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# 21 Wenn einer eine Reise tut - 1 (Eine Trilogie)

As Time Goes By"Verehrte Fahrgäste. Erschrecken sie nicht.
Ich bin es – Ihr Zugbegleiter.
"
Originalansage im ICE

# 21: Wenn einer eine Reise tut ... 1
(Eine Trilogie)

Wer mit Zug oder Auto mehrere hundert Kilometer durch die Lande braust, um sich mit einem Haufen Irrer (Horror-, Fantasy- oder SF-Fans) zu treffen, der muss per se schon einen Schaden haben. Nun, ich gehöre zu diesen Behämmerten. Ich bin für Cons und Feste und so'n Zeugs schon viele tausend Kilometer gereist, im Sommer 2005 unter anderem bis fast ans Ende von Österreich zur Burg Finstergrün. Ich habe überall in den alten und neuen Bundesländern an Veranstaltungen teilgenommen (wie viele andere auch)

Normalerweise hat mich an Conberichten (gerade im Horrorfandom) immer genervt, dass von drei Seiten Bericht zwei für die Anreise draufgingen, wo dann in epischer Breite noch unbedingt schnell im Spar ne Cola und Zigaretten beschafft werden mussten und das Highlight die Beschreibung der Schlange an der Kasse und das Aussehen der Kassiererin war. Dann wurde auch das Gerangel um Beifahrersitze oder der Weg durch den Stau in epischer Breite erklärt, während der Con in dem Bericht zum Randereignis verkam. Aber wow, der Leser wusste, dass es manchmal schwer war, am Samstagmittag noch ne Camel im Spar zu bekommen.

Das war dann immer so spannend und amüsant wie Hämorrhoiden, die jucken. Aber man kann auch bei der Anreise was erleben. Einige dieser Erlebnisse will ich nun zum Besten geben.

Zu meinen Horrorfanzeiten hatte ich anfänglich noch keinen Führerschein und war dann eben mit der Bahn unterwegs. Da hatte ich dann einmal, als ich ohne meinen ständigen Reisepartner Norbert unterwegs war, weil dieser an diesem Wochenende arbeiten musste, ein nettes Erlebnis mit der Deutschen Bahn und deren Nachtzügen. Und weil ich am Sonntag nicht Fußball spielen musste, beschloss ich, einen späteren Zug als gewöhnlich zu nehmen. Es sollte der Nachtexpress sein, der, aus Paris kommend, Düsseldorf um 23:15 Uhr erreichen würde und gegen 3:15 Uhr die schöne Hansestadt Hamburg erreichen sollte, wo ich dann noch so drei Stunden auf meinen Anschluss nach Stade warten musste. Aber ich war ja hart.

Gegen 23:00 Uhr fand ich mich nach einem amüsanten Con auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof ein. Ich setzte mich auf eine Bank, suchte ein Fanzine, drehte eine Zigarette und rauchte entspannt (damals ging das noch) und begann zu lesen. Irgendwann hatte ich die fünfte Fluppe gequalmt, das zweite Zine gelesen (und mich auch allein prächtig amüsiert). Aber immer noch kein Zug. Zwischendurch glaubte ich was von 'wenigen Minuten' aus schnarrenden Lautsprechern gehört zu haben. Ich wandte mich einen vorbei eilenden Bahner. Der murmelte was von: "Kommt jeden Tag zu spät. Halbe Stunde wohl noch", murmelte er und verzog sich in ein Kabuff, um wohl mal Foftein zu machen, wie wir Plattdeutschen eine Pause nennen.

Um eine lange Wartezeit zu verkürzen. Gegen 00:30 Uhr rollte der Zug dann auch ein. Er war so voll, dass ich mir mit sieben weiteren Typen für den Rest der Nacht einen Klappsitz auf dem Gang teilte. Und bis Hamburg hatte der Zug dann gut und gern drei Stunden Verspätung, was allerdings den Vorteil hatte, dass ich gleich in den ersten Zug in Richtung Stade/Cuxhaven springen konnte. Doch ich musste mich ziemlich beeilen, um den noch zu erreichen.

