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Brauchts das? - Avatar - ist das Größte

Brauchts das?Avatar
ist das Größte

Was ist das mit den Zahlen? Zum einen versucht man, sich in jeder Hinsicht zu überbieten, dann wiederum will man von gewissen Summen nichts wissen. Mal heißt es ‚genau‘, mal heißt es ‚in etwa‘. Da werden gerne auch neue Eckdaten erfunden wie ‚das beste Einspielergebnis in den ersten sechs Tagen vor einem Feiertag ohne Schneefall, nachdem 7-Eleven seine Öffnungszeiten änderte‘. Blödes Beispiel, weil 7-Eleven durchgehend geöffnet hat.

Aber so ist das mit den Zahlen. Die Fox zum Beispiel rückt mit AVATAR nun etwas zurück. AVATAR macht vielen Menschen Angst. Und da macht man auch mit dem Budget keine Späße. Da sind die Cameron-Jünger, die befürchten müssen, dass mehr heiße Luft produziert wird statt einem epochalem Epos. Oder die Analysten, die kaum Prognosen zustande bringen, weil TITANICs 1,8 Milliarden Dollar nicht zu toppen sind.

Nicht zu vergessen die Anzugträger bei Twentieth Century Fox. Ja, bei Fox besteht man jetzt darauf, dass für James Camerons Wahnsinn nicht mehr als 237 Millionen Dollar ausgegeben wurden. Das nennt man eben Bescheidenheit. 150 Millionen Dollar reines Werbe-Budget haben ja auch nichts mit der Produktion zu tun, und dürfen somit außen vor gelassen werden.

Oh, Herr Cameron selbst wird sicherlich die wirklichen Zahlen auf den Tisch legen, sollten die Erwartungen in seinen Film Erfüllung finden. Und dann geht die Rechthaberei wieder von vorne los. Aber vorerst überlässt man die vorderen Plätze bei den Produktionskosten bei PIRATES 3 mit seinen 300 Millionen, SPIDER-MAN 3 mit schlappen 258 Millionen und HARRY POTTER 6, der mit 250 gut im Rennen liegt.

Es ist eine begründete Angst, welche die Fox dazu bringt, nicht allzu auffällig zu werden. Zum einen sind Zahlen in Hollywood relativ. Reine Auslegungssache, schon immer gewesen. Und zum anderen sind Filme mit ‚Original Content‘ in den letzten zwei Jahren nicht gerade Kassenknüller gewesen. Original Content bezeichnet man mittlerweile neue Filme mit Blockbuster-Charakter und Franchise-Qualitäten, welche die ersten in der Reihe wären. Dazu zählen nicht die Indies, die unabhängig produzierten Filme im billigeren Segment. Die sind für die Kasse sowieso irrelevant. Und mittel budgetierte Filme mit großem Staraufgebot gehen schon mal gar nicht mehr. DUPLICITY irgendjemand?

Auch Jeffrey Katzenberg, der weiße 3-D-Ritter, hatte vollmundig angekündigt, MONSTERS vs. ALIENS ausschließlich in 3-D zu zeigen. Weltweit waren die wenigsten Leinwände 3-D-tauglich, auf denen dieser Film gezeigt wurde. Doch schon lange vor Katzenberg und seinem Animationsfilm stand Cameron auf der Matte der Kinorevolution und sprach vom ersten Film, der einzig und allein in 3-D gezeigt werden wird, gezeigt werden darf, nur und ausschließlich, unumstößlich. 2.500 3-D-Standorte sind in Amerika gebucht. Ein gewöhnlicher Massenstart liegt heute aber bei mindestens 4.000 Kopien. Die weltweit 250 von 350 gebuchten IMAX 3-D-Leinwände fallen dabei ja kaum ins Gewicht.

