. Doch abgesehen davon, beiße ich nicht ständig in die Schreibtischkante, nur weil ich erst auf Seite 3 erwähnt werde.

Zauberspiegel: Unter unseren Lesern taucht immer wieder die Diskussion auf, ob man Bücher nicht nur im Original wirklich lesen und würdigen kann. Es geht dabei meistens um Veränderungen durch Veränderung der Sprache, des Stils etc. Was sagen Sie dazu?
G. Wurster: Wenn ein Leser die Originalsprache beherrscht, gibt es wenig Grund, eine Übersetzung zu lesen, es sei denn, sie ist besser. Auch das kommt vor. Aber bevor interessierte Leser, die über begrenzte Fremdsprachenkenntnisse verfügen, gar nicht lesen, sollten sie doch besser eine Übersetzung zur Hand nehmen. Oder?

Zauberspiegel: Gibt es einen Traumautoren, den Sie gerne einmal übersetzen möchten? Oder kennenlernen? 
G. Wurster: Ich denke, ich habe es mit meinen Autoren immer gut getroffen. Von den französischen Autoren macht mir im Moment Claude Izner mit seinen Fin-de-Siècle-Paris-Krimis sehr viel Freude. Apropos Krimis: Die philosophischen Kriminalgeschichten von Fernando Pessoa würden mich wirklich sehr reizen. Und ich bin weiterhin gespannt: Vielleicht tauchen in der Zukunft ja neue ,,Traumautoren“ auf ...

Zauberspiegel: Auf Ihren Websites www.gaby-wurster.de und www.gabriele-von-ehrenfeldt.de  (beide Links öffnen sich in einem neuen Fenster und verlassen die Seiten von Zauberspiegel-online) weisen Sie auch auf eigene Buchprojekte hin, die Sie als Autorin und Herausgeberin realisiert haben, zuletzt erschien von Ihnen im Frühjahr „Triest. Eine literarische Einladung“. Macht Ihnen Schreiben mehr Spaß als Übersetzen?
G. Wurster: Zumindest macht es mir genauso viel Freude. Natürlich ist es in jeder Hinsicht, eine ganz andere, sehr viel freiere, kreativere Arbeit, und das eigene Buch ist rundum erfüllender, ob es nun ein kleiner Krimi sei oder eine Anthologie.

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