Ein weiteres nettes Erlebnis mit der Bahn hatten Norbert und ich ebenfalls nach einem Meerbusch-Con. Wir verließen wie gewöhnlich zwischen 19:00 Uhr und 20:00 Uhr die Veranstaltung und donnerten zum Bahnhof. Dort angekommen, wies eine Hinweistafel den IC (ICE waren noch Strichzeichnungen eines Dipl.-Ing.) als gut eine dreiviertel Stunde verspätet aus. Nun gut. Das war die Gelegenheit, noch schnell ein scharf gewürztes Paprikahähnchen einzufahren.

Als wir von den Knochen des toten und gebratenen Steppenrenners gelassen hatten und an die Gleise zurückkehrten wies die Tafel aus, dass sich der Zug jetzt nicht nur eine Halbzeit, sondern um ein ganzes Fußballspiel verzögern würde.

Und plötzlich, gerade als wir uns entschlossen hatten, ein oder zwei Getränke am Kiosk käuflich zu erwerben, drang eine entschlossene, wie üblich kaum verständliche, Stimme aus den Lautsprechern. Man solle sich doch bitte in den gleich einrollenden Nahverkehrszug setzen. Der brächte uns dann nach Dortmund. Dort warte dann der Ersatz‑IC auf uns, seine Fahrgäste.

Und in der Tat, eines der Nahverkehrsvehikel ratterte in den Bahnhof und wir schwangen uns rein, stiegen in Dortmund dann in einen IC, der sich dann auch brav in Bewegung setzte. Er donnerte los. Mittlerweile hatte ich richtig Durst. Norbert auch. Es ist ja IC, erkannten wir scharfsinnig (Elementary, von Allworden) und machten uns auf die Suche nach dem Speisewagen.

Wir sollten noch lernen was die Bahn unter Ersatz‑IC verstand. Zuerst einmal: kein Speisewagen und auch keine Minibar. Minibars — das sind diese Wägelchen, von Servicekräften geschoben, und mit überteuerten Getränken versehen. Fazit: Nichts zu trinken an Bord.

Es erschien der Schaffner und statt des geschnarrten "Die Fahrausweise, bitte" kam unaufgefordert, der Hinweis, er würde versuchen, in Münster was zu trinken zu bekommen. Der Mann war angenervt. Immerhin musste er das ausbaden, was irgendwelche Strategen irgendwo verbockt hatten. In Münster sah man den Schaffner dann über den Bahnsteig pöbeln und den Kollegen der DSG (heute heißt das Mitropa, aber besser geworden ist es nicht wirklich) die Pest an den Hals wünschen. Nichts zu trinken. Aber ein lustiges Bild, denn eine Horde durstiger Fahrgäste harrte seiner. Und Fahrgäste fragen nicht nach Verantwortung. Sie schnappen sich den Erstbesten, den sie erwischen können. Der Schaffner wusste, dass er dieses Opfer war.

In Osnabrück und Bremen wiederholte sich das beeindruckende Schauspiel des Schaffners. Manche Fahrgäste tranken wohl das Brauchwasser aus dem Wasserhahn des Waschbeckens der Zugtoiletten. Norbert und ich hielten durch. Unsere Lippen zeigten zwar noch keine Trockenrisse, aber unsere Stimmen wurden rauer. Je länger die Fahrt dauert, desto öfter räusperten wir uns.

Als wir dann endlich in Harburg ausstiegen, rannten wir, von Durst gezeichnet, zum gerade schließenden Container-Imbiss vor dem Bahnhof (der gerade – fast 25 Jahre nach diesen Ereignissen – für immer abgeräumt wurde). Da aß man eigentlich besser nicht (weil der interessierte Beobachter in der Nacht manchmal Mäuse über den Tresen und die innen liegenden Armaturen toben sehen konnte), aber der Orangensaft aus Konzentrat-Imitat (oder so), der immer so künstlich schmeckt (und aus einem Tank kam, zudem die possierlichen Nager keinen Zugang hatten) wurde zum Durstlöscher allererster Güte und zu unserem subjektiven Lebensretter. Nie hat ein Getränk besser geschmeckt. Nicht davor, nicht danach.

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