Wo dieser Wahnsinn hinführen soll, das verpufft im Dunkel des Kinosaals. Ein Erfolg von AVATAR in dem Sinne, wie man ihn sich erhofft, würde nach diesem finanziellen Irrsinn nur gesteigerten Wildwuchs nach sich ziehen. Natürlich hat James Cameron mit allen seinen Filmen in gewisser Weise Kinogeschichte geschrieben. ALIENS nabelte sich als Fortsetzung vollkommen von der Mutter ab. Mit ABYSS begann der digitale Overkill, der mit TERMINATOR – JUDGEMENT DAY die Kinowelt aus den Sesseln warf. Und dann dieser Schmachtfetzen, der nicht einmal den Nerv der Zeit traf, sondern nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Eigenartig an diesem Cameron-Dilemma ist, dass AVATAR kein Erfolg sein muss, um erfolgreich zu werden. Bei jedem seiner Filme hat der Regisseur und Autor auch noch Erfinder gespielt und dem produzierenden Gewerbe neueste Technologien geliefert. Und seine Filme waren gleichzeitig Showreel. AVATAR wird wahrscheinlich als Film kaum ein neues Kinozeitalter einläuten, aber er wird mit Camerons allerneuester Kameratechnologie und integrierter, virtueller Welt, die 3-D-Produktion von Stummfilm- auf  Tonfilm-Niveau heben. Zudem hat mit AVATAR das Motion-Capture-Verfahren eine Qualität erreicht, der Robert Zemeckis seit einigen Filmen vergeblich hinterherrennt.

Wie teuer ist AVATAR denn nun wirklich und wo hört der Spaß auf? Das große Getue um diesen Film ist natürlich künstlich erschaffen, das steht außer Frage. Aber schließlich gilt es zu mobilisieren, was zu mobilisieren geht. Die Mehrzahl des Publikums, das heute mit dem Namen James Cameron ins Kino gelockt werden soll, war 1991 bei TERMINATOR 2 noch gar nicht auf der Welt. Und 1997 war bei TITANIC das Zielpublikum auch ein komplett anderes.

Die Welt blickt auf AVATAR, ohne Zweifel. Ob gerechtfertigt oder nicht, es wird eine Messlatte, mit der keiner wirklich etwas anfangen kann. Was für Signale werden mit Erfolg oder Flop gesetzt? Der kleinliche Kinofan würde sich wünschen, dass endlich billigere, aber dafür bessere Blockbuster gemacht werden. Der unkritische Konsument sieht das gelassener, Hauptsache es kracht ordentlich. Die Aufwärtsspirale der Superlative muss aber irgendwo ein Ende haben. Aber dieses Ende war schon erreicht, als Cameron seinerzeit das Budget von TERMINATOR 2 um 25 Prozent überzog. So hieß es jedenfalls, und mahnten alle Analysten an, als dieser Film mit 102 Millionen Dollar Budget als erster dreistellige Produktionskosten verursacht hatte.

Viele Menschen haben Angst. Der Fan, der Analyst, der Anzugträger. Das ist gut so. Mit Überlängen- und 3-D-Zuschlag wird die Eintrittskarte in Deutschland für AVATAR ungefähr 9 Euro kosten. Das Budget inklusive der Werbekosten des Films beträgt umgerechnet 252 Millionen Dollar. Das sind 28 Millionen Zuschauer, die man benötigt, um alles wieder einzuspielen. Das sind aber auch 28 Millionen Zuschauer, die man mit einem einzigen Film verärgern kann. Das sind sehr viele Menschen.

Natürlich wird dieser, wie alle anderen Filme auch, nicht einstimmig aufgenommen werden. Aber rechtfertigt sich damit jeder Auswuchs, der aller Logik widerspricht? Was Cameron während dieser Produktion technologisch für die Filmindustrie geschaffen hat, wird unbezahlbar sein. Für alles andere muss Vernunft endlich marktführend werden. Wie kommt es sonst, dass ein Franchise wie TERMINATOR plötzlich zur Auktion ausgeschrieben werden kann? Oder dass wieder einmal ein ganzes Studio wie MGM verkauft wird?

Argumentativ kann man den weltwirtschaftlichen Wert eines Unternehmens sehr leicht vom Wert eines einzelnen Produkts trennen. Das ist aber bekannte Augenwischerei. Die Vernetzung der gesamten Industrie ist derart undurchsichtig geworden, dass hier der Schmetterlingseffekt jederzeit Wirklichkeit werden kann. Denn Projekte, die man glaubt dem Zuschauer vorsetzen zu müssen, können einzelne Studios alleine gar nicht mehr stemmen. Ganz bestimmt wird AVATAR mehr als 28 Millionen Zuschauer locken, und er wird neue Rekorde brechen. Das werden wieder mal Rekorde sein, die überhaupt nichts mit der Qualität des Films zu tun haben.

Dann heißt es wieder: Das beste Einspielergebnis in den ersten sechs Tagen vor einem Feiertag ohne Schneefall, nachdem 7-Eleven seine Öffnungszeiten änderte. Ach, das war ja dieses blöde Beispiel. Aber irgendwas wird man sich da schon einfallen lassen. Man wird sich von den Schlagzeilen überraschen lassen müssen, genau wie von dem, was man tatsächlich von dem bekommt, was AVATAR einem verspricht. Verlässlich ist nur, dass man sich, zumindest in Amerika, nach dem Film noch ein Eis oder einen Mikrowellen-Hamburger bei 7-Eleven holen kann.
 

Kommentare  

#1 T.B. 2009-12-08 23:51
Ich finde diese Negativstimmungmache, genauso nervig wie das Haypen von Filmen.
Ja, ich werde mir den Film am Donnerstag 17.12 im 3D Kino ansehen und dann erst Urteilen. Ist es nur Effektgewitter schade, aber ich gehe auf keinen Fall hin und tu etwas im Vorfeld schon mit negativen Asosationen versehen.
#2 blu 2009-12-10 17:51
Ich weiss ehrlich gesagt sowieso nie wieso so ein Hype um den Film gemacht wird - ich lasse mich zwar gerne vom Gegenteil überzeugen, aber was ich bis jetzt an Trailern gesehen habe sieht zwar optisch akzeptabel aus, scheint aber eher uninteressant zu sein. Ich warte auf die DVD schätze ich :-)

oO (Harry Potter 6 hat 250 Millionen gekostet? Für was? :eek: Der war so unschlagbar schlecht... )
#3 Mainstream 2009-12-10 18:02
-
Der Hype um diesen Film entsteht, weil 20th Century Fox diesen
Hype inintiiert. Bunte Flugsaurier und blauhäutige Ureinwohner
machen für mich nicht unbedingt den Eindruck, als müßte ich mich
auf eine Fantasywelt gefasst machen, die ich noch nie zuvor gesehen
habe.

ABER, und das ist das gemeine, dieser Film wird wie alle James Cameron
Filme, einer für die ganz große Leinwand sein. Da wirst Du dann mit
Deiner DVD nicht viel glücklicher werden.

Man soll ja keine Filme miteinander vergleichen, aber mal die Summen
vielleicht. Denn für Avatars Budget bekomme ich fast 9 Stunden
Lord of the Rings.
#4 Pisanelli 2009-12-10 18:23
Also, ich freue mich auf den Film und natürlich werde ich ihn mir im Kino mit einer großen Leinwand ansehen. Würde ich auch dann tun, wenn der Film nur 5,- Euro gekostet hätte: Cameron hat mich eigentlich noch nie enttäuscht.
#5 Mainstream 2009-12-10 22:30
-
Na ja, aber dieser ganze Multi-Millionen-Dollar-Wahnsinn
ist doch einfach... Wahnsinn.

Habe gerade ABYSS auf Laserdisc eingelegt. Zugegeben, der
Typ weiß wie man Filme macht. Hoffentlich hast Du ein Kino
das in 3-D vorführt.

Und alles Gute für den Arm.
#6 Pisanelli 2009-12-11 10:03
Danke, es war nicht der Arm, nur der Finger und dem geht es wieder relativ gut. Jedenfalls kann ich wieder tippen :-)
Abyss habe ich mir gestern im Fernsehen angesehen. Mein erster Action-Film, den ich überhaupt gesehen habe. Wahnsinn ist das Ganze schon irgendwie, aber ich bin immer sehr gespannt auf die technischen Innovationen, die da entstehen. Und graphisch aufwendig gestaltete Filme sind sowieso mein Ding.

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